Kommissionsvorschlag zu CRR III und CRD VI
Die Europäische Kommission hat Ende Oktober 2021 Vorschläge zur Änderung der CRR und der CRD IV veröffentlicht, mit denen die Implementierung von Basel III in EU-Recht vollendet werden soll. Mit den neuen Vorschriften soll dafür Sorge getragen werden, dass der EU-Bankensektor widerstandsfähiger gegen potenzielle zukünftige Wirtschaftskrisen wird. Gleichzeitig soll mit den Kommissionsvorschlägen ein Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung Europas von der COVID-19-Pandemie und zum Übergang zur Klimaneutralität geleistet werden.
1. Bisherige Maßnahmen
Die bisher durchgeführten Reformen konzentrierten sich insbesondere auf die Erhöhung der Qualität und Quantität des regulatorischen Eigenkapitals, die Reduzierung übermäßiger Verschuldung von Banken, die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Institute gegenüber kurzfristigen Liquiditätsschocks und die Too-big-to-fail-Problematik.
Aufgrund dieser Reformen sind etwa die Kriterien für anrechenbare Eigenmittel verschärft, die Mindestkapitalanforderungen erhöht und neue Anforderungen für das Risiko von Kreditbewertungsanpassungen („CVA“) eingeführt worden. Zudem wurden eine Mindestverschuldungsquote, eine Liquiditätsdeckungsquote, eine Nettostabilitätsquote, Großkreditgrenzen sowie makroprudenzielle Kapitalpuffer eingeführt.
Aus Sicht des EU-Gesetzgebers ist der EU-Bankensektor dank dieser Reformen wesentlich widerstandsfähiger gegen Wirtschaftskrisen geworden. Zudem hat der Bankensektor aus Sicht des EU-Gesetzgebers die COVID-19-Krise im Vergleich zur Finanzkrise 2008/2009 auf einer wesentlich stabileren Grundlage bewältigt. Auch wenn die Eigenkapitalausstattung der Banken in der EU zufriedenstellend ist, sind dennoch einige der Probleme, auf die man im Zuge der Finanzkrise aufmerksam wurde, noch nicht gelöst worden.
2. Die Kommissionsvorschläge
Mit dem vorgestellten Novellierungs-Paket wird die Umsetzung von Basel III auf EU-Ebene abgeschlossen. Die Kommissionsvorschläge sollen somit der letzte Schritt der durch Basel III ausgelösten Reform der EU-Bankvorschriften sein. Die Vorschläge der Europäischen Kommission beinhalten hierfür
- einen als „CRD VI“ zu bezeichnenden Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (Richtlinie 2013/36/EU – „CRD IV“),
- einen als „CRR III“ zu bezeichnenden Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der Eigenkapitalverordnung (Verordnung (EU) 2013/575 – „CRR“), sowie
- einen separaten Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der Eigenkapitalverordnung im Bereich der Abwicklung („Daisy-Chain“-Vorschlag genannt).
3. Überblick über Ziele der Kommissionsvorschläge
Vor dem Hintergrund der bisherigen bankenaufsichtsrechtlichen Maßnahmen verfolgt der Kommissionvorschlag zwei grundlegende Ziele. Zum einen soll ein Beitrag zur Finanzstabilität geleistet werden und zum anderen ein Beitrag zur stetigen Finanzierung der Wirtschaft im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung nach der COVID-19-Krise. Diese allgemeinen Ziele können in vier konkretere Ziele unterteilt werden:
- Stärkung des risikobasierten Eigenkapitalrahmens, ohne dass die Eigenkapitalanforderungen insgesamt wesentlich erhöht werden: Der Abschluss der Reform ist notwendig, um noch offenen Fragen zu klären und die finanzielle Leistungsfähigkeit der in der EU niedergelassenen Institute weiter zu stärken, sodass sie das Wirtschaftswachstum besser unterstützen und potenziellen zukünftigen Finanzkrisen besser standhalten können. Die Umsetzung der noch ausstehenden Teile der Basel-III-Reform ist auch notwendig, um den Instituten die notwendige regulatorische Sicherheit zu geben.
