Nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor

Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019

Als Teil der „grünen Agenda“ verlangt die EU im Rahmen einer neuen Verordnung erstmals nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungen. Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater werden verpflichtet, Informationen zu nachhaltigen Anlagen und Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen.

Zweck der Verordnung ist die harmonisierte Information von Endanlegern über die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, über die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen und nachhaltiger Investitionsziele sowie über die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale bei Investitionsentscheidungen von Finanzmarktteilnehmern und im Beratungsprozess von Finanzberatern.

Als „Nachhaltigkeitsrisiko“ wird ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung verstanden, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte. „Nachhaltigkeitsfaktoren“ sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Inkrafttreten

Die Verordnung ist am 29. Dezember 2019 in Kraft getreten, wird aber großteils erst ab 10. März 2021 anwendbar sein. Die Offenlegung der Informationen in den regelmäßigen Berichten der Finanzmarktteilnehmer wird ab 1. Jänner 2022 verpflichtend. Da die Verordnung unmittelbar anwendbar ist, bedarf es im Übrigen keiner Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber.

Die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA haben den Auftrag, technische Regulierungsstandards zu den inhaltlichen Anforderungen der Offenlegung zu erstellen, die der Kommission bis 30. Dezember 2020 übermittelt werden müssen.

Adressaten der Verordnung

Die Verordnung richtet sich einerseits an bestimmte Finanzmarktteilnehmer, und zwar Unternehmen, die für Endanleger Investitionsentscheidungen treffen. Das sind:

  • Versicherungsunternehmen, die ein Versicherungsanlageprodukt (insurance-based investment product, „IBIP“) anbieten;
  • Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen;
  • Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung („EbAV“);
  • Hersteller eines Altersvorsorgeprodukts;
  • Verwalter alternativer Investmentfonds (alternative investment fund managers, „AIFM“);
  • Anbieter eines Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukts (pan-European Personal Pension Product, „PEPP-Anbieter“);
  • Verwalter eines qualifizierten Risikokapitalfonds, die gemäß EuVECA-Verordnung registriert sind;
  • Verwalter eines qualifizierten Fonds für soziales Unternehmertum, die gemäß EuSEF-Verordnung registriert sind;
  • Verwaltungsgesellschaften für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW-Verwaltungsgesellschaft“); und
  • Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen.

Andererseits erfasst die Verordnung folgende Finanzberater:

  • Versicherungsvermittler, die Versicherungsberatung für IBIP erbringen;
  • Versicherungsunternehmen, die Versicherungsberatung für IBIP erbringen;
  • Kreditinstitute, die Anlageberatung anbieten;
  • Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten;
  • AIFM, die Anlageberatung als Nebendienstleistung anbieten; und
  • OGAW-Verwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung etwa in Bezug auf übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente oder Emissionszertifikate als Nebendienstleistung anbieten.
     

Sofern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht Gegenteiliges beschließen, gilt die Verordnung allerdings weder für „kleine“ Versicherungsvermittler noch für „kleine“ Wertpapierfirmen, die lediglich Anlageberatung anbieten. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die weniger als drei Personen beschäftigen.

Offenlegungspflichten

Die neuen Offenlegungspflichten beziehen sich zusammenfassend auf Folgendes:

Transparenz bei den Strategien für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken
 

Finanzmarktteilnehmer haben auf ihren Internetseiten Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen, Finanzberater bei ihren Anlageberatungs- oder Versicherungsberatungstätigkeiten zu veröffentlichen und stets auf aktuellem Stand zu halten.

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater müssen zudem auf ihrer Internetseite bekannt geben, ob sie im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen bzw. ihrer Beratungstätigkeit nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Bejahendenfalls müssen Finanzmarkteilnehmer nähere Informationen zu ihren diesbezüglichen Strategien bekanntgeben. Finanzmarktteilnehmer, die die Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren nicht berücksichtigen, müssen dies begründen. Finanzmarktteilnehmer, die im Laufe des Geschäftsjahres durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, werden ab 30. Juni 2021 verpflichtet, bei Investitionsentscheidungen Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen und ihre entsprechenden Strategien zu veröffentlichen.

Transparenz der Vergütungspolitik im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken
 

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater müssen im Rahmen ihrer Vergütungspolitik angeben, inwiefern diese mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht, und diese Information auf ihrer Internetseite veröffentlichen.

Transparenz bei vorvertraglichen Informationen
 

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater haben in ihren vorvertraglichen Informationen zu erläutern, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen bzw. ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung einbezogen werden, und welche Auswirkungen dies voraussichtlich auf die Rendite der Finanzprodukte hat. Werden Nachhaltigkeitsrisiken als nicht relevant erachtet, so muss dies „klar und knapp“ begründet werden.

Werden mit einem Finanzprodukt ökologische oder soziale Merkmale oder eine Kombination aus diesen Merkmalen beworben, so müssen Finanzmarktteilnehmer in den vorvertraglichen Informationen Angaben dazu offenlegen, wie diese Merkmale erfüllt werden, dies sofern die Unternehmen, in die investiert wird, „Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung“ anwenden.

Wird mit einem Finanzprodukt eine nachhaltige Investition angestrebt, so müssen Finanzmarktteilnehmer in den vorvertraglichen Informationen Angaben dazu machen, wie das angestrebte Ziel durch einen als Referenzwert bestimmten Index oder sonst zu erreichen ist.

Ab 30. Dezember 2022 müssen Finanzmarktteilnehmer, die im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen, dazu vorvertragliche Informationen auf Einzelproduktbasis erteilen.

Transparenz bei der Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale und bei nachhaltigen Investitionen
 

Finanzmarktteilnehmer veröffentlichen für jedes Finanzprodukt, mit dem ökologische oder soziale Merkmale beworben werden oder mit dem eine nachhaltige Investition anstrebt wird, bestimmte Informationen (wie eine Beschreibung der ökologischen oder sozialen Merkmale oder des nachhaltigen Investitionsziels) auf ihrer Internetseite.

Zudem müssen Finanzmarktteilnehmer zu Finanzprodukten, mit denen ökologische oder soziale Merkmale beworben werden oder die eine nachhaltige Investition anstreben, ab 1. Jänner 2022 in ihren regelmäßigen Berichten angeben, inwieweit die ökologischen oder sozialen Merkmale erfüllt wurden bzw. wie die Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts war.

Marketingmitteilungen

Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre Marketingmitteilungen nicht im Widerspruch zu den veröffentlichten Informationen stehen.



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