Anfechtung einer Auflösungsvereinbarung bei Bestehen einer Drucksituation
Eine einvernehmliche Auflösung kann gerichtlich bekämpft werden, wenn die Zustimmung der* Arbeitnehmer*in durch rechtswidrigen Zwang oder arglistiger Irreführung (§ 870 ABGB) erwirkt wurde. Das trifft beispielsweise zu, wenn die Auflösungsvereinbarung nur unterschrieben wurde, weil der Arbeitgeber damit drohte andernfalls eine Entlassung auszusprechen. Liegen dem Arbeitgeber aber plausible und objektiv ausreichende Gründe für eine Entlassung vor, kann sich ein*e Arbeitnehmer*in nicht auf das Bestehen einer Drucksituation berufen. Wann für eine Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe vorliegen, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der OGH (OGH 23.02.2021, 8 ObA 2/21h) mit der Frage zu befassen, ob heimliche Tonaufnahmen für die Annahme eines Entlassungsgrundes ausreichen. Konkret war die klagende Arbeitnehmerin in einer Waschküche eines Seniorenwohnheims tätig. Sie bemerkte, dass ihre Arbeitskolleg*innen unerlaubte Geldgeschenke von Bewohner*innen annahmen, wovon sie ihren direkten Vorgesetzten informierte. Daraufhin hatte die Klägerin Angst, dass sich ihre Kolleg*innen an ihr rächen würden, weshalb sie ein Handy mit aktivierter Aufnahmefunktion im Aufenthaltsraum versteckte. Das Handy wurde aber gefunden und der Vorfall dem Vorgesetzten der Klägerin bekannt. Der Arbeitgeber bot der Klägerin anstatt einer Entlassung eine einvernehmliche Auflösung an, die sie zwar annahm, aber hinterher im gegenständlichen Verfahren zu bekämpfen versuchte.
Der OGH führte in seiner Entscheidung aus, dass mit der Entlassungsdrohung kein ungerechtfertigter Druck auf die Klägerin ausgeübt wurde. Eine heimliche Tonaufnahme ist grundsätzlich rechtswidrig. Ein rechtlich relevanter Rechtfertigungsgrund lag nicht vor. Der Arbeitgeber der Klägerin durfte daher annehmen, dass plausible und objektiv ausreichendende Gründe für den Ausspruch einer Entlassung vorlagen. Die einvernehmliche Auflösung blieb somit aufrecht und konnte daher nicht erfolgreich angefochten werden.
Für die Praxis ist zudem wesentlich: Es kommt immer wieder vor, dass ein Arbeitgeber Kenntnis von einem zumindest prima vista eine Entlassung rechtfertigenden Verhalten erlangt, sich aber dazu entschließt, die Entlassung nicht auszusprechen, wenn die* Dienstnehmer*in einer gesichtswahrenden einvernehmlichen Auflösung zustimmt. Dies ist aber für den Arbeitgeber mit einem gewissen Risiko behaftet. Sollte die* Arbeitnehmer*in die Auflösungsvereinbarung in der Folge erfolgreich anfechten, besteht das Dienstverhältnis fort. Wird hingegen das Arbeitsverhältnis zuerst durch Entlassung beendet und der* Arbeitnehmer*in erst danach eine Auflösungsvereinbarung angeboten, führt die Anfechtung der Auflösungsvereinbarung nicht automatisch zur Rücknahme der Entlassung. Dem Arbeitgeber ist daher eher anzuraten, zunächst die Entlassung auszusprechen.
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