Update Arbeitsrecht Mai 2020

Wir freuen uns, Ihnen in unserem Arbeitsrechts-Newsletter wieder ausgewählte aktuelle Rechtsprechung des letzten Quartals präsentieren zu dürfen. Im Zusammenhang mit der anhaltenden COVID-19-Pandemie, welche aus arbeitsrechtlicher Sicht zahlreiche neue Rechtsfragen aufgeworfen hat, dürfen wir auf unsere Beiträge im Rahmen der „Corona-Taskforce“ verweisen.

  • Auswirkungen einer KV-Gleitzeit-Regelung, die eine tägliche Normalarbeit von maximal 10 Stunden vorsieht
  • OGH: Schadenersatz nach unzulässiger Verwendung eines GPS Ortungssystems in einem Dienstfahrzeug
  • Geheimhaltungsvereinbarung – Mäßigung der Konventionalstrafe
  • Höchstgerichtliche Auslegungen zu Fragen des Entstehens und des Übergangs des Rechts zur Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit
  • Konkurrenzklausel bei Verschmelzung von Gesellschaften
  • Flüchtigkeitsfehler in Dienstzeugnis unerheblich
  • Kündigung nach Ablehnung einer Vertragsänderung – keine unzulässige Motivkündigung

 

Auswirkungen einer KV-Gleitzeit-Regelung, die eine tägliche Normalarbeit von maximal 10 Stunden vorsieht

Seit der AZG-Novelle 2018 besteht gemäß § 4b AZG die Möglichkeit, im Rahmen eines Gleitzeitmodells unter gewissen Voraussetzungen (Möglichkeit ganzer Gleittage und kein Verbot der Verbindung mit der wöchentlichen Ruhezeit) eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden (und nicht wie in der Vergangenheit lediglich 10 Stunden) zu vereinbaren. Durch die Qualifikation als Normalarbeitszeit handelt es sich bei der 11. und 12. Arbeitsstunde daher grundsätzlich um keine zuschlagspflichtigen Mehrleistungen. 

Die Übergangsbestimmung zur AZG-Novelle 2018 sah vor, dass zum einen bestehende Gleitzeitvereinbarungen aufrecht blieben und dass für die Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen durch die Novelle nicht berührt würden.

Zahlreiche Kollektivverträge enthalten Regelungen, die vorsehen, dass die tägliche Normalarbeitszeit durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder einer Einzelvereinbarung (wenn kein Betriebsrat besteht) bis auf 10 Stunden verlängert werden darf. Diese Regelungen sind zum Teil historisch bedingt, da eine Normalarbeitszeit von 10 Stunden (statt 9 Stunden) bis 2008 nur mit ebensolcher Ermächtigung im Kollektivvertrag möglich war.  

Seit Bekanntwerden der Möglichkeit durch die AZG-Novelle 2018 in Gleitzeitvereinbarungen 12 Stunden tägliche Normalarbeitszeit vereinbaren zu können, wurde in der Lehre diskutiert, welche Auswirkungen die genannten „Beschränkungen“ auf 10 Stunden tägliche Normalarbeitszeit in Kollektivverträgen auf dennoch getroffene Vereinbarungen mit 12 Stunden täglicher Normalarbeitszeit haben bzw. haben würden.

Der 8. Senat des OGH beschäftigte sich kürzlich im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG (OGH 16.12.2019, 8 ObA 77/18h) mit dieser Frage betreffend den Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes und einer in einem Unternehmen nach dem In-Kraft-Treten der AZG-Novelle 2018 (also ab 1.9.2018) abgeschlossenen Betriebsvereinbarung, die 12 Stunden tägliche Normalarbeitszeit vorsieht.

Im Ergebnis kam der OGH zu dem Schluss, dass die kollektivvertragliche Regelung, mangels ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung, nicht die direkt durch das AZG eingeräumte Möglichkeit einschränken könne, derartige Betriebsvereinbarungen oder Einzelvereinbarungen abzuschließen.

