Urlaubsersatzleistung trotz unberechtigtem Austritt? Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH
Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Kläger bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt und beendete das Dienstverhältnis nach knapp 5 Monaten durch unberechtigten vorzeitigen Austritt. Sein offener Urlaubsanspruch betrug bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 3,33 Arbeitstage. Der Kläger brachte selbst vor, das Arbeitsverhältnis durch unberechtigt vorzeitigen Austritt beendet zu haben. Im Verfahren vertrat er aber die Ansicht, dass der hier einschlägige § 10 Abs 2 UrlG, wonach die Urlaubsersatzleistung dem Arbeitnehmer bei unberechtigtem Austritt nicht zusteht, in Widerspruch zu Art 31 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG stehe und daher nicht zur Anwendung kommen dürfe.
Der OGH (OGH 29.04.2020, 9 ObA 137/19s) legte nun die Frage nach der Unionsrechtskonformität des § 10 Abs 2 UrlG dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Er führte dabei aus, dass im Fall des unberechtigten Austritts der Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit, den Urlaub in natura zu verbrauchen, durch einen Vertragsbruch verhindere. Vor dem Austritt habe der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf (bezahlten) Urlaub in natura. Das er durch die unberechtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung erlangen solle, würde aus Sicht des OGH das allgemeine Rechtsprinzip verletzen, wonach niemand einen Anspruch dadurch erlangen soll, dass er rechtswidrig vorgeht (ex iniuria ius non oritur). Letztlich würde auch der Gedanke, dass der bezahlte Urlaub primär die Funktion hat, die Gesundheit eines Arbeitnehmers zu erhalten, missachtet, wenn sich ein Arbeitnehmer durch unberechtigten Austritt im Ergebnis den Urlaubsanspruch abkaufen lassen könnte.
Der Europäische Gerichtshof hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob (und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen) ein Arbeitnehmer, der ohne wichtigen Grund vorzeitig sein Dienstverhältnis aufgelöst hat, nach dem Unionsrecht dennoch ein Anspruch auf Ersatzleistung für unverbrauchten Urlaub zuzugestehen ist.