Entwurf für die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (Urh-Nov 2021)
Am 3.9.2021 wurde der Ministerialentwurf für ein österreichisches Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinien 2019/790 (Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt) und 2019/789 (Online-Übertragung und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen) vorgestellt.
Bereits während der Verhandlung der EU-Richtlinie wurden vor allem die Haftungsregeln für Online-Plattformen heftig diskutiert, aus Sorge vor Upload-Filtern und Zensur. Der österreichische Gesetzgeber nimmt diese EU-Vorgaben, die eigentlich schon bis 7.6.2021 umzusetzen gewesen wären, zum Anlass für eine umfangreiche Reform des Urhebervertragsrechts, die sich stark an der deutschen Rechtslage orientiert. Der Entwurf wird zur umfassendsten Reform des österreichischen Urheberrechts seit 1936 führen. Die wichtigsten Änderungen betreffen folgende Themen:
Haftung großer Online-Plattformen
Der Entwurf schränkt die Haftungsregeln auf „Anbieter großer Online-Plattformen“ ein, die auf dem Markt für Online-Inhalte eine wichtige Rolle spielen und deren Hauptzweck darin besteht, zur Erzielung von Gewinnen eine große Menge an von Nutzern hochgeladenen Werken zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang dazu zu verschaffen. Eine solche Einschränkung auf große Player findet sich in der Richtlinie selbst nicht, ergibt sich aber aus den Materialien dazu.
Solche Anbieter großer Online-Plattformen greifen nach dem Entwurf selbst in das Sende- oder Zurverfügungstellungsrecht des Urhebers ein, wenn sie Zugang zu von Nutzern hochgeladenen Werken verschaffen. Die Haftungsprivilegierung des E-Commerce-Gesetzes gilt für sie nicht.
Die kontroversiellen Regeln für die Verantwortlichkeit solcher Plattformanbieter schränkt der Entwurf auf verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche ein. Verschuldensunabhängige Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und angemessenes Entgelt sollen unberührt bleiben. Die Haftungsregeln selbst – sowie die Ausnahmen, etwa für Parodien – halten sich eng an die Vorgaben der Richtlinie und betreffen vor allem die Beweislast: Plattformanbieter müssen zur Vermeidung ihrer Haftung nachweisen, dass sie sich um eine Lizenz bemüht und nach branchenüblichen Standards alle Anstrengungen unternommen haben um sicherzustellen, dass bestimmte Werke nicht verfügbar sind (Stichwort „upload filter“). Nach Erhalt begründeter Hinweise auf Rechtsverletzungen müssen sie Inhalte sperren.
Die Haftung von Diensteanbietern, deren Hauptzweck es ist, sich an Urheberrechtsverletzungen zu beteiligen oder sie zu erleichtern, bleibt unberührt.
Schutz der Hersteller von Presseveröffentlichungen
Neu ist das Leistungsschutzrecht für Hersteller von Presseveröffentlichungen. Die Begünstigten werden in der Richtlinie nicht definiert. Der Gesetzesentwurf leitet eine Definition aus den Erwägungsgründen und der Beschreibung der geschützten Presseveröffentlichungen ab. Wer als Diensteanbieter auf seine Initiative sowie unter seiner redaktionellen Verantwortung und Aufsicht eine Presseveröffentlichung in analoger oder digitaler Form herstellt, hat das ausschließliche Recht, die Presseveröffentlichung im Ganzen oder in Teilen im Rahmen eines Dienstes der Informationsgesellschaft für die Online-Nutzung zu vervielfältigen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das Recht gilt zwei Jahre ab Veröffentlichung, jedoch nicht für Presseveröffentlichungen vor 6.6.2019. Die Verwertungsrechte der Schöpfer von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen, die in der Presseveröffentlichung enthalten sind, werden dadurch nicht eingeschränkt. Ausnahmen vom Leistungsschutzrecht für private oder nicht-kommerzielle Nutzungen durch einzelne Nutzer sind vorgesehen.
Text- und Data-Mining
Als neue Schutzschranke ist vorgesehen, dass jedermann für eine Einrichtung der Forschung oder des Kulturerbes ein Werk vervielfältigen darf, um damit Texte und Daten in digitaler Form für die wissenschaftliche oder künstlerische Forschung automatisiert auszuwerten und Informationen unter anderem über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen, wenn er zu dem Werk rechtmäßig Zugang hat. Die Schranke gilt auch, wenn gewinnorientierte Unternehmen beteiligt sind.