Dennoch gingen „günstigere“ Bestimmungen des Kollektivvertrags – unter Beachtung der Wertungen der Übergangsbestimmungen zur AZG-Novelle 2018 – derartigen Bestimmungen von Betriebsvereinbarungen (oder auch Einzelvereinbarungen) vor, wodurch eine Festlegung der 11. und 12. Stunde als zuschlagsfreie Normalarbeitszeit im konkreten Fall daher nicht zulässig sei. Im Endeffekt deutete der OGH die „Beschränkung“ durch den Kollektivvertrag, so, als würde der Kollektivertrag eine Norm enthalten, die eine spezielle Zuschlagspflicht für derartige Arbeitsstunden vorsieht (die wohl unstrittig möglicher Inhalt eines Kollektivvertrags sein könnten).

Diese Auslegung des Kollektivvertrags für Angestellte des Metallgewerbes hat aus unserer Sicht für die Praxis weitreichende Bedeutung, da derartige kollektivvertraglichen „Beschränkungen“ auf täglich 10 Stunden Normalarbeitszeit in zahlreichen weiteren Kollektivverträgen enthalten sind.

Für die Praxis bedeutet die Auslegung des OGH in den entsprechenden Branchen quasi das Aus für die Erweiterung der täglichen Gleitmöglichkeit auf bis zu 12 Stunden. Die Arbeitgeber werden wohl nicht bereit sein, Arbeitnehmern neben den bereits genannten speziellen Voraussetzungen für das Modell (insbesondere ganze Gleittage) Überstundenzuschläge für Arbeitszeiten zu zahlen, die dem freien Zeiteinteilungsrecht der Arbeitnehmer unterliegen und nicht wie sonstige Überstunden bei Bedarf vom Arbeitgeber angeordnet werden können.

Für Branchen deren Kollektivvertrag, wie der verfahrensgegenständliche, solche Gleitzeit-„Beschränkungen“ enthält, raten wir daher (vorerst) davon ab, darüber hinausgehende Gleitzeitvereinbarungen zu treffen, um nicht Gefahr zu laufen, entsprechende Zuschläge für 11. oder 12. Arbeitsstunden leisten zu müssen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die jeweiligen Kollektivvertragsparteien im Zuge der nächsten Neuabschlüsse entsprechende klare Regelungen zu eventuellen Zuschlagspflichten aufnehmen.



OGH: Schadenersatz nach unzulässiger Verwendung eines GPS Ortungssystems in einem Dienstfahrzeug

In einer aktuellen Entscheidung (OGH 22.01.2020, 9 ObA 120/19s) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein permanent aktives GPS-Ortungssystem in einem Dienstfahrzeug eine Kontrollmaßnahme darstellt, die die Menschenwürde berührt. Eine Verwendung ohne entsprechende Betriebsvereinbarung bzw. Zustimmungserklärung im Sinne des § 10 AVRAG ist unzulässig und kann (ideelle) Schadenersatzansprüche begründen.

Ganz grundsätzlich dürfen Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, sofern ein Betriebsrat besteht, nur dann eingeführt bzw. genutzt werden, wenn eine Betriebsvereinbarung gemäß § 96 Abs 1 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) abgeschlossen wird. Besteht, wie im vorliegenden Fall, kein Betriebsrat, muss von den einzelnen Arbeitnehmern für die Einführung bzw. Nutzung der Maßnahme eine Zustimmungserklärung im Sinne des § 10 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) eingeholt werden. Sofern eine Kontrollmaßnahme die Menschenwürde verletzt und nicht nur berührt, kann dies jedoch weder durch eine Betriebsvereinbarung noch durch eine Zustimmungserklärung legitimiert werden.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber im Dienstfahrzeug eines im Vertrieb tätigen Außendienstmitarbeiters, ohne dessen Kenntnis und Zustimmung ein GPS-Ortungssystem eingebaut (einen Betriebsrat gab es in dem Betrieb des Arbeitgebers nicht). Dieses System konnte die GPS-Daten rund um die Uhr übertragen. Das Dienstfahrzeug durfte durch den Arbeitnehmer auch privat genutzt werden, wobei auch in der Freizeit eine GPS-Ortung stattfand. Das Ortungssystem konnte neben dem Standort des Dienstfahrzeugs auch den Batteriepegel überwachen und damit auch erkennen, wann die Zündung eingeschalten wird. Die entsprechenden Daten konnten beim Arbeitgeber durch den Geschäftsführer, den Vertriebsleiter, den Produktionsleiter und die Innendienstleiterin jederzeit über das Internet abgerufen werden.

