Kein einklagbares Recht auf Beschäftigung im Theaterarbeitsgesetz
In einer aktuellen Entscheidung befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH vom 23.02.2023, 8ObA94/22i) erstmals mit der Frage der Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung nach dem Theaterarbeitsgesetz (TAG). Ein Musiker im aufrechten Arbeitsverhältnis hatte auf angemessene Beschäftigung geklagt, nachdem er zuvor bereits längere Zeit nicht mehr im Orchester eingesetzt wurde und auch die Teilnahme an Proben nicht möglich war. Das TAG sieht vor, dass ein*e Theaterunternehmer*in verpflichtet ist, das Mitglied (i.e. den*die Arbeitnehmer*in) angemessen zu beschäftigen. In puncto Durchsetzbarkeit dieses Rechts auf Beschäftigung wurden in der Literatur bis dato unterschiedliche Meinungen vertreten. Der OGH folgte in der Entscheidung der überwiegenden Literaturmeinung und erteilte der unmittelbaren Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung eine Absage. Das Höchstgericht stützte sich in seiner Begründung unter anderem auf die im Grundrechtskatalog verankerte Kunstfreiheit.
Das Theaterarbeitsgesetz (TAG) sieht mit dem darin normierten Recht auf angemessene Beschäftigung einen dem Arbeitsrecht grundsätzlich fremden Anspruch vor. Es gibt nämlich grundsätzlich – bis auf einige wenige Ausnahmen – im Arbeitsrecht kein gesetzlich normiertes Recht auf Beschäftigung.
Hintergrund dieser Sonderregelung im TAG ist, das Fortkommen und den Ruf der Arbeitnehmer*innen (Künstler*innen) nicht zu schädigen, da diese besonders von der aktiven Ausübung der Tätigkeit abhängen.
Während der Kläger aus der Literatur einen (klagbaren) Erfüllungsanspruch aus der Norm ableitete, vertrat die Beklagte die Ansicht, dass im Fall einer Pflichtverletzung ausschließlich die im TAG explizit vorgesehenen Rechtsfolgen (i.e. Vertragsauflösung sowie Vergütungs- und Schadenersatzanspruch) zur Anwendung gelangen. Die Auswahl der Bühnenmitglieder sei zudem eine Entscheidung des*der Dirigenten*in, die dem Schutz der Kunstfreiheit nach Art 17a StGG unterliege. Das Bühnenmitglied solle daher im Regelfall eine konkrete Rolle nicht durch ein Gerichtsurteil erlangen können. Diesem Argument hielt der Kläger entgegen, dass er als Arbeitnehmer von seinem*er Vertragspartner*in allgemein die Erfüllung seiner*ihrer Pflicht – nämlich die Beschäftigung – verlangen könne, und zwar neben den im TAG vorgesehenen Rechtsfolgen, ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Regelung bedürfe.
Der OGH zog zur Beantwortung dieser Rechtsfrage eine Entscheidung aus dem Jahr 2007 (OGH 01.02.2007, 9ObA121/06v) betreffend das Recht auf Beschäftigung eines Profifußballspielers heran. Darin entschied das Höchstgericht, dass eine Aufnahme in die Kampfmannschaft nicht nur von den fußballerischen Leistungen des Spielers, sondern auch von den sportlichen Überlegungen der Vereinsleitung abhänge und dass dieser weitestgehende Autonomie in der Wahl der Taktik sowie der Mannschaftsaufstellung zukommen müsse, sodass das Recht des Berufsfußballspielers auf Beschäftigung in diesem Sinne einzuschränken sei.
Angelehnt an diese Entscheidung entschied der OGH auch im gegenständlichen Verfahren, dass selbst wenn kein wichtiger Grund vorliege und ein Mitglied die für die Aufführung notwendigen Fähigkeiten besitze, eine Beschäftigung aus künstlerischen Gründen vom Dirigenten abgelehnt werden könne. Hätte der Gesetzgeber die Auswahl der an der Aufführung mitwirkenden Mitglieder von einer Gerichtsentscheidung abhängig machen wollen, so wäre dies unter Bedachtnahme auf die Kunstfreiheit iSd StGG ausdrücklich zu normieren gewesen. Die rechtliche Ausgestaltung des Rechts auf Beschäftigung im TAG spreche vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber eine der künstlerischen Gestaltung abträglichen Unruhe vermeiden wollte und daher alternative Rechtsfolgen (Vergütungsanspruch, Schadenersatz) bei Verletzung der Beschäftigungspflicht nach Austritt des*der Arbeitnehmers*in vorsah. Das Recht auf Beschäftigung gemäß TAG ist daher nicht gerichtlich einklagbar.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.