In unserer aktuellen Newsletter-Serie fassen wir wieder praxisrelevante, arbeitsrechtliche Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung des letzten Quartals für Sie zusammen:

  • Regierungsprogramm 2020 bis 2024
  • Gesetzliche Änderungen ab 1. Januar 2020
  • Änderungen und Neuerungen in Kollektivverträgen
  • Einschränkung der Strafsanktion für die Nicht-Bereithaltung von Lohnunterlagen im Sinne des EuGH Urteils vom 12. September 2019
  • Bestellung von verantwortlichen Beauftragten im Arbeitsrecht
  • OGH-Judikatur zur Frage der Berücksichtigung des Alters bei Sozialwidrigkeitsanfechtungen
  • Kündigungsanfechtung: Verpöntes Motiv muss nicht ausschließlicher Beweggrund für die Kündigung sein
  • DSB: Kein Recht auf partielle Löschung bestimmter Daten im Rahmen eines Kunden-Bonusprogramms
     

 

Regierungsprogramm 2020 bis 2024

Im kürzlich veröffentlichten Regierungsprogramm „Aus Verantwortung für Österreich“ für 2020 bis 2024 bilden arbeitsrechtliche Vorhaben keinen besonderen Schwerpunkt. Einige Vorhaben wurden jedoch aufgenommen, wobei diese sich im Wesentlichen auf bloße Absichtserklärungen beschränken und zum größten Teil noch nicht absehbar ist in welcher Form diese konkret umgesetzt werden sollen.

  • Mindestlohn: Ein Mindestlohn für kollektivvertragsfreie Bereiche soll „mit geeigneten Mitteln“ eingeführt werden. Auch im Bereich bestehender Kollektivverträge, bei denen seit vielen Jahren keine Lohnerhöhungen erfolgten, soll es zu Anpassungen kommen. Werden sich die Sozialpartner nicht einig, soll dem Bundeseinigungsamt die Kompetenz zur Herbeiführung einer Entscheidung zukommen.
     
  • Entgeltfortzahlung: Die Entgeltfortzahlung im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaft und Zivildienern soll evaluiert werden. Zudem sollen auch Finanzierungsmodelle der wiederholten Entgeltfortzahlung im langen Krankheitsfall, nicht zu Lasten der Arbeitnehmer, evaluiert werden.
     
  • Längere Auszeiten: Die Einführung eines “Zeitwertkontos“ ist angedacht, sodass Mitarbeitern auf freiwilliger Basis eine längere Auszeit ermöglicht wird. Zudem sollen auch Sabbatical-Modelle in Verbindung mit einer aufschiebenden Wirkung für die Pension geprüft werden.
     
  • Liste der Berufskrankheiten: Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerinnenschutzes soll die Berufskrankheitenliste modernisiert werden.
     
  • Kurzarbeit: Künftig soll Kurzarbeit nicht nur bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch bei der Umstellung von Betrieben auf ökologische und klimafreundliche Produktionsweisen bzw. digitaler Umrüstung zur Sicherung von Beschäftigung möglich sein.
     
  • Lohnnebenkosten: Etwaige Potenziale zur Senkung der Lohnnebenkosten, und zwar ohne Leistungsreduktion, sollen geprüft werden.
     
  • Lohn- und Sozialdumpingbekämpfung: Im Hinblick auf das EuGH-Urteil betreffend die unionsrechtswidrigen Strafsanktionen des § 28 LSD-BG bzw. § 28 AuslBG (Maksimovic,C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18, 12.9.2019 – in unserem Newsletter vom Oktober 2019 behandelt), sollen Handlungsbedarfe evaluiert werden, wie das LSD-BG an die EuGH-Judikatur anzupassen ist.
     
  • Entbürokratisierung (von Arbeitsinspektorat und Arbeitnehmerschutzvorschriften): Man will sich am Grundprinzip „beraten statt strafen“ orientieren.
     
  • Unterstützung pflegender Angehöriger: Es soll die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert werden. Bei Arbeitgebern soll verstärkt das Bewusstsein für die Lebenssituation pflegender Angehöriger geschaffen werden, die Pflegeteilzeit oder -karenz beanspruchen (wollen). Es werden Rahmenbedingungen gefordert, die es ermöglichen, individuelle und flexible Arbeitsarrangements zu vereinbaren (z.B. Arbeitszeit, Teleworking ...).
     
