Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie – Entwurf zum EU-Umgründungsgesetz
Anders als Verschmelzungen sind Spaltungen oder Sitzverlegungen über die Grenze bisher in Österreich gesetzlich nicht geregelt. Das BMJ hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt (EU-Umgründungsgesetz, kurz EU-UmgrG), der dies für Umgründungen mit EU/EWR-Mitgliedstaaten ändern soll. Es ist zu erwarten, dass das Gesetz zeitnah in Kraft treten wird, der genaue Zeitpunkt ist aktuell aber noch offen.
Der Anstoß kommt aus Brüssel
Das EU-UmgrG erfolgt in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2121 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. Nr. L 321 vom 12.12.2019 („Richtlinie“), welche bis zum 31. Jänner 2023 in nationales Recht umzusetzen ist.
Bis jetzt nur ein Entwurf
Der österreichische Gesetzgeber hat die Richtlinie bislang noch nicht umgesetzt. Aktuell liegt zu dem neuen Gesetz aber ein Entwurf im Begutachtungsverfahren vor. Die Begutachtungsfrist endet am 24. Februar 2023. Das Gesetz sollte eigentlich wie in der Richtlinie vorgesehen mit 31. Jänner 2023 in Kraft treten; da die Begutachtung zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abgeschlossen war, wird ein späteres Inkrafttreten vorgesehen werden.
Was regelt das neue Gesetz und was nicht?
Das EU-UmgrG regelt zusammengefasst:
- Grenzüberschreitende Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften
Das Gesetz spricht in diesem Zusammenhang nicht von Sitzverlegung, sondern von Umwandlung, weil sich bei dem Vorgang auch das „Rechtskleid“ ändert . Eine grenzüberschreitende Umwandlung ist nämlich eine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats (Wegzugsmitgliedstaat) gegründet worden ist oder dessen Recht unterliegt (und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in diesem Mitgliedstaat hat), unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats (Zuzugsmitgliedstaat) unterliegende Kapitalgesellschaft, wobei die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesen Mitgliedstaat verlegt.
Eine GmbH, die in diesem Sinne ihren Sitz beispielsweise in die Niederlande verlegen würde, würde zwar als ein und dieselbe Rechtsperson weiterbestehen, aber eben als niederländische BV (und nicht mehr als österreichische GmbH).
- Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften
Grenzüberschreitende Verschmelzungen sind bereits bisher möglich und, im Bezug auf Österreich, gesetzlich im EU-VerschG geregelt. Dessen Bestimmungen werden – mit einigen wenigen Anpassungen – in das EU-UmgrG überführt. Das EU-VerschG wird in der Folge außer Kraft treten.
- Grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften
Möglich sind – entsprechend der Richtlinie – Spaltungen zur Neugründung (einschließlich Ausgliederung) in einen anderen Mitgliedsstaat, nicht aber Spaltungen zur Aufnahme (das heißt, Spaltungen, bei denen die übernehmende Gesellschaft bereits existiert und die im innerstaatlichen Kontext viel häufiger vorkommen als Spaltungen zur Neugründung).
Das EU-UmgrG regelt nicht:
- Grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme (siehe zuvor);
- Umgründungen mit Bezug zu Drittstaaten;
- Umgründungen von anderen Gesellschaften als Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, SE), also zum Beispiel von Personengesellschaften oder Genossenschaften.
Was fällt auf?
- Ablauf: Der grundsätzliche Ablauf der Umgründungen folgt wenig überraschend dem, was man von innerstaatlichen Umgründungen und den bisher grenzüberschreitend möglichen Umgründungen (Verschmelzungen oder bei der SE) kennt, also vor allem: Vorbereitungsphase (Erstellung von Unterlagen, Prüfungen, Information/Veröffentlichung), Beschlussfassung durch die Gesellschafter und Vollzugsphase (also vor allem Eintragung in den Registern der betroffenen Mitgliedstaaten).
Der Gesetzesentwurf folgt weitgehend auch der bisherigen Systematik im österreichischen Umgründungsrecht, sodass die Rechtsprechung des OGH und die umfangreiche Literatur und Praxiserfahrungen dazu auch für das EU-UmgrG fruchtbar gemacht werden können.
