Urlaubsvereinbarung auch bei Dienstfreistellung notwendig
Urlaub ist als bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zu Erholungszwecken definiert. Der konkrete Verbrauch des Urlaubs ist im Einvernehmen zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber zu vereinbaren. Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigte sich bereits mehrmals mit dem Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist bzw. der Dienstfreistellung.
In einer aktuellen Entscheidung (OGH 24.03.2021, 9 ObA21/21k) ging es um die Frage, ob eine Dienstnehmerin zum Verbrauch ihres Urlaubsanspruchs während der Dienstfreistellung auch ohne Urlaubsvereinbarung verpflichtet war. Die Klägerin stand vom 1.5.2019 bis 30.4.2020 in einem befristeten Dienstverhältnis zur Beklagten. Sie wurde aber ab 4.12.2019 für knapp 5 Monate vom Dienst freigestellt. Nachdem die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch 14 unverbrauchte Urlaubstage hatte, wurde ihr durch den Dienstgeber angeboten, diese während der Dienstfreistellung zu verbrauchen. Die Klägerin lehnte dieses Angebot ab, und begehrte mit ihrer Klage die Zahlung der Urlaubsersatzleistung für die 14 Tage.
Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsansicht teilten die Ansicht der Klägerin und gaben dem Klagebegehren auf Zahlung der Urlaubsersatzleistung im Ausmaß von 14 Tagen statt. Der OGH bestätigte diese Rechtsansicht, indem er die außerordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückwies.
Der Ansicht des OGH zufolge besteht nämlich bereits nach ständiger Rechtsprechung keine Obliegenheit des Dienstnehmers, den Urlaub während einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen. Eine solche Obliegenheit kann sich insbesondere nur im Fall einer Verletzung der Treuepflicht oder eines Rechtsmissbrauchs ergeben. Dabei hat zwischen den Interessen des Dienstnehmers und des Dienstgebers eine Interessenabwägung stattzufinden. Ein Rechtsmissbrauch ist nur dann anzunehmen, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten Interessen und den beeinträchtigten Interessen ein krasses Missverhältnis herrscht. Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtbeurteilung sind die Dauer der Freistellung, die Anzahl der Urlaubstage, das Verhalten des Dienstnehmers während der Freistellung, die Erholungsmöglichkeit des Dienstnehmers und das Urlaubsverhalten in der Vergangenheit einzubeziehen.
Im konkreten Fall erkannte der OGH kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin. Er berücksichtigte im Zuge der Gesamtbeurteilung vor allem, das betreuungs- und schulpflichtige Kind der Klägerin und die massiv eingeschränkte Urlaubsgestaltung wegen des in der Zeit der Dienstfreistellung eingesetzten ersten „Lockdowns“. Der Klägerin gebührte daher die volle Urlaubsersatzleistung.
Zusammengefasst wird ein rechtsmissbräuchliches Verhalten erst bei einem krassen Missverhältnis zwischen den Interessen des Dienstnehmers und des Dienstgebers angenommen. Darüber hinaus muss der Dienstgeber den Rechtsmissbrauch und damit auch die Erholungsmöglichkeit des Dienstnehmers beweisen – was in der Praxis oft schwierig sein wird. Daher ist es ratsam, nicht wie im vorliegenden Fall zuerst die Dienstfreistellung auszusprechen und erst dann dem Dienstnehmer den Verbrauch des Urlaubs anzubieten, sondern die Dienstfreistellung vom Abschluss einer Urlaubsvereinbarung abhängig zu machen.
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