  • Alters- und Gesundheitsmanagement: Für Betriebe sollen verstärkte Anreize geschaffen werden, gezielt Gesundheits- und Alter(ns)management zu betreiben. Ziel ist die Stärkung und der Ausbau der Unterstützung des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
     
  • Pensionen: Angedacht ist eine Aufklärung über die Möglichkeit einer Kündigungsanfechtung allein bei Erreichen des Pensionsalters. Näheres wird dazu nicht ausgeführt. Zudem soll die Altersteilzeit im Hinblick auf Förderung und Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz zielgerichtet optimiert werden.

 



Gesetzliche Änderungen ab 1. Januar 2020


1. Entfall der Auflösungsabgabe

Seit 2013 war bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine Auflösungsabgabe von zuletzt  131 Euro (Stand 2019) zu entrichten. Diese Auflösungsabgabe war bisher nur in bestimmten Fällen, etwa bei einer Selbstkündigung des Arbeitnehmers, bei einer Auflösung in der Probezeit oder bei der Auflösung eines Lehrverhältnisses, nicht zu entrichten. Mit 1. Januar 2020 und dem Außerkrafttreten des § 2b Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes ist diese Auflösungsabgabe für alle Arten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen.
 

2. Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit

Seit 1. Januar 2014 haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, mit ihrem Arbeitgeber Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zu vereinbaren. Ab 1. Januar 2020 gibt es – in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern – nun gemäß §§ 14c und 14d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz auch einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Inanspruchnahme von Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit von bis zu vier Wochen. Die bisherigen Voraussetzungen für die Pflegekarenz/Pflegeteilzeit (mindestens drei Monate Beschäftigung, naher Angehöriger, Mindestmaß an Pflegegeldbezug) müssen auch beim Rechtsanspruch erfüllt sein.
 

3. Erkenntnis des VfGH: Geplante Übertragung der GPLA an die Finanzbehörden ist verfassungswidrig

Derzeit erfolgt die gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) durch Prüforgane eines Finanzamtes oder eines Krankenversicherungsträgers. Zur Effizienz- und Qualitätssteigerung war geplant die GPLA ab 1. Januar 2020 in einer einheitlichen Prüforganisation im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen („Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge“) unter der neuen Bezeichnung „Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge“ (PLAB) zusammenzuführen. Allerdings erkannte der Verfassungsgerichtshof kürzlich, am 13. Dezember 2019, dass die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes verfassungswidrig ist, weil sie den verfassungsrechtlichen Organisationsprinzipien der Selbstverwaltung widerspricht. Der Gesetzgeber hat nun bis 1. Juli 2020 Zeit das verfassungswidrige Gesetz zu „reparieren“.



Änderungen und Neuerungen in Kollektivverträgen


1. Änderungen im Kollektivvertrag für Angestellte im Handel ab 1. Januar 2020

Arbeitgeber und Gewerkschaft einigten sich Ende November auf einen neuen Kollektivvertrag für die rund 413.000 Angestellten und 15.000 Lehrlinge im Handel. Im Schnitt steigen die Gehälter per 1. Januar 2020 um 2,35 Prozent.

Bei den Einstiegsgehältern gibt es ein Plus von 2,5 Prozent, bei höherer Bezahlung beträgt das Plus 2,2 Prozent. Das kollektivvertragliche Mindestgehalt für Vollzeitangestellte im alten Handels-KV steigt von derzeit 1.634 Euro auf künftig 1.675 Euro brutto pro Monat. Im neuen Gehaltssystem, auf das bis Ende 2021 umgestellt werden muss, liegt das neue Mindestgehalt bei 1.714 Euro. Die Lehrlingsentschädigung steigt, wie schon im Vorjahr vereinbart, im Durchschnitt um 7,4 Prozent. Auszubildende erhalten nun im ersten Lehrjahr monatlich 50 Euro mehr, jene im zweiten Lehrjahr 80 und jene im dritten und vierten Lehrjahr je 50 Euro mehr im Monat. Die Lehrlingsentschädigungen betragen im Jahr 2020 im ersten Lehrjahr daher 700 Euro, im zweiten 900 Euro, im dritten 1.150 Euro und im vierten Lehrjahr 1.200 Euro. Alle Überzahlungen bleiben aufrecht.