Nachdem der Arbeitnehmer zufällig von der ständig erfolgten GPS-Überwachung Kenntnis erlangte, erklärte er gegenüber dem Vertriebsleiter, dass er mit der durchgehenden GPS-Ortung, vor allem in der Freizeit, nicht einverstanden sei. Trotz weiteren schriftlichen und mündlichen Aufforderungen, die Überwachung zumindest in der Freizeit zu unterlassen, kam der Arbeitgeber dieser Bitte jedoch nicht nach.

Die ständige Überwachung durch den Arbeitgeber brachte einschneidende Unannehmlichkeiten für den Arbeitnehmer mit sich. Die Überwachung durch den Arbeitgeber ging sogar so weit, dass er von seinem Vorgesetzten angerufen wurde und gefragt wurde, warum er denn so spät von daheim weggefahren sei. Der Arbeitnehmer entschloss sich daher auch das Dienstfahrzeug nicht für Urlaubsfahrten zu nutzen, da er nicht wollte, dass auch sein Privatleben durch die GPS-Ortung des Dienstfahrzeugs kontrolliert und überwacht würde.

Nachdem der Arbeitnehmer gekündigt wurde, brachte er eine Schadenersatzklage gegen den Arbeitgeber ein. Er forderte den Zuspruch von ideellem Schadenersatz in der Höhe von EUR 6.000 (ungefähr EUR 1.000 pro Beschäftigungsmonat) auf Basis von § 1328a Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), da durch die ständige rechtswidrige und schuldhafte GPS-Überwachung, auch in der Freizeit, durch den Arbeitgeber erheblich in seine Privatsphäre eingegriffen worden sei.

Ideeller Schadenersatz gemäß § 1328a ABGB gebührt nur bei „erheblichen“ Verletzungen der Privatsphäre.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Entscheidungen der Vorinstanzen, die dem Arbeitnehmer eine Schadenersatzzahlung für den erlittenen immateriellen Schaden in der Höhe von EUR 2.400 (EUR 400 pro Beschäftigungsmonat) zusprachen.

Das genutzte GPS-Ortungssystem stelle hinsichtlich der dauernden Ortungsmöglichkeit während der Dienstzeit eine die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahme dar. Für eine zulässige Nutzung wäre der Abschluss einer Zustimmungserklärung im Sinne des § 10 AVRAG notwendig gewesen. Derartige Kontrollen außerhalb der Dienstzeit seien jedenfalls unzulässig.

Durch die unzulässige Verwendung des GPS-Ortungssystems im Dienstfahrzeug des Arbeitnehmers, sowohl während der Dienstzeit als auch in der Freizeit, griff der Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich) in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein. Es könne im konkreten Fall auch nicht von einem bloß „unerheblichen“ Eingriff ausgegangen werden, vielmehr liege eine „erhebliche“ Verletzung der Privatsphäre des Arbeitnehmers vor, die den Zuspruch eines ideellen Schadenersatzes gemäß § 1328a ABGB rechtfertige. Der Zuspruch des Schadenersatzbetrags in der konkreten Höhe durch die Vorinstanzen sei angemessen.



Geheimhaltungsvereinbarung – Mäßigung der Konventionalstrafe

In seiner aktuellen Entscheidung (OGH 17.12.2019, 9 ObA 134/19z) hatte der OGH zu beurteilen, ob das bloße Abwerben von Kunden des ehemaligen Arbeitgebers sowohl gegen eine Kundenschutzklausel als auch eine Geheimhaltungsvereinbarung verstoße und ob in weiterer Folge eine Mäßigung der vereinbarten Konventionalstrafe auf ein Drittel gerechtfertigt sei.

Der Beklagte war bei der Klägerin beschäftigt und warb nach Ende des Dienstverhältnisses Kunden der Klägerin ab. Diese begehrte in den Vorinstanzen, Ansprüche aus der vereinbarten Konventionalstrafe und begründete dies damit, dass der Beklagte durch das Abwerben der Kunden gegen die vereinbarte Kundenschutzklausel und Geheimhaltungsvereinbarung verstoßen habe.

