Gruppenbesteuerung: Horizontaler Ergebnisausgleich inländischer Tochtergesellschaften
Nach dem Gesetzeswortlaut wird inländischen Tochtergesellschaften einer ausländischen EU-Muttergesellschaft die Gründung einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG und die damit verbundenen Steuervorteile verwehrt, sofern die Muttergesellschaft keine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung im Inland besitzt und die Beteiligungen an den Gruppenmitgliedern nicht der Zweigniederlassung zuzurechnen sind. In einer aktuellen Entscheidung (BFG vom 31.3.2022, RV/7104573/2020) spricht das Bundesfinanzgericht (BFG) aus, dass die Bestimmung einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt und die Versagung einer derartigen Gruppenbildung unionsrechtswidrig ist. Das BFG hat somit erstmals einen sogenannten horizontalen Verlustausgleich zwischen inländischen Tochtergesellschaften über das Referenzobjekt der ausländischen EU-Muttergesellschaft zugelassen.
Sachverhalt
Im gegenständlichen Fall ist die Muttergesellschaft (M-GmbH) in Deutschland ansässig und beantragte die Bildung einer Unternehmensgruppe mit ihr als Gruppenträgerin und ihren beiden in Österreich ansässigen Tochtergesellschaften (Schwestergesellschaften) als Gruppenmitglieder. Die M-GmbH ist an den zwei Tochtergesellschaften unmittelbar zu 100% bzw zu 99,8% des Stammkapitals und der Stimmrechte beteiligt. Die Schwestergesellschaften sind finanziell nicht verbunden.
Angesichts der nationalen Bestimmung zur Unternehmensgruppe stand es der M-GmbH mangels im Firmenbuch eingetragener Zweigniederlassung nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht zu, die Funktion als Gruppenträgerin einzunehmen. Diesfalls könnten die Ergebnisse der inländischen Tochtergesellschaften nicht untereinander verrechnet werden, wodurch den betroffenen Gesellschaften Steuer- und Liquiditätsvorteile verwehrt bleiben.
Horizontaler Verlustausgleich
Das BFG entschied, dass der M-GmbH durch die konkrete Regelung faktisch vorgeschrieben werde, ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Österreich in Form einer im Firmenbuch eingetragenen Zweigniederlassung auszuüben, wenn sie von den Steuer- und Liquiditätsvorteilen profitieren möchte, die die Gruppenbesteuerung bieten. Dadurch kommt es nach Auffassung des BFG zu einer Ungleichbehandlung, welche mangels Rechtfertigung zu einem Verstoß der Niederlassungsfreiheit führt. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 12.6.2014, SCA Group Holding BV ua, C-40/13 und EuGH 14.5.2020, B ua, C-749/18) führt das BFG weiter aus, dass das Unionsrecht, neben der bereits im nationalen Recht verankerten vertikalen Ergebniszurechnung, auch einen horizontalen Ergebnisausgleich zwischen den inländischen Tochtergesellschaften ermöglicht.
Aufgrund des Anwendungsvorrangs bleibt die nationale, dem Unionsrecht widersprechende Vorschrift, unangewendet. Das BFG gelangt folglich zum Ergebnis, dass die steuerlichen Einzelergebnisse der inländischen Tochtergesellschaften über das Referenzobjekt der M-GmbH horizontal berücksichtigt werden. Technisch erfolgt die Zurechnung zwischen den Schwestergesellschaften dadurch, dass eine ausgewählte inländische Tochtergesellschaft die steuerliche Funktion des Gruppenträgers übernimmt, wodurch dieser das gesamte inländische Gruppeneinkommen, bestehend aus den steuerlichen Einzelergebnissen der inländischen Gruppengesellschaften, zugerechnet wird.
Da bereits Amtsrevision eingebracht wurde, bleibt abzuwarten, wie sich der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Rechtsfrage äußern wird.
Sollte sich die Rechtsansicht des BFG durchsetzen, ergäbe sich die spannende Frage, ob der Bottom-Up Konzern im grenzüberschreitenden Zusammenhang ebenfalls von der Gruppenbesteuerung profitieren könnte.
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