Wie schon bisher regelt der KV-Handelsangestellte, dass für langjährige Dienste nach einer Beschäftigung im gleichen Betrieb ein einmaliges Jubiläumsgeld gewährt wird: nach 20 Jahren beträgt dies mindestens 1 Brutto-Monatsgehalt, nach 25 Jahren mindestens 1,5 Brutto-Monatsgehälter, nach 35 Jahren mindestens 2,5 Brutto-Monatsgehälter und nach 40 Jahren mindestens 3,5 Brutto-Monatsgehälter. Neu ist, dass auf Wunsch des Arbeitnehmers und sofern dies betrieblich möglich ist, in beiderseitigem Einvernehmen alternativ zum Geldanspruch, das Jubiläumsgeld in Zeitguthaben umgewandelt werden kann. Die Umwandlung in Zeitguthaben muss allerdings im Vorhinein schriftlich zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden. Die Umwandlung kann auch nur teilweise in Zeitguthaben erfolgen (zum Beispiel nach 25 Jahren ein Monatsgehalt in Zeit und ein halbes Monatsgehalt in Geld).

Bei der Umwandlung gilt, dass für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ein Monatsgehalt 22 Arbeitstagen entspricht. Arbeiten vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aufgrund einer Vereinbarung regelmäßig weniger als fünf Tage in einer Kalenderwoche, so ist die Anzahl der Freizeittage entsprechend anzupassen. Der Anspruch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wird aliquot berechnet.

Der Verbrauch der Zeitguthaben kann ab dem Fälligkeitszeitpunkt in einem oder mehreren Teilen vereinbart werden, ein vorgezogener Verbrauch kann vereinbart werden. Nicht verbrauchte Zeitguthaben sind am Ende des Dienstverhältnisses auf Grundlage des zum Beendigungszeitpunkt aktuellen Monatsgehalt auszuzahlen.

Die Sozialpartner vereinbarten außerdem, dass Arbeitnehmer in Zusammenhang mit ihrem Jubiläum auch schon nach 10 und nach 15 Jahren vom Dienst freigestellt werden, und zwar im Ausmaß von jeweils einem Arbeitstag. Bisher sah der KV eine 2-tägige Dienstfreistellung unter Fortzahlung des Entgelts nach 20, 25, 35 und 40 Jahren vor. Der Anspruch für das 10-jährige und das 15-jährige Jubiläum gilt für Dienstjubiläen, die ab dem 1. Januar 2020 entstehen.

Entsprechend § 12a ARG wird die Beschäftigung für die Zustellung von Produkten, die im stationären oder im Online Handel vom Letztverbraucher bestellt oder gekauft wurden, am Samstagnachmittag, sofern dies ein Werktag ist, bis 18.00 Uhr zugelassen. Für die Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr gebührt ein Zuschlag für die Normalarbeitszeit von 50 Prozent.

 

2. Erstmals eigener KV für Information und Consulting

In der Branche Information und Consulting gibt es mit Wirkung ab 01. Januar 2020 erstmals für die rund 45.000 Angestellten einen eigenen Kollektivvertrag – bisher galt für sie der allgemeine Gewerbe-KV.

Ausgehend vom Gewerbe-KV wurden die Mindestgehälter um 2,39 Prozent angehoben sodass das Mindestgehalt nun 1.500 Euro beträgt. Die Lehrlingsentschädigung steigt um bis zu 8,33 Prozent.

Der neue Kollektivvertrag gilt für Angestellte in Information und Consulting für fünf Fachverbände, unter anderem auch für den Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie, allerdings eingeschränkt auf Buchhaltungsberufe und Unternehmensberatung und nicht für IT.

Für die Arbeitgeber bedeutet dies unter anderem, dass sie den neuen Kollektivvertrag binnen drei Tagen nach dem Tag der Kundmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung im Betrieb in einem für alle Arbeitnehmer zugänglichen Raum aufzulegen und darauf in einer Betriebskundmachung hinzuweisen haben. Ebenso hat diese Neuerung in den zukünftig, gem § 2 AVRAG auszustellenden Dienstzetteln oder Dienstverträgen entsprechende Berücksichtigung zu finden. Bereits vor dem 1. Januar 2020 vorgenommene Einstufungen ändern sich aber nicht.