Das OLG Wien entschied als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen, dass das Abwerben von Kunden zwar gegen die Kundenschutzklausel, allerdings nicht gegen die Geheimhaltungsvereinbarung verstoße und reduzierte die vereinbarte Konventionalstrafe auf ein Drittel.

Die Klägerin richtete sich mit ihrer außerordentlichen Revision an den OGH. Dieser bestätigte in seinem Zurückweisungsbeschluss die Entscheidung der Vorinstanz und führte dazu Folgendes aus:

Eine Kundenschutzklausel (auch Mandanten- bzw. Klientenschutzklausel genannt) stellt eine besondere Form der Konkurrenzklausel nach § 36 AngG bzw. § 2 c AVRAG dar, soll den Kundenstock des Arbeitgebers schützen und das Abwerben des bestehenden Kundenkreises verhindern. Die Kundenschutzklausel kann für die Dauer von maximal einem Jahr vereinbart werden.

Eine Geheimhaltungsvereinbarung über echte Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse ist keine Konkurrenzklausel nach § 36 AngG und unterliegt demnach nicht der zeitlichen Beschränkung von einem Jahr. Zweck einer Geheimhaltungsvereinbarung ist der Schutz vor Verrat an Dritte und die Benutzung der Geheimnisse als Mitbewerber, wobei festgehalten wird, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Natur sind, die nur ausgewählten Personen bekannt sind und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht.

Im gegenständlichen Fall liege nur ein Verstoß gegen die Kundenschutzklausel vor, die Geheimhaltungsvereinbarung wurde durch den Beklagten nicht verletzt. Eine Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung liege dann vor, wenn weitere Voraussetzungen hinzuträten, zum Beispiel der Beklagte sich auf unlautere Weise Kundenlisten beschafft hätte. Die bloße Kontaktaufnahme oder das Abwerben von Kunden wäre dafür noch nicht ausreichend.

Hinsichtlich der Mäßigung der Konventionalstrafe bestätigte der OGH die Entscheidung des OLG Wien und berief sich dabei auf bereits gefestigte Rechtsprechung. Bei der Beurteilung, ob die Strafe überhöht ist, sind wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, sohin die Einkommens- beziehungsweise Vermögensverhältnisse, weiters Art und Ausmaß der Vertragsverletzung sowie der durch die Vertragsverletzung für den Arbeitgeber entstandene Schaden zu beachten.

Eine doppelte Bestrafung aufgrund der Kundenschutzklausel und der Konkurrenzklausel komme nicht in Frage, da die Kundenschutzklausel von der Konkurrenzklausel umfasst sei.

Ob nun der Beklagte Kunden aktiv beworben hat oder diese von selbst an ihn herangetreten sind, macht hinsichtlich des Unrechtsgehalts keinen Unterschied, da nach Auffassung des OGH beide Varianten gegen die Kundenschutzklausel verstoßen.

Da gegenständlich der konkrete Schaden der Klägerin nicht feststellbar ist und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten dies erfordern, war eine Mäßigung der Konventionalstrafe auf ein Drittel für den OGH gerechtfertigt und nicht weiter korrekturbedürftig.



Höchstgerichtliche Auslegungen zu Fragen des Entstehens und des Übergangs des Rechts zur Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit

Im Ausgangsfall (OGH 24.01.2020, 8 ObA 48/19w) befasste sich der OGH mit folgender Frage: Geht das Recht auf Kündigungsanfechtung auch dann vom Betriebsrat auf den Arbeitnehmer über, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigungsausspruch und Widerspruch des Betriebsrats innerhalb der dem Betriebsrat zur Klagseinbringung zur Verfügung stehenden einwöchigen Frist kein dem Betriebsrat bekannt werdendes Verhalten setzt, das auf ein „Verlangen“ der Kündigungsanfechtung durch den Betriebsrat iSv § 105 Abs 4 ArbVG schließen lässt. Im vorliegenden Fall gelang dem Arbeitnehmer im Verfahren zudem der Beweis, dass der Betriebsrat dem (nicht gestellten) Verlangen auf Kündigungsanfechtung durch den Betriebsrat ohnehin nicht entsprochen hätte.

