Schadenersatzpflicht des ehemaligen Arbeitgebers wegen vereitelter Erwerbschance und Schadensminderungspflicht des gekündigten Geschäftsführers
Im vorliegenden Fall kündigte ein Arbeitgeber einen Geschäftsführer nach 18 Jahren Beschäftigungsdauer. Zudem verfasste der (ehemalige) Arbeitgeber ein negatives Schreiben an einen potenziellen neuen Arbeitgeber, was dazu führte, dass der spätere Kläger eine bereits verhandelte Position als Geschäftsführer dort nicht erhielt. Der ehemalige Arbeitnehmer begehrte daraufhin aus dem Titel des Schadenersatzes einerseits die Differenz zwischen dem von ihm ins Verdienen gebrachten Einkommen und dem, das er als Geschäftsführer von 15. August 2017 bis 30. April 2018 hätte lukrieren können sowie andererseits die Feststellung der Haftung des ehemaligen Arbeitgebers für zukünftige Schäden, die er durch dessen Schreiben erleiden wird (Oberster Gerichtshof (OGH) 31.08.2022, 9 ObA 31/22g).
Laut der ständigen Rechtsprechung des OGH sind ehemalige Arbeitgeber*innen aufgrund ihrer nachvertraglichen Fürsorgepflicht grundsätzlich auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmern*innen keine Nachteile entstehen. Diese Verpflichtung besteht vor allem im Zusammenhang mit Auskünften gegenüber potenziellen neuen Arbeitgebern*innen. Gemäß dem OGH kann aus vielen gesetzlichen Bestimmungen die Wertung des Gesetzgebers abgeleitet werden, wonach er das Interesse am weiteren Fortkommen des*der früheren Arbeitnehmers*in als schutzwürdig erachtet und den*die ehemalige*n Arbeitgeber*in daher grundsätzlich die Verpflichtung trifft, sich nicht negativ über frühere Arbeitnehmer*innen zu äußern (OGH 17.12.2019, 9 ObA 116/19b; OGH 30.04.2012, 9 ObA 56/11t; OGH 07.02.2008, 9 ObA 104/07w).
Ferner wurde vom OGH bereits in einer Entscheidung bejaht, dass sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers*in gegenüber seinem*r Arbeitnehmer*in auch auf dessen vermögensrechtliche Interessen erstreckt. Verletzt der*die Arbeitgeber*in diese Verpflichtung schuldhaft und entsteht dem*der Arbeitnehmer*in dadurch ein Schaden, so kann diese*r Schadenersatzansprüche geltend machen (OGH 17.12.2019, 9 ObA 116/19b).
Im vorliegenden Fall wurde bereits im ersten Rechtsgang das Zahlungsbegehren als dem Grunde nach berechtigt festgestellt und dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Im zweiten Rechtsgang beschäftigte sich der OGH damit, welchen Nachweis der ehemalige Arbeitgeber als Schädiger zu erbringen hätte, um dem Arbeitnehmer eine Unterlassung der Schadensminderungspflicht in solchen Konstellationen vorwerfen zu können. Der OGH stellte klar, dass der reine Nachweis des Vorhandenseins von freien Stellen am Markt dafür nicht ausreichend sei. Vielmehr hätte der ehemalige Arbeitgeber nachzuweisen gehabt, welches Verhalten dem ehemaligen Arbeitnehmer konkret vorzuwerfen sei, das ein verständiger Durchschnittsmensch in seiner Position gesetzt hätte und das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einem angemessenen Zeitraum zu einer adäquaten Anstellung geführt hätte. Dem ehemaligen Arbeitgeber sei es im Verfahren nicht gelungen, die vom Kläger schuldhaft unterlassenen konkreten Maßnahmen darzulegen.
Für die Praxis ergibt sich aus dieser Entscheidung, dass negative Auskünfte gegenüber zukünftigen Arbeitgebern*innen zu Schadenersatzansprüchen des*r ehemaligen Arbeitnehmers*in führen können. Eine Reduktion des Schadens durch Nachweis der Unterlassung von Schadensminderungspflichten kann an der Beweislast des Schädigers (ehemalige*n Arbeitgeber*in) scheitern, da er bestimmte Maßnahmen behaupten und beweisen muss, die objektiv zumutbar gewesen wären und der Geschädigte (ehemalige*r Arbeitnehmer*in) schuldhaft nicht ergriffen hat.