- Vereinfachungen bei gruppeninternen Vorgängen: Wie bei nationalen Umgründungen oder schon bisher bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung sind für gruppeninterne Umgründungen Vereinfachungen vorgesehen; so können bei Umgründungen mit einem Alleingesellschafter zum Beispiel der Vorstandsbericht betreffend Gesellschafterinformation, die Umgründungsprüfung und die Prüfung durch den Aufsichtsrat entfallen beziehungsweise auch bei mehreren Gesellschaftern auf diese und weitere Erfordernisse verzichtet werden.
- Skepsis gegenüber dem Wegzug? Umgründungen ins Ausland steht das Gesetz mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber. Einerseits muss gegenüber dem Firmenbuch erklärt werden, ob Verbindlichkeiten gegenüber der öffentlichen Hand bestehen; bei Hinaus-Umwandlungen (aus österreichischer Sicht) müssen zudem Angaben zu erhaltenen Beihilfen und Förderungen gemacht werden. Andererseits muss das Firmenbuchgericht im Rahmen einer Missbrauchskontrolle prüfen, ob die grenzüberschreitende Umgründung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen sich dem Unions- oder nationalen Recht zu entziehen oder dieses zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Das ist bislang weder bei nationalen noch grenzüberschreitenden Umgründungen so vorgesehen. Das Gesetz versucht zwar, den Gerichten hier Anhaltspunkte an die Hand zu geben (etwa Auskunftsbescheid nach § 118 BAO); was diese Prüfung für die Praxis bedeutet, wird sich erst noch zeigen müssen.
- Information an den Betriebsrat beziehungsweise die Arbeitnehmer: Wie schon bisher bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ist der Betriebsrat (und wenn es einen solchen nicht gibt, alle Arbeitnehmer) über die Umgründung zu informieren; sie sind berechtigt, eine Stellungnahme abzugeben, welche den Gesellschaftern zur Kenntnis zu bringen und dem Vorstandsbericht anzuschließen ist und im Ergebnis über die Urkundensammlung des Firmenbuchs öffentlich einsehbar wird. Zu begrüßen wäre eine Klarstellung, ob dieses Informations-/Stellungnahmerecht (nur) Arbeitnehmer in Österreich der betreffenden (österreichischen) Gesellschaft betrifft, oder möglicher Weise alle Arbeitnehmer weltweit?
- Gläubiger können sich bemerkbar machen: Neu ist, dass auch Gläubiger der Gesellschaft das Recht haben, Bemerkungen zum jeweiligen Umgründungsplan zu erstatten; auch solche Bemerkungen sind der Anmeldung zum Firmenbuch anzuschließen und werden über die Urkundensammlung des Firmenbuchs öffentlich einsehbar. Das allgemeine Gläubigerschutzkonzept folgt davon abgesehen weitgehend bekannten Vorbildern vergleichbarer Umgründungen, mit Modifikationen bei der Spaltung.
- Längere Dauer: Grenzüberschreitende Umgründungen nach dem EU-UmgrG werden länger dauern als vergleichbare innerstaatliche Umgründungen: So sind Gesellschafterversammlungen mit einer Frist von sechs Wochen einzuberufen und ein Großteil der Unterlagen (Umwandlungs-, Verschmelzungs- oder Spaltungsplan, Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre, gegebenenfalls Zwischenbilanz, Berichte der Geschäftsführung) auch bereits mit der Einberufung den Gesellschaftern und dem Betriebsrat beziehungsweise Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen. Bei Umgründungen ins Ausland beträgt die Gläubigerschutzfrist zudem drei Monate, das heißt zwischen der Veröffentlichung der Umgründung und der Anmeldung der beabsichtigten Umgründung zum Firmenbuch ist zwingend eine Frist von drei Monaten einzuhalten (bislang betrug diese bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung zwei Monate).
Fazit
Die Richtlinie und das EU-UmgrG bilden wichtige Meilensteine für die Praxis der grenzüberschreitenden Umgründungen; in den bisher gesetzlich nicht geregelten Bereichen (Sitzverlegung, Spaltung) machen sie solche erst rechtssicher möglich. Leider bleiben manche praxisrelevante Bereiche, insbesondere grenzüberschreitende Umgründungen mit Drittstaaten oder die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme, ungeregelt. Welche Auswirkungen die geplante Missbrauchskontrolle durch die Gerichte auf den Zeitablauf und den Aufwand für grenzüberschreitende Umgründungen haben wird, bleibt abzuwarten.
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