Das neue Investitionskontrollgesetz

Die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in Österreich

Am 15. Juli 2020 hat das "Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird", den Bundesrat passiert. Damit ist der Weg frei für eine neue Ära in der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Österreich. Das verschärfte Regime reflektiert einen europäischen und internationalen Trend: Europas größte Handelspartner haben das Thema schon seit geraumer Zeit auf dem Radar. Zwischenzeitig hat sich auch in der EU die Investitionskontrolle vom engen „Korsett“ der „nationalen Sicherheit und Ordnung“ zum breiteren Konzept des Schutzes öffentlicher Interessen entwickelt. Das Bemühen um faire Wettbewerbsbedingungen (Stichwort „level-playing-field“) und der Schutz legitimer Interessen ist selbstverständlich begrüßenswert; zugleich sollte aber der Investitionsstandort Österreich attraktiv bleiben.


Bisherige Rechtslage

Seit 2013 gibt es in Österreich Instrumente zur Kontrolle von Transaktionen (§ 25a Außenwirtschaftsgesetz 2011). Investitionen von Drittstaatserwerbern in österreichische Zielunternehmen waren unter engen Voraussetzungen genehmigungspflichtig.

In der Praxis spielte dieses Regime allerdings eine sehr bescheidene Rolle. Dies hatte mehrere Gründe, insbesondere:

  • eine Rechtslage mit erheblichen Lücken (z.B. im Hinblick auf Asset Deals, mittelbare Erwerbe, etc.).
  • eine andere Sichtweise auf die Transaktionen bzw. Bereiche, welche eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 52 und Art. 65 Abs. 1 AEUV“ betreffen.
     

In den letzten Jahren hat sich der Zugang zu ausländischen Direktinvestitionen bei den Entscheidungsträgern auf europäischer und nationaler Ebene massiv geändert. Beispielhaft genannt seien die Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (EU-FDI-Screening-Verordnung) sowie diverse „Politikpapiere“ der Kommission zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen und zum Schutz der europäischen Wirtschaft / Technologie. Auch die COVID-19-Krise hat noch einmal den Trend zu einer strengeren Investitionskontrolle verstärkt.


Eckpunkte des neuen Regimes

Das Investitionskontrollgesetz (InvKG) schafft einerseits die nationalen Begleitregelungen zur EU-FDI-Screening-Verordnung. Andererseits werden die Vorschriften erheblich verschärft:

  • Die Lücken bei den erfassten Erwerbsvorgängen werden geschlossen. Asset Deals sind z.B. explizit als eine Spielart der Direktinvestition erfasst.
     
  • Die Bereiche, in denen es zu einer „Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ kommen kann, werden in einem umfangreichen Katalog aufgezählt (Teil 1 und Teil 2 der Anlage). Jeder Erwerb eines Drittstaatsangehörigen in diesem Bereich ist grds genehmigungspflichtig, wenn dadurch jeder unmittelbare oder mittelbare Erwerb

1. ein beherrschender Einfluss über ein österreichisches Unternehmen erworben wird,
2. alle / wesentliche Vermögensbestandteile eines österreichischen Unternehmens erworben werden oder
3. Stimmrechtsanteile an einem österreichischen Unternehmen erworben werden, womit ein Mindestanteil von 25% bzw. 50% erreicht oder überschritten wird.

Für besonders sensible Bereiche (Teil 1 der Anlage) greift eine sektorspezifische Investitionskontrolle. Hier besteht eine Genehmigungspflicht, wenn durch die Transaktion ein Stimmrechtsanteil von 10% an einem österreichischen Unternehmen erreicht oder überschritten wird, das in einem der folgenden Sektoren tätig ist:

1. Verteidigungsgüter und -technologien;
2. Betreiben kritischer Energieinfrastruktur;
3. Betreiben kritischer digitaler Infrastruktur, inbesondere von 5G Infrastruktur;
4. Wasser;
5. Betreiben von Systemen, die die Datensouveränität der Republik Österreich gewährleisten;
6. Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung.

