Besonderer Kündigungsschutz bei Elternteilzeit – Einhaltung der Formerfordernisse für Beginn des besonderen Schutzes erforderlich
Arbeitnehmer*innen in Elternteilzeit genießen einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser besondere Schutz beginnt mit der Bekanntgabe, Elternteilzeit in Anspruch nehmen zu wollen, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung. Die Frage, ob für diese Bekanntgabe die gesetzlich vorgesehenen Formvorschriften einzuhalten sind, oder die bloße Willensbekundung in Elternteilzeit gehen zu wollen ausreicht, um den besonderen Kündigungsschutz auszulösen, behandelte der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung (OGH 31.08.2022, 9 ObA 92/22b).
Ein Arbeitnehmer wandte sich am 2. August 2021 mit dem Wunsch, in Elternteilzeit gehen zu wollen, an seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Dieser erwiderte ihm, er könne sich aufgrund eines laufenden größeren Projektes nicht vorstellen, dass eine Arbeitszeitreduktion bei ihm möglich sei und verwies ihn mit seinem Anliegen an die HR-Abteilung des Unternehmens. Am selben oder darauffolgenden Tag übermittelte der Arbeitnehmer daher sowohl seinem unmittelbaren Vorgesetzten als auch dem stellvertretenden Leiter der HR-Abteilung eine Outlook-Termineinladung, in der er anmerkte, dass er beabsichtige in Elternteilzeit zu gehen und dieser Termin zur weiteren Abstimmung dienen solle. Eine detailliertere Beschreibung der gewünschten Elternteilzeitbeschäftigung erfolgte nicht. Nur kurze Zeit später, am 6. August 2021, sprach der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitnehmers aus. Der Arbeitnehmer brachte daraufhin unter anderem eine Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, mit dem Hinweis auf den aus seiner Sicht bereits bestehenden besonderen Kündigungsschutz, bei Gericht ein.
Gemäß § 8b Abs 4 VKG haben Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn einer Elternteilzeit schriftlich mitzuteilen.
Auf Grund des klaren Wortlautes des Gesetzes hielt der OGH in seiner Entscheidung fest, dass Arbeitnehmern, die diese Formerfordernisse nicht einhalten, der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz noch nicht zukomme. Die strengen Formerfordernisse sollen einerseits dem*der Arbeitgeber*in eine ausreichende Entscheidungs- und Dispositionsgrundlage geben. Andererseits seien sie vor allem auch für die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Arbeitnehmers erforderlich, da dieser die von ihm vorgeschlagene Teilzeitbeschäftigung zu den von ihm gemäß § 8b Abs 4 VKG angegebenen Modalitäten antreten könne, wenn der*die Arbeitgeber*in dagegen nicht einen der im Gesetz vorgesehenen verfahrensrechtlichen Schritte vornehme.
Auch die zum Mutterschutzgesetz bestehende Rechtsprechung, dass auch ein mündlich gestelltes Teilzeitbeschäftigungsbegehren trotz Schriftlichkeitsgebot wirksam sein könne, stehe dem nicht entgegen. Der Kündigungsschutz komme in einem solchen Falle nämlich nur dann zum Tragen, wenn sich der*die Arbeitgeber*in auf Verhandlungen über dieses Begehren einlasse und es in der Folge zu einer Vereinbarung über die Teilzeit komme. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.
In seiner Entscheidung betont der OGH im Hinblick auf den unter Umständen dennoch bestehenden Kündigungsschutz, dass dem Arbeitnehmer (wie er es auch eventualiter tat) eine Anfechtungsklage wegen Motivwidrigkeit oder nach dem Gleichbehandlungsgesetz zur Verfügung stehe, auch wenn der besondere Kündigungsschutz noch keine Anwendung finde.
Für die Praxis bedeutet dies, dass der im Zusammenhang mit Elternkarenz gebührende besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz grundsätzlich erst beginnt, wenn der*die Arbeitnehmer*in dem*r Arbeitgeber*in sowohl Beginn, Dauer, Ausmaß als auch Lage der Teilzeitbeschäftigung bekannt gibt. Dies ist jedoch kein Freibrief, Arbeitnehmer*innen in derartigen Fällen kündigen zu können, da Kündigungen, deren Grund in der Bekanntgabe Elternteilzeit in Anspruch nehmen zu wollen liegt, regelmäßig erfolgreich anfechtbar sein werden (sofern alle weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme vorliegen). Hilfreich ist diese Klarstellung jedoch für jene Fälle, wo der Grund für die Beendigung zeitlich vor der Bekanntgabe des Elternteilzeitwunsches liegt, sofern dies ausreichend belegt werden kann.