 



Einschränkung der Strafsanktion für die Nicht-Bereithaltung von Lohnunterlagen im Sinne des EuGH Urteils vom 12. September 2019


Wie in unserem letzten Newsletter berichtet, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen (Maksimovic, C-64/18, C-140/18 und C-148/18) in seinem Urteil ausgesprochen, dass die Strafsanktionen in Österreich insbesondere hinsichtlich Nicht-Einhaltung von Verpflichtungen zur Bereithaltung von Lohnunterlagen am Einsatzort in mehrfacher Hinsicht nicht unionsrechtskonform sind.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte nun in einem Revisionsfall (Ra 2019/11/0033-0034), die pro Arbeitnehmer verhängten Strafen, sowie die daran anknüpfenden Verfahrenskosten bzw. den Ausspruch hinsichtlich einer Ersatzfreiheitsstrafe, für die Nicht-Bereithaltung von Lohnunterlagen für mehrere nach Österreich entsendete Arbeitnehmer, aufgehoben, und in den Entscheidungsgründen erläutert, welche Teile der Strafbestimmungen durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt wurden. Die Verdrängung dürfe dabei bloß jenes Ausmaß umfassen, dass gerade noch hinreicht, um einen unionskonformen Zustand herzustellen.

Der VwGH kam zu dem Schluss, dass die Strafbestimmung derart eingeschränkt angewendet werden müssen, dass es keine Mindeststrafe gibt und nur noch eine einzige Geldstrafe bis zum gesetzlich vorgesehenen Höchstmaß verhängt werden darf. Insbesondere darf somit keine Kumulierung pro Arbeitnehmer erfolgen. Darüber hinaus darf keine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden. Der an der konkreten Geldstrafe zu bemessende Verfahrenskostenbeitrag ist von der Verdrängung nicht betroffen.

Jedenfalls bleibt der Gesetzgeber gefragt, die entsprechenden Strafbestimmungen zu reparieren. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss diese Judikate auf das Kumulationsprinzip bei anderen arbeitsrechtlichen Verwaltungsstrafnormen haben wird.

 



Bestellung von verantwortlichen Beauftragten im Arbeitsrecht


Für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch Unternehmen sind grundsätzlich die zur Vertretung nach außen berufenen Personen (Vertretungsorgane) verantwortlich - insbesondere handelsrechtliche Geschäftsführer und Vorstände. Das bedeutet, dass diese auch für Verwaltungsstrafen haften. Gibt es mehrere Vertretungsorgane wird dabei die Verwaltungsstrafe über jedes Vertretungsorgan verhängt. Um eine derartige Kumulierung von Verwaltungsstrafen zu vermeiden, wird in der Praxis häufig ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) bestellt. Ist dies wirksam geschehen, haftet stets nur der jeweilige verantwortliche Beauftragte für die Übertretung der jeweiligen Verwaltungsvorschriften.

Grundsätzlich wird die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten bereits mit dem Bestellungsakt wirksam. In einigen arbeitsrechtlichen Gesetzen – insbesondere Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsinspektionsgesetz im Hinblick auf Arbeitnehmerschutzvorschriften, Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz, Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz – findet sich aber die zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten der jeweils zuständigen Behörde schriftlich mitgeteilt werden muss. Ohne diese Mitteilung, ist die Bestellung grundsätzlich nicht wirksam und es ist bei Übertretungen weiterhin über jedes zur Vertretung nach außen berufene Organ eine Verwaltungsstrafe zu verhängen.

