Die Zinsschranke, nun auch in Österreich
Als Teil des am 10. Dezember vom Nationalrat beschlossenen COVID-19-Steuermaßnahmengesetzes wurde erstmals eine allgemeine Zinsschrankenregelung als neuer § 12a in das österreichische Körperschaftsteuergesetz (KStG) aufgenommen. Damit sollen die Vorgaben des Art 4 der EU Anti-BEPS-Richtlinie (RL (EU) 2016/1164; „Anti-Tax-Avoidance Directive“, kurz „ATAD“) erfüllt werden. Der wesentliche Inhalt der neuen Regelung ist eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit von der Höhe des steuerlichen EBITDA. Die neue Regelung ist für Wirtschaftsjahre anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2020 beginnen.
Die Zinsschranke wurde in Österreich nicht, wie in der ATAD grundsätzlich vorgesehen, schon für Zeiträume ab 2019 eingeführt, weil das BMF (wie auch Teile der Praxis und Literatur) die Ansicht vertreten hatte, dass Österreich eine diesbezügliche in der ATAD vorgesehene Verlängerung der diesbezüglichen Umsetzungsfrist auf 2024 in Anspruch nehmen zu können. Dafür wäre es notwendig gewesen, dass die Effektivität der bestehenden nationalen Regelungen betreffend die Nichtabzugsfähigkeit von Zinszahlungen (konkret § 12 Abs 1 Z 9 und Z 10 KStG) mit jener von Art 4 ATAD vergleichbar ist. Die EU-Kommission teilte diese Ansicht jedoch nicht und leitete aufgrund der mangelnden Umsetzung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Mit der Einführung der neuen Zinsschrankenregelung in das KStG erfolgt nun ein entsprechendes Einlenken Österreichs.
Die Zinsschranke soll den Abzug von Zinsaufwendungen ab einer bestimmten Höhe zumindest temporär versagen. Ziel der Regelung ist es (im Einklang mit den Vorgaben der EU), steuerliche Vorteile aus einer besonders hohen Fremdfinanzierung einzelner Konzerngesellschaften zu verhindern.
Grundsystematik der neuen Zinsschranke
§ 12a Abs 1 KStG sieht vor, dass ein Zinsüberhang in einem Wirtschaftsjahr grundsätzlich nur im Ausmaß von 30% des steuerlichen EBITDA dieses Wirtschaftsjahres abzugsfähig ist. Zwei zentrale Bezugsgrößen sind entscheidend: der Zinsüberhang und das steuerliche EBITDA:
- Ein Zinsüberhang liegt insoweit vor, als steuerlich abzugsfähige Zinsaufwendungen die steuerpflichtigen Zinserträge übersteigen. Als Zinsen qualifizieren dabei jegliche Vergütungen für Fremdkapital einschließlich sämtlicher Zahlungen für dessen Beschaffung sowie auch sonstige Vergütungen, die wirtschaftlich gleichwertig sind. § 12a Abs 3 KStG definiert damit einen eigenständigen, sehr umfassenden Zinsbegriff für die Zwecke der Zinsschrankenregelung. Neben den Zinsen für die Überlassung von Fremdkapital werden etwa auch Geldbeschaffungskosten erfasst.
- Das steuerliche EBITDA ist wie folgt zu ermitteln:
Gesamtbetrag der Einkünfte vor Anwendung der Zinsschranke
+ Nettozinsaufwendungen
+/- steuerliche Zu-/Abschreibungen
= steuerliches EBITDA
Im Ergebnis steht damit die Höhe der abzugsfähigen Fremdkapitalkosten im direkten Zusammenhang mit dem steuerlichen Ergebnis der Körperschaft: Je niedriger das steuerliche Ergebnis, desto weniger Fremdkapitalkosten sind steuerlich abzugsfähig.
Der neue § 12a KStG gilt für sämtliche unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, für Letztere mit ihren im Inland gelegenen Betriebstätten. Ausgenommen sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Ausnahmen von der Zinsabzugsbegrenzung
Aufgrund der folgenden Ausnahmen ist der Anwendungsbereich der Zinsschranke stark eingeschränkt:
- Freibetrag bis zu € 3 Millionen: Zinsüberhänge bis zu € 3 Millionen pro Veranlagungszeitraum sind jedenfalls abzugsfähig. Es handelt sich nicht bloß um eine Freigrenze. Im Falle einer steuerlichen Unternehmensgruppe gem § 9 KStG steht dieser Freibetrag allerdings nur einmal für die gesamte Unternehmensgruppe zu.
