Markenanmeldungen für die „virtual reality“
Jetzt ist es passiert: Die virtuelle Welt hat nun auch die Welt der Markenanmeldungen erreicht.
Das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) reagiert auf die steigende Anzahl von Markenanmeldungen mit Bezug zu virtuellen Waren und steuert mit Überlegungen zur Einordnung von virtuellen Waren der „brave new world“ entgegen.
Bei jeder Markenmeldung muss der sachliche Schutzumfang einer Marke durch das sogenannte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis festgelegt werden. Diese systematische Zuordnung dient der Abgrenzung zu anderen Marken und erfolgt im System der sogenannten Nizzaer-Klassifikation. Diese beinhaltet 45 Klassen und deckt damit ein breites Spektrum an Waren und Dienstleistungen ab. Zum Beispiel wurde die Marke „Advokat“ unter anderem für „Software, insbesondere für Rechtsanwaltskanzleien;“ in Klasse 9 registriert. Soweit die Praxis in der realen Welt.
Virtuelle Waren werden vom EUIPO als „digitale Inhalte“ oder entsprechend als „digitale Bilder“ behandelt. Damit sind sie in Klasse 9 der Nizzaer Klassifikation zu registrieren. Allerdings muss eine Spezifizierung hinsichtlich der Waren erfolgen, die die betroffene virtuelle Ware per se beschreibt. Zum Beispiel würde der Begriff „herunterladbare virtuelle Waren, nämlich virtuelle Handtaschen“ vom EUIPO akzeptiert werden. Damit setzt das EUIPO auf eine bereits bekannte Vorgehensweise der Spezifizierung, erstreckt sie auf neues noch unbekanntes Terrain. Ein erster Schritt ist damit getan, dass auch die virtuelle Welt kein (marken-)rechtsfreier Raum bleibt.
Auch für NFTs (non fungible tokens) wurde diese Vorgangsweise gewählt. Das EUIPO qualifiziert NFTs als einzigartige digitale Zertifikate, die in einer Blockchain hinterlegt sind. Der Begriff „NFT“ allein ist gemäß der Sichtweise des EUIPO zu vage und muss mit einer Beschreibung des digitalen Artikels spezifiziert werden. Das sperrig wirkende Warenverzeichnis der Anmeldung der Unionsmarke „Gucci“ in Klasse 9 ist dafür ein Beispiel. „Downloadable virtual goods namely computer programs featuring perfumes, home fragrances, cosmetics, make up products, games and toys, vehicles, and downloadable virtual assets, namely real estate, lands, all of them being for use in online virtual environments including in online games also being authenticated by non fungible tokens (NFTs);“ lässt eingefleischte Literaten ob der fehlenden Eleganz zwar erschaudern, zeigt aber einen Weg in die unmittelbare Zukunft der Warenverzeichnisse von Marken auf.
Spannend bleibt auch noch, in welchem Verhältnis virtuelle zu realen Produkten in den administrativen Verfahren des EUIPO gesehen werden, etwa bei Widersprüchen, Benutzungsnachweisen und ähnlichen Verfahren. Zweifelsohne wird die Zukunft in diesem Zusammenhang sowohl für das EUIPO als auch für die MarkeninhaberInnen neue Herausforderungen mit sich bringen. Die Sehnsucht des Menschen nach Zuordenbarkeit der Dinge (in Form von Marken) und nach einer Einzigartigkeit von Produkten (in Form von NFTs) wird wohl bleiben. Egal ob virtuell oder real.
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