In diesem Zusammenhang sprach der Verwaltungsgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Ra 2017/11/0213) aus, dass bei der Beurteilung solcher zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen zwischen verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis der Vertretungsorgane (verantwortliches Vertretungsorgan) und anderer Personen (Dienstnehmer) zu unterscheiden ist. Im Fall von verantwortlichen Vertretungsorganen sei die Bestellung auch dann wirksam, wenn keine Mitteilung an die zuständige Behörde erfolgt ist. Der Verwaltungsgerichtshof begründet dies damit, dass im Fall von verantwortlichen Vertretungsorganen die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht erst durch die Bestellung begründet wird, sondern diese bereits auf Grund des Gesetzes bzw. deren gesellschaftsrechtlicher Position besteht. Es wird hier also nicht eine neue strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet, sondern vielmehr die strafrechtliche Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane eingeschränkt. Im Fall von verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis anderer Personen, wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch die rechtswirksame Bestellung dagegen erst neu begründet, weswegen es auch legitim ist, diese an strengere Wirksamkeitsvoraussetzungen zu binden.

Obgleich diese Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes nicht neu ist, scheint sie in der Praxis oft nicht berücksichtigt zu werden. Auch im Anlassfall, wurde dieser Unterschied zwischen verantwortlichen Vertretungsorganen und sonstigen verantwortlichen Beauftragten von den am Verfahren Beteiligten nicht releviert. Festzuhalten ist daher, dass die Bestellung und auch der Austausch von verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis der Vertretungsorgane in der Praxis ohne viel Aufwand administrierbar ist, da zwar der Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten, nicht aber die Einhaltung von  – in arbeitsrechtlichen Gesetzen fallweise vorgesehenen  – Meldeverpflichtungen erforderlich ist.



OGH-Judikatur zur Frage der Berücksichtigung des Alters bei Sozialwidrigkeitsanfechtungen

 

Im Ausgangsfall (OGH 30.10.2019, 9ObA86/19s) befasste sich der OGH mit der bislang offenen Frage, ob und wenn in welcher Form das Alter von Arbeitnehmern, die bei ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, im Rahmen einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit zu berücksichtigen sei.

Ein Arbeitnehmer focht nach circa einem Jahr Beschäftigungsdauer seine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an und begehrte der Kläger, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da keine wesentliche Interessensbeeinträchtigung des Klägers vorgelegen sei. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht – unter Ausblendung des fortgeschrittenen Alters des Klägers – von einer „hypothetischen“ Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt innerhalb von vier Monaten aus. Dies obwohl das berufskundliche Sachverständigengutachten auch feststellte, dass der tatsächliche Zeitraum der Arbeitsplatzsuche bis zu 12 Monaten betragen werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. In seiner Begründung führte es aus, dass das Lebensalter von über 50-jährigen Arbeitnehmern im Fall einer Sozialwidrigkeitsanfechtung zwar nicht „besonders“, aber doch zu berücksichtigen sei. Das Berufungsgericht lies den Rekurs an den OGH zur Auslegung des § 105 Abs 3b ArbVG zu.

In ihrem Rekurs brachte die Beklagte im Wesentlichen vor, das Alter sei aufgrund des gelockerten Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer, die bei ihrer Einstellung über 50 Jahre alt waren, gänzlich auszublenden, eine andere Auslegung verkenne die gesetzliche Absicht.

Da die konkrete Frage auch in der Literatur bislang völlig uneinheitlich beantwortet wurde, stellte der OGH in dieser Entscheidung klar, dass die gegenständlich relevanten gesetzlichen Regelungen zur Förderung der Einstellung älterer Arbeitnehmer keinesfalls zur generellen Ausnahme dieser Arbeitnehmer vom Sozialwidrigkeitsschutz führe, auch das Alter der Arbeitnehmer sei nicht fiktiv mit einem jüngeren Alter anzusetzen oder gänzlich auszublenden. Das Alter des Arbeitnehmers sei auch bei nach dem 50. Lebensjahr eingestellten Arbeitnehmern zu berücksichtigen - nur eben nicht wie bei anderen älteren Arbeitnehmern „besonders zu berücksichtigen“.

Der OGH sah sich in diesem Verständnis durch die letzte Novelle bestätigt. Aus dem Ausschussbericht 1497 BlgNR 25.GP ginge als Wille des Gesetzgebers hervor, dass „das Alter nicht mehr gesondert, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmern herangezogen werden“ soll. Dies bedeute nichts anderes, als dass bei jüngeren und als ältere (50+) Eingestellte für die Frage der Wiedereingliederungsschwierigkeiten derselbe Prüfungsmaßstab – nicht aber dasselbe Alter – angelegt werden solle.



