Anwendung von kurzen Verjährungsfristen bei Verstoß gegen das Einlagenrückgewährverbot
1. Ausgangslage
1.1
In jüngster Vergangenheit musste sich der OGH bereits mehrmals mit zum Nachteil einer Kapitalgesellschaft ausgestalteten Mietverträgen auseinandersetzten. Dabei vermietete häufig ein Gesellschafter ein Bestandobjekt an eine Kapitalgesellschaft zu einem nicht fremdvergleichsfähigen, überhöhten Mietzins.1 Die Mietverträge stellten folglich ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr dar. In der vorliegenden Entscheidung2 räumte eine GmbH einem Gesellschafter ein unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an ihrer Liegenschaft ein. Im Zuge eines Gesellschafterwechsels entstanden Streitigkeiten über das Wohnungsgebrauchsrecht, welches der OGH wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr für nichtig erklärte und ferner den Gesellschafter zur Räumung des Objekts verpflichtete.
1.2
Dieser Beitrag beinhaltet einen kurzen Überblick zur Verjährungsfrage über Rückersatzansprüche einer GmbH, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr iZm einem unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrecht eines GmbH-Gesellschafters.
2. Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG
2.1
Der Rückersatzanspruch gemäß § 83 Abs 1 GmbHG wegen eines Verstoßes gegen das Einlagenrückgewährverbot, verjährt grundsätzlich gemäß Abs 5 innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Empfangs der widerrechtlichen Leistung. Bei positiver Kenntnis des Ersatzpflichtigen über die Widerrechtlichkeit gilt die Regelfrist jedoch nicht. In diesem Fall führt die positive Kenntnis der Widerrechtlichkeit zur Anwendung der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 1478 ABGB. Die grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit reicht für eine Verlängerung der Verjährungsfrist jedoch nicht aus. Die Beweispflicht für das Vorliegen der Voraussetzung der langen Verjährungsfrist trifft die Gesellschaft.3
3. Entscheidung des OGH vom 18.11.2022, 6 Ob 112/22x
3.1
In Übereinstimmung mit Punkt 2.1. hält der OGH in der Entscheidung 6 Ob 112/22x vom 18.11.2022 fest, dass Rückersatzansprüche aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 83 Abs 5 GmbHG innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der widerrechtlichen Leistung an den Gesellschafter verjähren.4 Bei positiver Kenntnis des Gesellschafters von der Widerrechtlichkeit gilt die allgemeine, lange Verjährungsfrist von 30 Jahren. Die grob fährlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit reicht jedoch nicht für die Verlängerung der Verjährungsfrist.5
3.2
Bereits in mehreren Entscheidungen spricht der OGH allgemein aus, dass aufgrund der gebotenen selbständigen verjährungsrechtlichen Beurteilung der konkurrierenden Anspruchsgrundlagen, die lange Verjährungsfrist von 30 Jahren auf Kondiktionen, welche auf Rückerforderung einer verbotswidrigen Leistung gerichtete sind, zur Anwendung gelangt. Es geht jedoch nicht hervor, dass im Fall eines Rückforderungsanspruchs nach § 83 GmbHG die besondere Verjährungsbestimmung nach § 83 Abs 5 GmbHG lediglich mit der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB konkurriert.6 Es ist daher stehts zu prüfen, ob der in Frage stehende Rückersatzanspruch unter einen besonderen Tatbestand fällt, welcher eine kürzere Verjährungsfrist, insbesondere als die der § 83 Abs 5 GmbHG vorsieht. Dabei kommen nicht nur Bestimmungen in Frage, die ausdrücklich die Verjährung bestimmter Ansprüche besonders regeln, sondern auch die analoge Anwendung solcher Vorschriften.7 Entsprechend den in Deutschland anerkannten Grundsätzen, ist die Verjährung analog nach der Art des Anspruchs, an dessen Stelle die Kondiktion tritt, zu beurteilen.8