Urhebervertragsrecht/Angemessene Vergütung
Die Richtlinie führt den Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung ein. Der Umsetzungsentwurf nimmt dies als Anlass für eine umfassendere Reform des Urhebervertragsrechts. Er übernimmt den Zweckübertragungsgrundsatz des deutschen Rechts unter Anpassung an die österreichische Terminologie. Für zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbekannte Verwertungsarten sind Schriftform und ein im Voraus unverzichtbares Widerrufsrecht vorgesehen. Diese neuen Regeln gelten nur für Nutzungsverträge, die nach Inkrafttreten des österreichischen Umsetzungsgesetzes geschlossen werden.
Wird ein Werknutzungsrecht gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt, so ist der Urheber nach Ablauf von fünfzehn Jahren berechtigt, sein Werk anderweitig zu verwerten und das exklusive Werknutzungsrecht des ersten Berechtigten wird auf eine einfache Werknutzungsbewilligung reduziert.
Senderecht
Die bisherige Ausnahme vom Senderecht für die Übermittlung über bestimmte Gemeinschaftsantennenanlagen (Hotelfernsehen) widerspricht nach der Rechtsprechung des EuGH (C-138/16) den Vorgaben der Richtlinie 2001/29. Nach dem Gesetzesentwurf soll daher § 17 Abs 3 UrhG teilweise aufgehoben werden. Hotelfernsehen soll auch weiterhin, wie nach bisheriger österreichischer Rechtsprechung, dem Vortrags-, Aufführungs- oder Vorführungsrecht unterliegen und nicht dem Senderecht. Jedenfalls für das Leistungsschutzrecht der Rundfunkunternehmer soll es daher dabei bleiben, das das Senderecht nur bis zur den Antennenanlagen des Hotels reicht.
Nach der Richtlinie gelten bei Direkteinspeisung programmtragender Signale eines Sendeunternehmen an einen Signalverteiler und unmittelbarer öffentlicher Übertragung durch diesen das Sendeunternehmen und der Signalverteiler als Teilnehmer an einer einzigen öffentlichen Wiedergabe. Dafür müssen sie die Erlaubnis der Rechteinhaber einholen, die Modalitäten dafür können die Mitgliedstaaten festlegen. Der Gesetzesentwurf schlägt vor, dass das Recht nur durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden kann. Eine für die Übertragung von Programmen mittels Direkteinspeisung eingeholte Erlaubnis, die am 7.6.2021 in Kraft ist, unterliegt ab dem 7.6.2025 dem neuen Regime und bedarf weiterer Bewilligungen, sofern sie nach diesem Zeitpunkt ablaufen.
Nicht verfügbare (vergriffene) Werke
Um die nicht-kommerzielle Nutzung von nicht verfügbaren (vergriffenen) Werken und sonstigen Schutzgegenständen aus dem Bestand von Einrichtungen des Kulturerbes durch eine erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung zu erleichtern, ist eine Änderung des UrhG und des VerwertungsgesellschaftenG vorgesehen.
Ein Werk gilt als nicht verfügbar, wenn es weder in einer von mehreren Fassungen (z.B. nachfolgende Ausgaben literarischer Werke oder verschieden geschnittene Filmfassungen) noch in einer seiner verschiedenen Veröffentlichungsformen (z.B. digital oder gedruckt) für die Öffentlichkeit erhältlich ist.
Solche Einrichtungen des Kulturerbes dürfen ein nicht verfügbares Werk aus ihrem Bestand vervielfältigen, senden oder öffentlich zur Verfügung stellen, um es einer nicht-kommerziellen Website zugänglich zu machen, wenn diese Rechte nicht von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden, sich das Werk dauerhaft in der Sammlung der Einrichtung befindet, Informationen zum Zweck der Identifizierung des Werkes und ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht auf dem Portal des EUIPO seit sechs Monaten zugänglich sind und ein Urheber oder Werknutzungsberechtigter nicht der Nutzung widerspricht. Eine Verwertungsgesellschaft soll in diesen Fällen eine Bewilligung zu einer solchen Nutzung auch für Rechte von Inhabern erteilen könnten, die mit ihr keinen Vertrag geschlossen haben. Eine Nutzung kann nur im EWR erfolgen.
Ausblick
Polen hat vor dem EuGH Klage zur Aufhebung der Haftungsregeln der Richtlinie erhoben (C-401/19). Das Urteil des EuGH könnte dieses Haftungsregime noch beeinflussen. Am 15.7.2021 hat der Generalanwalt seine Schlussanträge gestellt. Das Urteil kann in den nächsten Monaten erwartet werden.
Zum österreichischen Umsetzungsentwurf können bis 13.10.2021 Stellungnahmen abgegeben werden.
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