- stärkere Berücksichtigung von ESG-Risiken im aufsichtsrechtlichen Rahmen: Banken werden eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung der Umstellung zu einer nachhaltigeren Wirtschaft spielen. Gleichzeitig wird der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft wahrscheinlich Risiken für Institute mit sich bringen, die sie angemessen handhaben müssen, um sicherzustellen, dass die Risiken für die Finanzstabilität minimiert werden. Hier soll die aufsichtsrechtliche Regulierung zu einer Minimierung von aufsichtsrechtlichen Risiken beitragen.
- weitere Harmonisierung der Aufsichtsbefugnisse und -instrumente: Ein weiterer Schwerpunkt ist die ordnungsgemäße Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften. Die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleisten zwar ein Mindestmaß an Harmonisierung, das Aufsichtsinstrumentarium und die Verfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden sich aber erheblich. Zudem ist problematisch, dass Drittlandzweigstellen nur zu einem sehr geringen Maß EU-weit harmonisiertem Recht unterliegen, was einerseits zu beträchtlichen Möglichkeiten zur aufsichtsrechtlichen Arbitrage und andererseits zu einer mangelnden Aufsicht und zu erhöhten Risiken für die Finanzstabilität in der EU führt. Den Aufsichtsbehörden fehlen häufig die Informationen und Befugnisse, die sie benötigen, um den Risiken zu begegnen. Das Fehlen einer detaillierten aufsichtsrechtlichen Berichterstattung und der unzureichende Informationsaustausch zwischen den Behörden, die für die Beaufsichtigung verschiedener Unternehmen/Tätigkeiten einer Drittlandgruppe zuständig sind, bereiteten dementsprechend bisher in der Praxis Probleme. Dem soll durch die Kommissionsvorschläge begegnet werden.
- Senkung der Verwaltungskosten der Institute im Zusammenhang mit der Offenlegung und Verbesserung des Zugangs zu den aufsichtsrechtlichen Daten der Institute: Die Kommissionsvorschläge sind nicht zuletzt notwendig, um die „Marktdisziplin“ weiter zu verbessern. Die derzeitigen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Zugang zu aufsichtlichen Informationen entziehen den Marktteilnehmern jene Informationen, die sie über die aufsichtsrechtliche Situation der Institute benötigen, was letztendlich die Wirksamkeit des aufsichtsrechtlichen Rahmens mindert und insbesondere in Stressphasen mögliche Zweifel an der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors aufkommen lässt. Aus diesem Grund zielen die Kommissionsvorschläge darauf ab, die Offenlegung aufsichtsrechtlicher Informationen zu zentralisieren, um den Zugang zu aufsichtsrechtlichen Daten und die Vergleichbarkeit innerhalb der Branche zu verbessern.
4. Ausgewählte Aspekte des CRR III-Entwurfes
Die wesentlichsten Änderungen durch die CRR III betreffen Regelungen über
- den Standardansatz für das Kreditrisiko,
- das Marktrisiko,
- die Anpassung der Kreditbewertung („CVA“),
- das operationelle Risiko,
- das ESG-Risiko und
- die Offenlegung.
Für die Praxis besonders relevant sind die geplanten Änderungen hinsichtlich des Standardansatzes für das Kreditrisiko. Der Standardansatz wird von den meisten Kreditinstituten in der EU verwendet, um die Eigenmittelanforderungen für ihre Kreditrisikopositionen zu berechnen. Die derzeit bestehenden Standardansatz-Regelungen erweisen sich allerdings nach Ansicht des EU-Gesetzgebers in einer Reihe von Bereichen als zu wenig risikosensitiv, was manchmal zu einer ungenauen oder unangemessenen Messung des Kreditrisikos (entweder zu hoch oder zu niedrig) und damit zu einer ungenauen oder unangemessenen Berechnung der Eigenmittelanforderungen führt.
Zahlreiche Anpassungen gibt es bei der Gewichtung der einzelnen Risikopositionen. Das soll beispielsweise betreffen:
- Risikoposition gegenüber Instituten mit Rating: Bei Risikopositionen mit einer Restlaufzeit von über drei Monaten soll das Risikogewicht der Bonitätsstufe 2 von 50% auf 30% herabgesenkt werden.
