Das Europäische Chip-Gesetz – ein Game Changer?
Am 8. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Europäisches Chip Gesetz vorgestellt. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, nannte den Gesetzesvorschlag einen „Game Changer“, der es der EU ermöglichen soll bis 2030 ihren Anteil an der Weltproduktion von Halbleitern von 10% auf 20% zu verdoppeln. Der Gesetzesvorschlag soll EUR 43 Mrd. in Form von öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren, um die Versorgungssicherheit und Resilienz der EU im Bereich der Halbleitertechnologien zu sichern. Im weiteren Sinne soll der Vorschlag auch ein wesentlicher Schritt im globalen Technologiewettlauf sein.
Halbleiter als digitale Schlüsseltechnologie der Zukunft
Halbleiter sind wesentliche Bestandteile digitaler und digitalisierter Produkte und von strategischer Bedeutung für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten. Mit dem digitalen Wandel entstehen neben den bestehenden Märkten (Rechenzentren, Mobiltelefone oder Unterhaltungselektronik) neue Märkte für die Halbleiterindustrie, wie hochautomatisierte Fahrzeuge, Internet der Dinge oder 5G- und 6G-Konnektivität. Der Wert des weltweiten Halbleitermarkts belief sich 2021 auf rund USD 550 Mrd. und wird bis 2030 voraussichtlich mehr als USD 1 Billion betragen.
Seit Beginn der Pandemie 2020 stehen Europa und andere Regionen der Welt vor bedeutsamen Versorgungsproblemen bei Halbleitern. Die Herstellung von Halbleitern erfolgt in einer globalen und in einigen Segmenten übermäßig konzentrierten Lieferkette. Im Falle einer Unterbrechung könnten die europäischen Halbleiterreserven in einigen Industriezweigen, wie beispielsweise der Automobilindustrie, innerhalb weniger Wochen erschöpft sein und zur Einstellung der Produktion führen. Mit dem Europäischen Chip-Gesetz möchte die EU künftigen Krisen entgegenwirken und das Halbleiter-Ökosystem in Europa stärken.
Das Europäische Chip-Gesetz
Das Europäische Chip-Gesetz stützt sich auf drei Fundamente:
- Die Initiative „Chips für Europa“ soll bestehende Ressourcen der Union und der Mitgliedstaaten bündeln sowie zusätzliche Investitionen privater Anleger anregen, um folgende Ziele zu erreichen:
- Ausbau der industriellen Forschungstätigkeiten, insbesondere im Bereich der Quantentechnik;
- Aufbau von Pilot- und Prüfanlagen für Prototypen und innovative Anwendungen neuester Halbleitertechnologien;
- Aufbau einer Großproduktion für integrierte Halbleitertechnologien;
- Entwicklung gemeinsamer Normen und einer Zertifizierung für vertrauenswürdige Elektronik;
- Aufbau eines dynamischen Halbleiter-Ökosystems durch Förderung der Zusammenarbeit von Industrie und Universitäten, insbesondere um Fachkräfte auszubilden und technisches Fachwissen zu erlangen;
- Zugang zu Finanzmitteln erleichtern, insbesondere sollen über einen neu eingerichteten Risikokapitalfond („Chip‑Fond“) Start-ups und KMU unterstützt werden.
- Die Versorgungssicherheit mit Halbleitern soll gewährleistet sein. Das Europäische Chip-Gesetz ermöglicht Unternehmen, die die Errichtung von neuartigen und innovativen Fertigungsanlagen planen, bei der EU-Kommission eine Bewerbung einzureichen. Die EU-Kommission und das dafür neu errichtete europäische Halbleitergremium prüfen u.a., ob eine „neuartige“ Fertigungsstätte vorliegt, ob diese zur Versorgungssicherheit von Halbleitern beiträgt und damit im öffentlichen Interesse ist und ob ein erfolgsversprechender Businessplan vorliegt. Die erfolgreiche Bewerbung ermöglicht beschleunigte nationale Genehmigungsverfahren und einen bevorzugten Zugang zu Pilotanlagen, die im Rahmen der Initiative für „Chips für Europa“ errichtet werden. Die Verfahren für die Anerkennung der Bewerbungen und etwaige Verfahren zur Genehmigung staatlicher Beihilfen laufen parallel und werden von der Kommissionsdienststelle koordiniert.
- Das europäische Halbleitergremium soll die Halbleiter-Wertschöpfungskette überwachen und zu diesem Zweck Schlüsselinformationen von Unternehmen sammeln, sowie eine koordinierte Risikobewertung und gegebenenfalls eine rasche und gemeinsame Reaktion der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission sicherstellen.
Ausblick und nächste Schritte
Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten werden nun den Vorschlag der EU-Kommission für ein Europäisches Chip-Gesetz im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren behandeln. Sobald die Verordnung verabschiedet ist, wird sie unmittelbar in der gesamten EU gelten. Dies würde Unternehmen der Halbleiterindustrie große Möglichkeiten in der EU eröffnen. Die entsprechenden Unternehmen sollten daher ihre Lieferketten und Investitionsstrategien überprüfen, und ermitteln, wie sie das vorgeschlagene Maßnahmenpaket am besten nutzen können.
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