 
  • Generell wird die Aufgriffsschwelle abgesenkt. Eine ausländische Direktinvestition muss lediglich zu einer „Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ führen können. Dabei werden auch investorenbezogene Faktoren in der Gefährdungsprüfung berücksichtigt.
     
  • Ein Vollzug des Rechtsgeschäfts (Closing) vor Genehmigung ist unzulässig, eine dennoch vollzogene Transaktion ist ex lege unwirksam und mit einer gerichtlichen Strafe für beteiligte Organmitglieder der erwerbenden Person sanktioniert.  Dies sind drakonische Rechtsfolgen; Die Einhaltung der FDI Vorschriften wird daher künftig eine Schlüsselrolle in der Beurteilung spielen, ob M&A Transaktionen rechtskonform durchgeführt werden dürfen.

     
  • Die zuständige Behörde (Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) erhält weitreichende Befugnisse, z.B. die Möglichkeit, ein Genehmigungsverfahren von Amts wegen einzuleiten und nachträglich (i) Auflagen vorzuschreiben oder (i) die Genehmigung zu versagen und die Rückabwicklung der Transaktion anzuordnen. Die Behörde hat auch umfangreiche Betretungs-, Frage- und Einsichtsrechte.
     
  • Neu eingeführt wird eine de minimis Schwelle. Demnach entfällt die Genehmigungspflicht, wenn das Zielunternehmen ein Kleinstunternehmen ist. Ein Kleinstunternehmen liegt vor, wenn das Unternehmen

1. die Mitarbeiterzahl von 10 unterschreitet und
2. zumindest eine von zwei Finanzkennzahlen (Jahresumsatz, Jahresbilanzsumme) die Schwelle von EUR 2 Mio. nicht überschreitet.


Das neue Verfahren

Das neue Prüfverfahren integriert nicht nur den in der EU-FDI-Screening-Verordnung vorgesehenen Kooperationsmechanismus mit der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten; es reflektiert auch deutlich die Verschärfung der „materiellen“ Investitionskontrollregeln.
 

  • Die Anforderungen an den Antrag auf Genehmigung werden umfangreicher.
     
  • Zielunternehmen sind subsidiär zur Anzeige verpflichtet, wenn die erwerbende Person keinen Genehmigungsantrag stellt.
     
  • Der Antrag auf Genehmigung ist spätestens „unverzüglich nach Abschluss …“ des Rechtsgeschäfts (Signing) zu stellen.
     
  • Die Verfahrensfristen verlängern sich deutlich, nicht zuletzt durch die Notwendigkeit, die Fristen des durch die EU-FDI-Screening Verordnung geschaffenen Kooperationsmechanismus (ab 11. Oktober 2020) einzuhalten. Überdies wurde die Frist für die vertiefte Prüfung (Phase 2) von einem Monat auf zwei Monate verdoppelt.
     
  • Phase 2 wird nicht mehr durch separat bekämpfbaren Bescheid eingeleitet, sondern durch eine einfache Mitteilung. Anfechtbar ist damit nur noch der verfahrensabschließende Bescheid.
     
  • Die Behörde erhält weitreichende Befugnisse. Dazu zählt die Möglichkeit, ein Genehmigungsverfahren amtswegig einzuleiten und eine nicht genehmigte Transaktion nachträglich zu prüfen und ggf Auflagen vorzuschreiben oder diese Transaktion gänzlich zu untersagen.
     
  • Mit einem Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung kann der Erwerber oder das Zielunternehmen klären lassen, ob der Erwerbsvorgang genehmigungspflichtig ist.

