Verlust des Entgeltanspruchs bei leicht fahrlässig verschuldeter Heimquarantäne
Arbeitnehmer*innen behalten den Entgeltanspruch im Fall einer Dienstverhinderung aus persönlichen Gründen nur in Fällen, in denen diese ohne ihr Verschulden eingetreten ist. Das Verhalten eines Arbeitnehmers, der sich in verpflichtende selbstüberwachte Heimquarantäne begeben musste, weil er sich weder zum Zeitpunkt des Antritts seiner Ausreise aus Österreich noch während seines Aufenthalts in Ungarn mit den geltenden Einreisebestimmungen auseinandersetzte, ist als leicht fahrlässig verschuldet anzusehen. Daher steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung während der Heimquarantäne zu.
Im vorliegenden Fall (Oberste Gerichtshof (OGH) vom 17.02.2022, 9 ObA 153/21x) teilte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer*innen am 18. März 2020 mit, dass sie vorerst zu Hause bleiben sollten, da nicht sicher sei, ob auf der Baustelle weitergearbeitet werden könne. Am darauffolgenden Tag reiste der als Monteur beschäftigte Arbeitnehmer mit seiner Familie nach Ungarn, um Urlaub zu machen.
Die damalig geltenden Einreiseregelungen sahen für die Einreise aus bestimmten Ländern vor, dass ein (nicht älter als 4 Tage altes) ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand und ein negativer molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bei Einreise vorzuweisen sei. Zudem konnten Personen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich einreisen, wenn sie sich zu einer unverzüglich anzutretenden 14-tägigen selbstüberwachten Heimquarantäne verpflichten. Diese Einreiseregelung galt zuerst für die Einreise aus Italien und wurde am 13. März2020 auf die Länder Schweiz und Liechtenstein und mit Verordnung vom 18. März 2020 (in Kraft getreten am 20. März 2020) auf die Länder Deutschland, Ungarn und Slowenien ausgedehnt.
Als der Arbeitnehmer am 29. März 2020 aus Ungarn nach Österreich zurückkam, musste er sich – mangels ärztlichen Zeugnisses und negativem Test – 14 Tage in selbstüberwachte Heimquarantäne begeben. Der Arbeitgeber stellte die Zahlung des Entgelts für diesen Zeitraum (8 Arbeitstage) ein, welches der Arbeitnehmer im gegenständlichen Verfahren einforderte.
Bei der Beurteilung, ob dem Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 1154b Abs 5 ABGB zusteht, kommt es unter anderem darauf an, ob die Dienstverhinderung ohne Verschulden verursacht wurde, wobei bereits leichte Fahrlässigkeit den Entgeltanspruch ausschließt. Leichte Fahrlässigkeit liegt nach dem OGH vor, wenn der Arbeitnehmer die notwendige Sorgfalt außer Acht lässt und nicht alle ihm zumutbaren Vorkehrungen trifft, um ein pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Zudem entspreche es laut OGH der herrschenden Rechtsprechung, dass jedermann verpflichtet sei, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen. Die Verletzung dieser Pflicht führe zu einem Verschuldensvorwurf, wenn die Rechtskenntnis in zumutbarer Weise erlangt werden könne.
Die Vorinstanzen entschieden, dass der Arbeitnehmer die Dienstverhinderung leicht fahrlässig verursachte, weil er sich weder zum Zeitpunkt des Antritts der Ausreise aus Österreich noch während seines Aufenthalts in Ungarn mit den entsprechenden Einreisebestimmungen auseinandersetzte. Die Verpflichtung bestand unter anderem deshalb, weil aufgrund des damaligen Pandemiegeschehens mit Einreisebeschränkungen zu rechnen war. Der OGH bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen und führte noch aus, dass auch der Umstand, dass die Einreisebestimmung im Zeitpunkt der Ausreise noch nicht in Kraft stand, die Informationspflicht des Arbeitnehmers nicht entkräftet.
Für die Praxis zeigt sich, dass die Rechtsprechung einen durchaus strengen Maßstab an den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 1154b Abs 5 ABGB anlegt.