- Stand-Alone-Klausel: Die Zinsschranke ist dann nicht anzuwenden, wenn die Körperschaft nicht vollständig in einen Konzernabschluss einbezogen wird, über kein verbundenes Unternehmen verfügt und keine ausländische Betriebsstätte unterhält.
- Eigenkapital-Escape-Klausel: Zinsüberhänge sind auch dann vollständig abzugsfähig, wenn die Eigenkapitalquote der betreffenden Körperschaft oder der betreffenden Steuergruppe gleich hoch oder höher ist als die Eigenkapitalquote des jeweiligen Konzerns (ein Unterschreiten der Konzern-Eigenkapitalquote von bis zu 2 Prozentpunkten ist zulässig). Erforderlich für die Anwendung dieser Klausel ist ein Vergleich der Eigenkapitalquote der Körperschaft (oder der Steuergruppe) mit der Eigenkapitalquote des Konzerns, in den sie einbezogen wird (Eigenkapitalquotenvergleich). Notwendig ist ein tatsächliches Einbeziehen in den Konzernabschluss.
- Bestandschutzklausel: Zinsaufwendungen aus Verträgen, die vor dem 17. Juni 2016 abgeschlossen worden sind, bleiben bis zur Veranlagung 2025 von der Zinsbeschränkung unberücksichtigt.
Zins- und EBITDA-Vortrag
Ein Zinsüberhang, der in einem Jahr steuerlich nicht abzugsfähig ist, kann unbeschränkt auf die darauffolgenden Wirtschaftsjahre vorgetragen werden vortragsfähig (Zinsvortrag). Nichtabzugsfähige Fremdkapitalaufwendungen sind also nicht für immer verloren, sondern können unbefristet in späteren Jahren unter den allgemeinen Voraussetzungen steuerlich verwertet werden.
Zudem besteht auch ein zeitlich beschränkter Vortrag von verrechenbaren EBITDA. Ein solcher EBITDA-Vortrag entsteht, wenn das verrechenbare EBITDA (somit 30% des steuerlichen EBITDA) eines Wirtschaftsjahres den Zinsüberhang einschließlich eines allfälligen Zinsvortrags übersteigt. Dieses übersteigende verrechenbare EBITDA ist auf die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vortragsfähig.
Auswirkungen auf Unternehmensgruppen
§ 12a Abs 7 KStG regelt die Auswirkungen der Zinsschranke auf Unternehmensgruppen. Die Zinsschranke soll dabei ausschließlich auf Ebene des Gruppenträgers im Rahmen der Ermittlung des zusammengefassten Ergebnisses der Unternehmensgruppe Berücksichtigung finden. Die Zinsschranke wirkt sich somit nicht bei den einzelnen Gruppenmitgliedern aus, sondern auf Ebene der Gesamtunternehmensgruppe. Dies bedeutet unter anderen, dass der Freibetrag von € 3 Millionen für die gesamte Unternehmensgruppe nur einmal zusteht. Weiters kommt es insofern zu einer modifizierten Regelung der Zinsschranke, als ein Gruppen-Zinsüberhang und ein Gruppen-EBITDA zu ermitteln ist und der Gruppen-Zinsüberhang nur im Ausmaß von 30% des Gruppen-EBITDA abzugsfähig ist. Als Gruppen-Zinsüberhang gilt der Nettozinsaufwand des Gruppenträgers und der unbeschränkt sowie beschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieder aus inländischen Betriebstätten. Es kommt somit zu einer Neutralisierung von gruppeninternen Zinsaufwendungen und Zinserträgen und einer Summierung der Ergebnisse der einzelnen Gruppenmitglieder. Das Gruppen-EBITDA besteht aus der Summe der Gesamtbeträge der Einkünfte des Gruppenträgers und der unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieder sowie der Einkünfte beschränkt steuerpflichtiger Gruppenmitglieder aus österreichischen Betriebstätten, neutralisiert um steuerliche Zu- und Abschreibungen sowie den Gruppen-Zinsüberhang. Die Vortragsregelungen für den Zinsüberhang und das EBITDA gelten sinngemäß auch für Unternehmensgruppen.
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