Fallstricke in der Praxis

In unserer laufenden investitionskontrollrechtlichen Beratungspraxis, auch und gerade in dieser kritischen Übergangsphase, sind insbesondere folgende Rechtsfragen aufgetreten, die für die Gestaltung der Due Diligence und die Transaktionssicherheit eine wesentliche Auswirkung haben können:
 

  • Die Investitionskontrolle soll insbesondere gewährleisten, dass Drittstaatserwerber vor Genehmigung keinen Zugang zu kritischen Technologien und sensiblen Informationen, betrachtet aus dem Blickwinkel der „Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“, erhalten. Dies erfordert eine vorsichtige und sorgfältige Transaktionsplanung (Timing, Vertragsgestaltung, Due Diligence mit Clean Teams, etc.) und ein permanentes Monitoring. Vorzeitige „information leaks“ könnten bereits als „gun jumping“ qualifiziert werden.
     
  • Zäsur zwischen Alt- und Neuregime: Die Übergangsbestimmungen zum InvKG sind unklar. Es wird wohl auf den Tag des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrages (Signing) ankommen. Liegt dieser Tag vor dem Inkrafttreten des InvKG, greift noch das AußWG 2011, liegt das Signing nach Inkrafttreten des InvkG, gilt das neue Regime.
     
  • Ermittlung der Mindestschwelle von Stimmrechtsanteilen (10%, 25%, 50%): Hier ergeben sich in der Praxis erhebliche Zweifelsfragen, z.B. im Hinblick auf (i) die Zusammenrechnung von Stimmrechtsanteilen mehrerer ausländischer Personen und die Zurechnung verbundener Unternehmen (nach oben, nach unten, seitlich). Dies hat zugleich Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der de minimis Schwelle.
     
  • Genehmigungspflicht der Transaktion: Ob ein Erwerbsvorgang genehmigungspflichtig ist, kann nur im Einzelfall geprüft werden. Die in der Anlage zum InvKG aufgezählten sensiblen Bereiche sind recht unbestimmt und können sehr weit ausgelegt werden. Zudem dürfte der Katalog von Teil 2 der Anlage nicht abschließend sein.
     
  • Antragstellung: Es ist nicht ganz klar, ob bzw. ab wann im Interesse eines schnelleren Closing eine Antragstellung auch bereits vor Signing möglich ist (z.B. zur Erlangung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung).

Durchführungsverbot und Sanktionen

Wie bisher darf ein genehmigungspflichtiger Vorgang nur nach Genehmigung durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort durchgeführt werden. Solange die „FDI Clearance“ nicht erteilt ist, gilt ein genehmigungspflichtiger Erwerbsvorgang als unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die Genehmigung erteilt wird. In der Transaktionspraxis wird die investitionskontrollrechtliche Genehmigung wie bisher als Closing "Condition“ (aufschiebende Bedingung für den Vollzug der Transaktion) vorzusehen sein.

Ein Vollzug des Rechtsgeschäfts (Closing) ist vor Genehmigung unzulässig, eine dennoch vollzogene Transaktion eine gerichtliche Straftat, welche mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (ggf bis drei Jahre) geahndet wird. Überdies besteht eine zivilrechtliche Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts. Durch nachträgliche Genehmigung kann die Transaktion „geheilt“ werden.

Im Interesse der Transaktionssicherheit muss der Antrag auf Genehmigung vollständig und richtig sein, droht doch andernfalls, abgesehen von (verwaltungs-)strafrechtlichen Sanktionen, die Vorschreibung nachträglicher Auflagen bzw. die Rückabwicklung der Transaktion.


Ausblick

Das InvKG tritt voraussichtlich rund um den 20. Juli 2020 in Kraft. Lediglich die Vorschriften zum Kooperationsmechanismus innerhalb der EU gelten ab 11. Oktober 2020.

Wir hoffen Sie damit auf unseren Kurzkommentar zum Investitionskontrollgesetz eingestimmt zu haben. Das Buch wird in den nächsten Wochen erscheinen.



Die Print-Version finden Sie hier.



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