- Risikoposition gegenüber Instituten ohne Rating: Die Risikopositionen sollen in die Bonitätsstufen A, B und C unterteilt werden, wobei innerhalb der jeweiligen Bonitätsstufe zwischen Langzeit- und Kurzzeitrisikopositionen zu unterscheiden sein wird. Die Risikogewichtung soll sodann von 20% bei einer Kurzzeitrisikoposition in der Bonitätsstufe A bis zu 150% bei einer Langzeitrisikoposition in der Bonitätsstufe C reichen.
- Risikoposition gegenüber Unternehmen: Das Risikogewicht der Bonitätsstufe 3 soll von 100% auf 75% herabgesenkt werden.
- Risikopositionen im Zusammenhang mit Spezialfinanzierungen: Innerhalb der Risikopositionsklasse „Risikopositionen gegenüber Unternehmen“ sollen Institute separat Risikopositionen im Zusammenhang mit Spezialfinanzierungen ausweisen. Sofern eine Bonitätsbeurteilung eine Rating-Agentur („ECAI“) vorliegt, sollen bei einer Bonitätsstufe von 1 bis 5 die Risikogewichte 20%, 50%, 75%, 100% und 150% anzusetzen sein.
- Risikopositionen im Zusammenhang mit Grunderwerb, Entwicklungs- und Bauvorhaben: Diese neue Risikoposition soll grundsätzlich mit 150% zu gewichten sein. Unter gewissen Voraussetzungen soll auch eine Gewichtung von 100% ausreichen.
- Beteiligungsrisikopositionen: Beteiligungsrisikopositionen sollen zukünftig einem signifikant höheren Risikogewicht unterliegen. Grundsätzlich wird Beteiligungspositionen derzeit ein Risikogewicht von 100% zugewiesen, sofern sie nicht gemäß Art 128 CRR als Positionen mit besonders hohem Risiko behandelt werden müssen. Lediglich unter gewissen Voraussetzungen unterliegen Beteiligungsrisikopositionen einer Risikogewichtung von 250%. Gemäß dem neuen Art 133 CRR wird für eine Beteiligung an einem Unternehmen grundsätzlich ein Risikogewicht von 250% vorgesehen. Soweit es sich um eine spekulative Anlage (Haltedauer unter drei Jahren) oder ein Investment in eine Venture Capital Gesellschaft handelt, ist sogar ein Risikogewicht von 400% vorgesehen.
5. Kurzüberblick über den CRD VI-Entwurf
Mit der CRD VI sollen insbesondere
- die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden gestärkt,
- die Befugnisse der Aufsichtsbehörden und die Fit & Proper-Anforderungen erweitert,
- die ESG-Vorschriften ergänzt und an die aktuellen Herausforderungen angepasst und
- die Anforderungen an Zweigniederlassungen von Kreditinstituten aus Drittstaaten stärker harmonisiert werden.
Besonders zu erwähnen sind die geplanten Änderungen im Zusammenhang mit den Fit & Proper-Anforderungen. Grund für die geplante Erweiterung der Fit & Proper-Anforderungen ist nach Ansicht des EU-Gesetzgebers, dass der Rahmen für Fit & Proper-Anforderungen einer der am wenigsten harmonisierten Bereiche des EU-Bankenaufsichtsrechts. Damit soll eine kohärentere, effizientere und wirksamere Beaufsichtigung der Mitglieder des Leitungsorgans und der Inhaber von Schlüsselfunktionen gewährleistet werden.
Daher sollen zusätzlich zu den bereits bestehenden Anforderungen an die fachliche Eignung weitere Regelungen zur Überprüfung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans durch die Institute und die zuständigen Behörden eingeführt werden. Zudem sollen erstmals Mindestanforderungen für Inhaber von Schlüsselfunktionen, also solchen Personen, die maßgeblichen Einfluss auf die Institutsleitung haben, aber nicht Mitglied des Leitungsorgans sind, vorgesehen werden.
6. Inkrafttreten
Da die Kommissionsvorschläge erst am Beginn der europäischen Gesetzgebungsverfahrens stehen, erwartet die Europäische Kommission, dass ihre Vorschläge frühestens 2023 in Kraft treten werden.