Das Erstgericht wies die Klage ab; der der Kündigungsabsicht widersprechende Betriebsrat habe zunächst das Kündigungsanfechtungsrecht und nicht der Arbeitnehmer, vorausgesetzt dieser fordere den Betriebsrat dazu auf, die Anfechtung vorzunehmen. Da dies gegenständlich nicht geschehen sei, lägen die Voraussetzungen gem § 105 Abs 4 ArbVG nicht vor, das Anfechtungsrecht sei nicht auf den Kläger übergegangen und die Kündigung daher für ihn nicht mehr anfechtbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. In seiner Begründung führte es aus, dass der Begriff „Verlangen“ iSd § 105 Abs 4 ArbVG zwei Zwecke verfolge: Einerseits solle sichergestellt werden, dass der Betriebsrat auf sein primäres Anfechtungsrecht bestehen könne. Andererseits solle dem Arbeitnehmer ein Kündigungsschutzverfahren nicht wider Willen aufgezwungen werden. Keiner dieser Gesetzeszwecke sei jedoch verletzt, solange dem Arbeitnehmer der Beweis gelinge, dass der Betriebsrat, wie im gegenständlichen Fall, einem Verlangen auf Anfechtung jedenfalls nicht entsprochen hätte.

Der OGH erteilte in dieser Entscheidung einer solchen Auslegung von § 105 Abs 4 ArbVG sowohl im Hinblick auf das Urteil des Berufungsgericht als auch in Hinblick auf in dieselbe Stoßrichtung zielende Meinungen in der Literatur eine deutliche Absage; nach der klaren Konzeption des Gesetzes komme das Anfechtungsrecht im Falle eines Widerspruchs des Betriebsrats, unter der Voraussetzung eines „Verlangens“ des Arbeitnehmers, primär und ausschließlich diesem zu. Es sei aber sehr wohl notwendig, dass der Arbeitnehmer während der einwöchigen Frist eine Anfechtung wünsche oder zumindest mit einer solchen einverstanden sei. Nur so könne überhaupt ein Anfechtungsanspruch des Betriebsrats entstehen, welcher im Anschluss allenfalls auf den Arbeitnehmer überginge. Im Nachhinein hypothetisch nachzuvollziehen, ob der Arbeitnehmer mit einer Anfechtung einverstanden gewesen wäre bzw. ob der Betriebsrat im Falle eines Einverständnisses selbst angefochten hätte und auf dieser Grundlage ein Kündigungsanfechtungsrecht des Arbeitnehmers entstehen zu lassen, sei schlichtweg gesetzwidrig.



Konkurrenzklausel bei Verschmelzung von Gesellschaften

Eine Konkurrenzklausel eines bereits ausgeschiedenen Mitarbeiters geht im Zuge einer Verschmelzung zweier GmbHs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vom Veräußerer auf den Erwerber über. Zu diesem Ergebnis gelangte der OGH (OGH 17.12.2019, 9 ObA 105/19k).

Im Anlassfall schied der Arbeitnehmer aus, war aber an eine vertragliche Konkurrenzklausel gebunden. In weiterer Folge kam es zur Verschmelzung des früheren Arbeitgebers (die übertragende Gesellschaft) mit der übernehmenden Gesellschaft (die Klägerin).  Nach Verschmelzung der beiden GmbHs, setzte der ehemalige Arbeitnehmer (der Beklagte) ein konkurrenzierendes Verhalten. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin nun die Zahlung einer Konventionalstrafe und war in den ersten beiden Instanzen erfolgreich.

Der Arbeitnehmer argumentierte in seiner Revision offensichtlich damit, dass ein Übergang der Konkurrenzklausel auf die übernehmende Gesellschaft nicht erfolgt sei. Im Rahmen eines Betriebsübergang trete der Erwerber zwar gemäß § 3 AVRAG automatisch in die bestehenden Arbeitsverträge des Veräußerers ein. Dies gelte aber nicht bei bereits im Zeitpunkt des Betriebsüberganges beendeten Dienstverhältnissen (wie hier der Fall), ein Übergang der Konkurrenzklausel setze daher eine Zession oder Vertragsübernahme voraus, die nicht erfolgt sei.

