Strenge Anforderungen an Vereinbarungen zum Rückersatz von Ausbildungskosten
In der unternehmerischen Praxis finanzieren Arbeitgeber zum Teil sehr kostenintensive Ausbildungen ihrer Arbeitnehmer. Dabei kann hinsichtlich Ausbildungen, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse vermitteln, die er auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann, zulässigerweise eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden. Die Möglichkeit, Ausbildungskosten zurückfordern zu können, hängt in der Folge insbesondere von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Die Rechtsgrundlage für einen „Ausbildungskostenrückersatz" findet sich in § 2d AVRAG.
Der OGH entwickelte in den letzten Jahren in Bezug auf die Voraussetzungen einer gültigen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung eine besonders strenge und formalistische Judikaturlinie. Oftmals haben dabei auch vermeintlich geringfügige Fehler zur Folge, dass die gesamte Vereinbarung unwirksam ist und die Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Ausbildungskosten völlig wegfällt.
Der OGH setzte sich zuletzt mit den Anforderungen an einen möglichen Rückersatz des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts bzw. mit einer Aliquotierungsregelung, die geringfügig von der gesetzlich vorgesehenen abwich, auseinander:
Im ersten Fall (OGH 26.2.2020, 9 ObA 124/19d) bezahlte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin während einer ausbildungsbedingten Dienstfreistellung weiterhin Entgelt. Strittig war nach Auflösung des Dienstverhältnisses, ob die Klägerin das fortgezahlte Entgelt rückfordern konnte.
Ausbildungskosten können jedenfalls nur dann vom Arbeitgeber zurückverlangt werden, wenn dies vor Beginn einer Ausbildung schriftlich und im Hinblick auf eine konkrete Ausbildung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wurde. Die Höhe der Rückzahlungslast muss dabei jedenfalls bestimmbar sein.
Zweck dieser Regelung ist es, für den Arbeitnehmer bereits vor Beginn der Ausbildung Transparenz über die Bedingungen für den potenziellen Rückersatz der Kosten der Ausbildung zu schaffen. Dem Arbeitnehmer soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. So soll eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden.
Die eben genannten Grundsätze sind auch auf die Vereinbarung der Rückforderung des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts übertragbar. Eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, das ihm während der Freistellung zu Ausbildungszwecken weitergewährte „Bruttogehalt“ zurückzuzahlen, gilt nach der Rechtsprechung des OGH als hinreichend transparent und verstößt nicht gegen § 2d AVRAG.
Die im vorliegenden Fall abgeschlossene Vereinbarung stellte allerdings nicht auf das Bruttogehalt ab, sondern sprach nur vage von „Kosten der bezahlten Dienstfreistellung". Zudem war in der Vereinbarung auch kein Hinweis auf das zeitliche Ausmaß der Dienstfreistellung enthalten. Die Arbeitnehmerin konnte aus Sicht des OGH daher bei Abschluss der Vereinbarung nicht hinreichend beurteilen, worauf sie sich einlässt, sodass die Arbeitgeberin mit ihrem Rückzahlungsanspruch scheiterte.
Für die Praxis ist daher wesentlich, bei der Vereinbarung eines Rückersatzes des während der Ausbildung weiterbezahlten Entgelts, die Kosten so konkret wie möglich zu bestimmen. Im Vorhinein sind die konkreten Fortzahlungskosten meist noch nicht betragsmäßig bestimmbar. Es sollte aber zumindest ein Berechnungsschlüssel hinsichtlich der Entgeltfortzahlungskosten unter möglichst konkreter Nennung der Variablen, wie beispielsweise dem Bruttogehalt und die voraussichtliche Anzahl an Kurstagen vereinbart werden, um zu verhindern, dass die Rückzahlungsvereinbarung in diesem Punkt unwirksam ist.
Im zweiten Fall (OGH 24.4.2020, 8 ObA 33/20s) schloss ein Arbeitnehmer vor Beginn einer Schulung eine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber über die Modalitäten des Rückersatzes der Ausbildungskosten. Die Vereinbarung sah dabei vor, dass sich die Rückzahlungsverpflichtung für jeden Monat im aufrechten Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung bis zum Ende der zulässigen Bindungsdauer (4 Jahre) um 2 % verringerte. Strittig war nach der Kündigung durch den Arbeitnehmer, ob die Rückzahlungsvereinbarung im Hinblick auf die vereinbarte Höhe der monatlichen Rückerstattungsverpflichtung wirksam war.
Eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten besteht gemäß § 2d AVRAG insbesondere dann nicht, wenn die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung nicht aliquot, berechnet für jeden zurückgelegten Monat vom Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung bis zum Ende der zulässigen Bindungsdauer, vereinbart wird.
Der OGH kam im konkreten Fall zum Ergebnis, dass diese Voraussetzung durch die getroffene Vereinbarung nicht erfüllt und daher die gesamte Vereinbarung unwirksam sei, womit die Rückzahlungsverpflichtung wiederum gänzlich wegfiel. Die Vereinbarung, die eine Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung für jeden Monat bis zum Ende der (zulässigen) 4-jährigen Bindungsdauer um 2 % (somit um 1/50) vorsah und nicht (wie gesetzlich statuiert um 1/48 pro Monat), führe zu einer gänzlichen Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung, da eine geltungserhaltende Reduktion - selbst wenn es sich nur um eine minimale Abweichung für den Arbeitnehmer handelt - nicht möglich sei.
In der Praxis sollte daher keinesfalls von der gesetzlich vorgegebenen Aliquotierungsregelung abgewichen werden.
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