Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Reiseplattformen
Die Datenschutzbehörde (DSB) musste sich in ihrer Entscheidung vom 18. September 2020 (GZ D130.308 2020-0.308.526) mit der Frage auseinandersetzen, ob und inwieweit das Recht auf Geheimhaltung von Hotelbetreibern verletzt wird, wenn deren betreffenden Daten auf einer Reiseplattform ohne ihrer Einwilligung verarbeitet werden. Wie die Behörde entschieden hat, erfahren Sie nachfolgend:
Die beiden Beschwerdeführer betreiben ein Hotel in Salzburg. Die Beschwerdegegnerin betreibt eine der weltweit größten Reise-Plattformen. Eine Listung eines Objekts (zB eines Hotels) auf der Plattform kann entweder durch den registrierten Inhaber des Objekts oder durch einen registrierten Plattform-Benutzer oder durch die Plattformbetreiberin selbst erfolgen. Neben den allgemeinen Informationen zum Objekt können von registrierten Benutzern Bewertungen in mehreren Kategorien und Erfahrungsberichte abgegeben und Fotos gepostet werden. Der Inhaber des Objekts kann auf diese Erfahrungsberichte replizieren. Die Listung auf der Plattform ist kostenlos. Daneben werden aber auch kostenpflichtige Dienste (zB verschiedene Marketingleistungen) von der Plattformbetreiberin angeboten.
Die Listung des Hotels der Beschwerdeführer erfolgte ohne deren Einwilligung. In einigen Bewertungen werden die Beschwerdeführer namentlich genannt. Der Zweitbeschwerdeführer hat auf einige Bewertungen geantwortet. Die Beschwerdeführer begehrten die dauerhafte Löschung sämtlicher Beiträge, Fotos und Informationen betreffend ihr Hotel. Diesem Wunsch kam die Beschwerdegegnerin nicht nach, woraufhin sich die Beschwerdeführer mit einer Beschwerde an die DSB wandten.
Vorab erklärte sich die DSB für zuständig, da das Medienprivileg gemäß § 9 Abs. 1 DSG nicht zur Anwendung gelange. Eine Veröffentlichung von Informationen betreffend Tourismusdienstleistern stelle keine journalistische Tätigkeit dar, selbst wenn diese durch Zusatzinformationen wie Bewertungen und Erfahrungsberichte ergänzt werde.
Danach musste die DSB klären, ob und inwieweit eine Datenverarbeitung durch die Beschwerdegegnerin rechtmäßig erfolge. Bei den allgemeinen Informationen zum Hotel handelt es sich per se noch um keine personenbezogenen Daten. Bei den Bewertungen und Erfahrungsberichten sieht dies jedoch anders aus. Insbesondere liegen dann personenbezogene Daten vor, wenn die Beschwerdeführer namentlich genannt werden und diese somit identifiziert werden können. Eine Verarbeitung durch die Beschwerdegegnerin als Verantwortliche gemäß Art. 4 Z 4 DSGVO lag ebenfalls vor. Durch die Veröffentlichung allgemeiner Informationen mit der Möglichkeit der Abgabe von Bewertungen und Erfahrungsberichten wurde ein informationeller Mehrwert durch die Beschwerdegegnerin geschaffen. Die Verarbeitung bedarf somit eines Erlaubnistatbestandes nach Art. 6 DSGVO.
Die Beschwerdegegnerin stützte sich auf ein berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Es musste daher eine Interessenabwägung vorgenommen werden, wobei auf der einen Seite die Interessen der Beschwerdegegnerin (als Plattformbetreiberin) sowie jene der Plattformbenutzer (als Dritte) und auf der anderen Seite die Interessen der Beschwerdeführer gegenübergestellt werden mussten. Folgende Erwägungen wurden von der DSB getroffen:
- Zu berücksichtigen war, dass die Beschwerdeführer als Betreiber des Hotels bereits nach kurzer Recherche im Internet ermittelt werden konnten. Es bestand somit ein gewisser Bekanntheitsgrad der Information.
- Zudem betreffen die Erfahrungsberichte die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführer. Selbst wenn es sich bei den Leistungen im Rahmen eines Tourismusbetriebes (anders als bei Ärzten) um keine höchstpersönlichen Leistungen im engeren Sinn handelt, so zählen die Betreiber eines Hotels zu dort tätigen Personen, die einen nicht unbeachtlichen Einfluss auf das Gästeleben haben. Dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie von den Beschwerdeführern behauptet – um einen Familienbetrieb handelt.
- Die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführer ist der „Sozialsphäre“ und nicht der Privat- und Familiensphäre zuzuordnen, weshalb von einer geringeren Schutzwürdigkeit auszugehen ist.
- Demgegenüber steht ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit bzw. Nutzern der Plattform an Informationen über Tourismus-Dienstleistungen. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, sich einfach und effizient auszutauschen und kann eine solche Plattform als zusätzliche Such- und Informationsquelle von Reisedienstleistungen genutzt werden.
- Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin dabei auch kostenpflichtige Marketingmöglichkeiten anbietet und beabsichtigt, auch Gewinn zu erzielen, schadet nicht, zumal ein gewisser kommerzieller Erfolg für den Fortbestand solcher Such- und Bewertungsplattformen sogar unverzichtbare Voraussetzung sein kann.
- Zugunsten der Beschwerdegegnerin ist außerdem das in Art. 11 GRC verankerte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bzw. das in Art. 10 EMRK verankerte Recht auf Meinungsäußerung zu berücksichtigen.
Die Beschwerdegegnerin trägt daher mit dem Betrieb ihrer Reiseplattform dazu bei, dass die Öffentlichkeit wertvolle Informationen und Meinungen geteilt werden können und diese kostenfrei zugänglich sind, wodurch ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen wird. Die Interessen der Beschwerdegegnerin und der Portalbenutzer überwiegen daher die Interessen der Beschwerdeführer.
Natürlich darf nicht übersehen werden, dass es immer Personen (etwa ein „unzufriedener Gast“) geben wird, die die Plattform missbrauchen. Für solche Fälle bietet die Beschwerdegegnerin jedoch die Möglichkeit, derartige Erfahrungsberichte, die gegen ihre Nutzungsbedingungen verstoßen, zu melden und unter Umständen auch zu entfernen.
Im Ergebnis liegt daher keine Verletzung der Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung vor und ist die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beschwerdegegnerin auf ihrer Plattform rechtmäßig. Die Beschwerdegegnerin hat somit dem Löschungsbegehren der Beschwerdeführer zurecht nicht entsprochen.
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