Kündigungsanfechtung: Verpöntes Motiv muss nicht ausschließlicher Beweggrund für die Kündigung sein

 

Für die Anfechtung von Kündigungen aufgrund der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG)) genügt es, wenn das verpönte Motiv für die Kündigung wesentlich ist. Es ist hingegen nicht notwendig, dass das verpönte Motiv ausschließlicher Beweggrund ist.

Das stellte der OGH in einer Entscheidung klar (OGH 23.9.2019, 9 ObA 101/19x) und bestätigte damit die Rechtsprechung. Im gegenständlichen Fall monierte ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber mehrmals die von diesem angeordnete durchgehende Rufbereitschaft im Sinne einer dauernden Erreichbarkeit und forderte diesbezüglich Abhilfe. In weiterer Folge wurde er vom Arbeitgeber gekündigt. Der Arbeitnehmer focht die Kündigung an und berief sich auf § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG. Danach ist der Arbeitnehmer zur Anfechtung der Kündigung berechtigt, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen offenbar nicht unberechtigter Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer kündigt. Diese Anfechtungsmöglichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass Ansprüche aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes oft nicht geltend gemacht werden. Dem Arbeitnehmer soll damit die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis ermöglicht werden, ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses befürchten zu müssen. Zweck der Bestimmung ist es daher, Vergeltungskündigungen zu vermeiden, wie auch der OGH betont.

Der Arbeitgeber wendete infolgedessen ein, dass die Differenzen zur Rufbereitschaft jedenfalls nicht das einzige Motiv für die Kündigung gewesen seien und der Arbeitnehmer mit der Anfechtung der Kündigung nicht durchdringen könne. Dem widerspricht der OGH und bestätigt die ständige Rechtsprechung, wonach es für die Anfechtung von Kündigungen nicht notwendig ist, dass die Kündigung ausschließlich aufgrund des verpönten Motives erfolgt. Es genügt, dass das verpönte Motiv für die Kündigung wesentlich ist. Da im vorliegenden Fall aus Sicht des OGH das überwiegende Motiv für die Kündigung die mehrmals vom Arbeitnehmer angesprochene Rufbereitschaft und dessen Forderung nach Abhilfe war, war der Kündigungsanfechtung stattzugeben.

In der Praxis werden Kündigungen relativ häufig mit dem Argument angefochten, dass diese nur eine Reaktion des Arbeitgebers auf die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer darstellen. Um eine Abweisung der Klage zu erreichen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass das verpönte Motiv für die Kündigung gar nicht vorlag oder – im Sinne der OGH-Judikatur – nicht wesentlich war. Das heißt, dass das verpönte Motiv für die Kündigung nicht ausschlaggebend war, sondern dass die Kündigung auch bei Wegdenken des verpönten Motivs aus anderen Gründen erfolgt wäre.



DSB: Kein Recht auf partielle Löschung bestimmter Daten im Rahmen eines Kunden-Bonusprogramms

 

Die Datenschutzbehörde hatte sich in der Entscheidung, die mittlerweile rechtskräftig ist, mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Recht darauf besteht, nur gegen die die Verarbeitung bestimmter Daten eines Kunden-Bonusprogramms zu widersprechen (DSB-D123.822/0005-DSB/2019, Bescheid vom 23.7.2019). Die Beschwerdegegnerin ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches ein Kunden-Bonusprogramm betreibt. Im Rahmen dieses Bonusprogramms werden den Teilnehmern nach Registrierung mit einer Stammkundenkarte und Zustimmung der Datenschutzerklärung personalisierte Rabatte, Gutschriften und Aktionen auf Einkäufe gewährt, wenn vor dem Zahlungsvorgang die Kundenkarte vorgezeigt wird. Der Beschwerdeführer nahm an diesem Kunden-Bonusprogramm teil, begehrte allerdings die Löschung gewisser personenbezogener Daten, wie etwa den Einkaufsort- und Zeitpunkt, während andere personenbezogene Daten weiterhin verarbeitet werden sollten.