Der OGH hielt in seinem Beschluss fest, dass eine Verschmelzung zweier GmbHs, die den Transfer des gesamten Vermögens der übertragenden an die übernehmende Gesellschaft bewirkt, einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge darstellt. Sohin tritt die übernehmende Gesellschaft in rechtlicher Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft und tritt damit auch in die von der übertragenden Gesellschaft begründeten Dauerrechtsverhältnisse, hier in das Konkurrenzklauselverhältnis, ein. Wenn auch eine Verschmelzung von Unternehmen zudem auch einen Betriebsübergang iS § 3 AVRAG darstellen könne, so bedeute dies nicht, dass das Konkurrenzklauselverhältnis von der Gesamtrechtsnachfolge ausgeschlossen wäre. Die Frage, ob das Konkurrenzklauselverhältnis gemäß § 3 AVRAG automatisch auf die übertragende Gesellschaft übergeht, stellt sich daher nicht, weil dieser Übergang ohnehin aufgrund der mit der Verschmelzung verbundenen Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.

Bei Umstrukturierungen, die zu einer Gesamtrechtsnachfolge führen, wie insbesondere Verschmelzungen und Spaltungen, findet daher jedenfalls ein Übergang des mit ausgeschiedenen Arbeitnehmern bestehenden Konkurrenzklauselverhältnisses auf den Übernehmer statt. Bei anderen Umstrukturierungen ist aber weiterhin unklar, ob auch die Verpflichtungen ausgeschiedener Mitarbeiter aus einer mit dem übertragenden Arbeitgeber abgeschlossenen Konkurrenzklausel gemäß § 3 AVRAG auf den Übernehmer übergehen. Vorsichtshalber sollte daher bei derartigen Umstrukturierungen möglichst eine vertragliche Regelung getroffen werden.



Flüchtigkeitsfehler in Dienstzeugnis unerheblich

Im vorliegenden Fall (OGH 24.01.2020, 8 ObA 64/19y) stellte der Arbeitgeber (Pizzeria) einem Kellner nach dessen (gerechtfertigter) Entlassung wegen grober Ehrenbeleidigung ein Dienstzeugnis aus. Im zunächst ausgestellten Zeugnis fehlte bei der handschriftlichen Angabe der ausgeübten Tätigkeit mit „Restarantfachmann mit Inkasso“ der Buchstabe "u". Dem Kläger wurde (im vorgedruckten Text) bestätigt, er habe die „ihm übertragenen Aufgaben gewissenhafte und zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“. Es war die handschriftlich angegebene Wohnanschrift des Klägers nach Postleitzahl, Ort und Hausnummer (der Ort verfügt über keine Straßennamen) korrekt und für eine Zustellung hinreichend angegeben, der zusätzlich angegebene Name des Ortsteils aber falsch angeführt, wobei der Kläger während des aufrechten Arbeitsverhältnisses (und von ihm unbeanstandet geblieben) vom Arbeitgeber unter dieser Adresse geführt worden war; auch erfolgten Zustellungen von der Post an diese Adresse.

In einem dem Kläger später erneut ausgefolgtem Zeugnis unterblieb der Rechtschreibfehler („Restarant“) und Adressfehler, weiterhin vorhanden waren aber die bereits im Vordruck enthaltenen Grammatikfehler („ihm übertragenen Aufgaben gewissenhafte und zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“).

Grundsätzlich besteht nur Anspruch auf ein „einfaches“ Dienstzeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung. Es besteht hingegen kein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein „qualifiziertes“ Dienstzeugnis mit Werturteilen des Arbeitgebers über Leistung und Führung im Dienst. Das Dienstzeugnis darf dem Arbeitnehmer die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes jedenfalls nicht erschweren, weshalb auch seine äußere Form nicht so beschaffen sein darf, dass daraus auf eine mangelnde Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer oder auf Divergenzen zwischen ihnen geschlossen werden kann. Als nicht berichtigungsbedürftig wurden in der Rechtsprechung etwa ein geringfügiger Grammatikfehler in einem sonst richtigen und vollständigen Dienstzeugnis sowie uneinheitliche Zeichenabstände, unterschiedliche Zeilenabstände, ein fehlender Punkt und das Ausschreiben des Geburtsmonats des Arbeitnehmers im Gegensatz zur Bezifferung der Monate seines Beschäftigungsbeginns- und -endes gewertet. Ob – als solche der äußeren Form des Zeugnisses zuzuordnende – Rechtschreib- oder Grammatikfehler oder sonstige Fehler, etwa hinsichtlich des Layouts oder des verwendeten Papiers, eine Erschwerung des Arbeitnehmers bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes befürchten lassen, ist aber stets eine Frage des Einzelfalls.