3.3
Für bestimmte Forderungsgruppen normiert § 1486 ABGB eine besondere Verjährungsfrist von drei Jahren, deren Anwendung auch gegenüber privilegierten Personen gilt. Die Aufzählung der konkreten Forderungen ist nach hA taxativ.9 Für Forderungen von Miet- und Pachtzinsen sieht § 1486 Z 4 ABGB die dreijährige Verjährungsfrist vor. In der Rsp besteht jedoch eine von der Lehre gebilligte, klare Tendenz, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB auch auf Bereicherungsansprüche zu erstrecken, welche funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten. Folglich ist auf Kondiktionsansprüche aus einem solchen ungültigen Rechtsgeschäft die kurze Verjährungsfrist anzuwenden.10 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen haben diese Erwägungen auch in Bezug auf Z 4 zu gelten, welche grundsätzlich nur vertragliche Vergütungsansprüche erfasst.11 Da eine Gebrauchsüberlassung naturgemäß nicht in natura „rückerstattet“ werden kann, stellt das von der Gesellschaft geforderte Benützungsentgelt wirtschaftlich das Äquivalent einer angemessenen vertraglichen Vergütung für die erfolgte Nutzung der Wohnung dar.12 Das begehrte Entgelt übernimmt die Funktion eines gebotenen vertraglichen Erfüllungsanspruchs. Ausschlaggebend ist, dass die gebotene Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften ein fremdübliches Austauschgeschäft erfordert hätte und das nunmehr begehrte Entgelt somit die Funktion eines gebotenen vertraglichen Erfüllungsanspruchs übernimmt.13 Folglich erfasst § 1486 ABGB nicht nur Ansprüche seines unmittelbaren Anwendungsbereichs, sondern auch Ansprüche aus Zahlung der Differenz zwischen dem bezahlten und angemessenen Entgelt.14
3.4
Die Gebrauchsüberlassung der Wohnung zugunsten des Gesellschafters stellt eine bewusste und zweckgerichtete Vermögenszuwendung seitens der Gesellschaft dar. Folglich ist der Rückforderungsanspruch aus einer, wenn auch nichtigen, Nutzungsvereinbarung zwingend als Leistungskondiktion gemäß § 877 ABGB analog zu qualifizieren. Die Anwendung des Verwendungsanspruch gemäß § 1041 ABGB kommt nicht in Betracht.15
4. Zusammenfassung
4.1
Es ist empfehlenswert zu prüfen, ob der in Frage stehende Rückersatzanspruch gemäß § 83 GmbHG unter einen besonderen Tatbestand fällt, welcher eine kürzere Verjährungsfrist vorsieht. Dabei kommen nicht nur Bestimmungen in Betracht, die ausdrücklich die Verjährung bestimmter Ansprüche besonders regeln, sondern auch die analoge Anwendung solcher Vorschriften.16
4.2
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Kondiktionsansprüche aus der titellosen Benützung einer Liegenschaft gemäß § 877 ABGB analog ableiten lassen und die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 Z 4 ABGB sinngemäß anzuwenden ist.17
1Striessnig, Das Einlagenrückgewährverbot und die Verjährung bei Mietverträgen, GesRZ 2016, 266.
2 OGH 18.11.2022, 6 Ob 112/22x.
3 Bauer/Zehetner in WK GmbHG § 83 Rz 47f; Auer in Gruber/Harrer, GmbHG2 (2018) § 83 Rz 25.
4 Bauer/Zehetner in WK GmbHG § 83 Rz 46; Foglar-Deinhardstein, GmbHG § 83 Rz 22; OGH 6 Ob 112/22x Rz 12.
5Bauer/Zehetner in WK GmbHG § 83 Rz 47; Foglar-Deinhardstein, GmbHG § 83 Rz 22.
6 OGH 6 Ob 112/22x Rz 20.
7 OGH 6 Ob 112/22x Rz 21.
8 OGH 6 Ob 112/22x Rz 22.
9 R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1486 Rz 3 (Stand 1.1.2022, rdb.at).
10 OGH 6 Ob 112/22x Rz 23.
11 OGH 6 Ob 112/22x Rz 24.
12 OGH 6 Ob 112/22x Rz 25f.
13 OGH 6 Ob 112/22x Rz 29.
14 OGH 6 Ob 112/22x Rz 37.
15 OGH 6 Ob 112/22x Rz 17, 18, 33.
16 OGH 6 Ob 112/22x Rz 21.
17 OGH 6 Ob 112/22x Rz 39.
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