Die Beschwerdegegnerin kam dem Antrag des Beschwerdeführers nicht nach und führte ins Treffen, dass es aufgrund des Aufbaus der Datenbank nicht möglich sei, partiell personenbezogene Daten zu löschen. Die von Kunden verarbeiteten Informationen seien in einheitlich definierten Datenfeldern in einer relationalen Datenbank gespeichert, die aus vielen zusammenhängenden Tabellen besteht. Es sei daher technisch nicht möglich, einzelne Daten zu löschen. Die Beschwerdegegnerin bot dem Beschwerdeführer allerdings an, sämtliche Daten des Beschwerdeführers im Stammkundenklub zu löschen. Der Beschwerdeführer brachte daraufhin eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde wegen behaupteter Verletzung in seinem Recht auf Löschung ein.

Die Datenschutzbehörde hielt zunächst fest, dass ein Antrag auf partieller Löschung im Hinblick auf gewisse Daten grundsätzlich möglich sei und sich ein Verantwortlicher seiner in der DSGVO postulierten Verpflichtungen nicht dadurch entziehen könne, dass er keine entsprechenden technischen und organisatorischen Vorkehrungen treffe. Sie verwies dabei auf eine Entscheidung vom 5. Dezember 2018 (GZ DSB-D123.211/0004-DSB/2018, nicht rechtskräftig), in welcher der Beschwerdeführer ausdrücklich eine bloß teilweise Löschung seiner personenbezogenen Daten aus einer Bonitätsdatenbank verlangte, der Verantwortliche daraufhin aber alle Daten des Beschwerdeführers löschte. Diese „überschießende“ Löschung stellte eine Verletzung des Grundsatzes nach Treu und Glauben, des Rechts auf Löschung und des Rechts auf Integrität der Daten dar. Maßgebliche Überlegung dabei war, dass das wirtschaftliche Fortkommen einer betroffenen Person bei vollständiger Löschung erschwert oder verhindert wurde, da Unternehmen regelmäßig Geschäftsentscheidungen von der Identifikation einer Person in einer Bonitätsdatenbank abhängig machen.

Im gegenständlichen Fall, so die DSB, sei ein solches Risiko allerdings nicht erkennbar: Konsequenz einer vollständigen Löschung, die von der Beschwerdegegnerin angeboten wurde, wäre keine Erschwernis oder Verhinderung des wirtschaftlichen Fortkommens, sondern lediglich, dass eine Teilnahme am Kunden-Bonusprogramm nicht mehr möglich sei. Eine solche Nichtteilnahme sei nach derzeitiger allgemeiner Lebenserfahrung aber nicht mit nennenswerten wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Ein ausreichender Grad an Informiertheit sei durch die Datenschutzerklärung gewährleistet, Anhaltspunkte für eine unzulässige Verwendung personenbezogener Daten des Beschwerdeführers habe es nicht gegeben. Die DSB hob schließlich noch hervor, dass die DSGVO nicht bloß dem Schutz personenbezogener Daten diene, sondern ein angemessener Ausgleich mit den weiteren im europäischen Rechtsraum anerkannten Rechten und Freiheiten geschaffen werden solle. Eine partielle Löschung, wie vom Beschwerdeführer begehrt, führe im vorliegenden Fall jedoch dazu, dass die Beschwerdegegnerin ihr Kunden-Bonusprogramm, deren Ausgestaltung ihr im Rahmen der Privatautonomie und im Rahmen ihrer Erwerbsfreiheit grundsätzlich vorbehalten ist, nicht betreiben könne.

Im Ergebnis wies die Datenschutzbehörde die Beschwerde ab und gestand der Beschwerdegegnerin einen Spielraum für die Ausgestaltung ihres Kunden-Bonusprogramms im Rahmen der Privatautonomie und Erwerbsfreiheit zu. Das Einzelhandelsunternehmen war daher nicht angehalten, entsprechende technische organisatorische Maßnahmen zu treffen, also ihr System umzugestalten, um eine partielle Löschung zu ermöglichen.

 



Kontakt

Horst Lukanec, Partner
lukanec@bindergroesswang.at

Angelika Pallwein-Prettner, Partnerin
pallwein-prettner@bindergroesswang.at

 

 

Hinweis: Dieser Newsletter stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Newsletter kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Newsletters.



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