Im konkreten Fall ging das Berufungsgericht davon aus, dass insgesamt nur Flüchtigkeitsfehler vorlägen, die sich - soweit sodann nicht ohnehin behoben - bloß im gesetzlich gar nicht geschuldeten qualifizierten Teil des Arbeitszeugnisses fänden, was sie noch zusätzlich relativiere. Die wohlwollende Formulierung im qualifizierenden Teil wiege bei Weitem auch nur den leisesten Verdacht auf eine fehlende Wertschätzung auf. Auch sei zu bedenken, dass auf der Arbeitgeberseite eine Pizzeria mit einem Geschäftsführer, der nicht Deutsch als Muttersprache habe, agiere. Der OGH bestätigte die Ansicht des Berufungsgerichts, sodass der Kläger keinen Anspruch auf die Ausstellung eines neuen Dienstzeugnisses hatte.



Kündigung nach Ablehnung einer Vertragsänderung – keine unzulässige Motivkündigung

Stimmt der Arbeitnehmer einer vom Arbeitgeber angestrebten Vertragsänderung nicht zu, so kann die aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung zwar wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, nicht aber als Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden.

Im gegenständlichen Fall (OGH 24.01.2020, 8 ObA 78/19g) forderte der Arbeitgeber eine im Bereich der Lohnverrechnung tätige Arbeitnehmerin zur Unterfertigung einer Verpflichtungserklärung zur Wahrung von Datenschutz sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verknüpft mit der Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtungen auf. Die Arbeitnehmerin stimmte zwar der Geheimhaltungsvereinbarung, nicht aber der Konventionalstrafe zu. Der Arbeitgeber sprach aus diesem Grund die Kündigung aus.

Die Arbeitnehmerin berief sich infolgedessen auf das Vorliegen einer Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG). Nach dieser Bestimmung kann eine Kündigung bei Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Dieser Anfechtungstatbestand trägt dem Umstand Rechnung, dass Ansprüche von Arbeitnehmern aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes oft nicht geltend gemacht werden. Dem Arbeitnehmer soll damit die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis ermöglicht werden, ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses befürchten zu müssen. Der Zweck des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist daher, Vergeltungskündigungen zu vermeiden.

Laut dem OHG ist im vorliegenden Fall im Interesse des Arbeitgebers an einer notwendigen oder sachgerechten – auch verschlechternden – Änderungsvereinbarung für die Zukunft aber noch kein Infragestellen bestehender Ansprüche der Arbeitnehmerin zu sehen, weil der Änderungswunsch des Arbeitgebers deren Anerkennung gerade voraussetzt. In einem solchen Fall kann der Motivkündigungsschutz nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG daher schon deshalb nicht greifen. Insofern kann aber in der Ablehnung eines Änderungsbegehrens durch die Arbeitnehmerin auch keine Geltendmachung von Ansprüchen gesehen werden, die vom Arbeitgeber in Frage gestellt wurden.

Die Kündigung kann von der Arbeitnehmerin daher nicht als Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden, sie kann laut dem OGH allerdings unter Sozialwidrigkeitsaspekten nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG überprüfbar sein. Nach dieser Bestimmung kann die Kündigung bei Gericht angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits 6 Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist.

Zusammenfassend bestätigt der OGH damit die Rechtsprechung, wonach bei einer Kündigung nach Ablehnung der Vertragsänderung durch den Arbeitnehmer allenfalls eine sozialwidrige Kündigung, aber keine unzulässige Motivkündigung vorliegt. Schließlich will sich der Arbeitgeber durch das Änderungsanbot auf dem durch die Rechtsordnung vorgesehenen Weg – nämlich durch Vertragsänderung – von gewissen Ansprüchen des Arbeitnehmers befreien, stellt diese aber gar nicht in Frage. Anderes könnte nur dann gelten, wenn die begehrte Änderung unsachlich wäre oder gar zu rechtswidrigen Bedingungen im Arbeitsverhältnis führen würde.



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