Ausbildungskostenrückersatz bei nicht erfolgreich absolvierter Ausbildung?
Im Zusammenhang mit von Arbeitgeber*innen finanzierten Ausbildungen werden oftmals Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen mit den Arbeitnehmer*innen getroffen. Diese sind zwar gesetzlich zulässig, unterliegen jedoch strengen gesetzlichen Voraussetzungen und führen im Fall der Geltendmachung des Ausbildungskostenrückersatzes häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. In zwei aktuellen Entscheidungen befasste sich der Oberste Gerichtshof („OGH“) mit der Frage, ob Arbeitnehmer*innen zur Rückzahlung verpflichtet werden können, wenn sie die Ausbildung nicht erfolgreich absolvierten.
Nach § 2d Abs 1 und 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) ist eine Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten nur zulässig, wenn es sich um die tatsächlich aufgewendeten Kosten einer erfolgreich absolvierten Ausbildung handelt, die dem*der Arbeitnehmer*in Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die diese*r auch bei anderen Arbeitgeber*innen verwerten kann.
In der ersten Entscheidung des OGH vom 11.01.2024, 8 ObA 74/23z war der Arbeitnehmer als Triebfahrzeugführer beschäftigt. Beim Abschluss des Dienstvertrags vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer die hierfür erforderliche Ausbildung absolvieren wird und die dafür anfallenden Ausbildungskosten von etwa EUR 14.000 vom Arbeitgeber übernommen werden. Die Übernahme der Ausbildungskosten wurde unter der Bedingung vereinbart, dass das Dienstverhältnis nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme zumindest drei weitere Jahre fortgesetzt wird. Der Arbeitnehmer verpflichtete sich zur (aliquoten) Rückzahlung dieser Kosten, wenn er unter anderem das Dienstverhältnis vor Ablauf dieser Frist kündigt oder der Arbeitnehmer die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen „vorzeitig abbricht“.
Die gegenständliche Ausbildung zum Triebfahrzeugführer umfasste mehrere aufeinander aufbauende Module, die jeweils mit einer positiv zu absolvierenden Prüfung abzuschließen waren. Das erste Modul absolvierte der Arbeitnehmer positiv. Beim zweiten Modul scheiterte er allerdings und konnte die Prüfung auch beim vierten Antritt (welcher der letztmögliche Antritt beim Arbeitgeber war) nicht erfolgreich ablegen. Damit konnte der Arbeitnehmer die im Rahmen des Dienstvertrags vereinbarte Tätigkeit nicht ausüben, da hierfür die positive Absolvierung der Ausbildung erforderlich war. Eine vom Arbeitgeber angebotene andere Tätigkeit lehnte der Arbeitnehmer ab und kündigte das Dienstverhältnis.
Der Arbeitgeber forderte in der Folge die Ausbildungskosten vom Arbeitnehmer zurück.
Der Arbeitgeber führte für den Rückforderungsanspruch begründend an, dass das Dienstverhältnis durch Arbeitnehmerkündigung geendet habe und für diesen Fall eine entsprechende Rückersatzvereinbarung getroffen worden sei. Zudem seien die durch die teilweise abgeschlossene Ausbildung vermittelten Spezialkenntnisse auch bei anderen Arbeitgebern verwertbar. Das Erstgericht sprach dem Arbeitgeber den Ersatz der Ausbildungskosten mit eben dieser Begründung zu. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung und sah keinen Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz des Arbeitgebers. Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und betonte, dass die Rückersatzvereinbarung keine Rückzahlungsverpflichtung für den gegenständlichen Fall vorsehe. Zum einen sei kein vorzeitiger Abbruch der Ausbildung vorgelegen, da der Arbeitnehmer diese aufgrund der erreichten Höchstanzahl an Antritten nicht mehr weiter ablegen haben könne. Zum anderen sei das Dienstverhältnis nicht innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme gekündigt worden, da die Ausbildung nie abgeschlossen worden sei und die Frist daher nie zu laufen begonnen habe. Ein anderes Verständnis würde nach Ansicht des OGH auch dem erkennbaren Zweck der Vereinbarung widersprechen, da der Arbeitnehmer sonst für weitere drei Jahre an das Unternehmen gebunden werden würde, obwohl er die vereinbarte Tätigkeit mangels abgeschlossener Vereinbarung nicht ausüben könne. Auf die vom Arbeitgeber im Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Rückersatz hinsichtlich einzelner erfolgreich abgeschlossener Teilprüfungen einer modularen Ausbildung zulässig sei, ging der OGH nicht ein, da die getroffene Vereinbarung diesen Fall nicht berücksichtigte.
In der zweiten Entscheidung des OGH vom 15.02.2024, 8 ObA 82/23a absolvierte die Arbeitnehmerin eine Ausbildung zur Diplomkrankenschwester, wobei auch die Übernahme der Ausbildungskosten in Höhe von EUR 5.400 vereinbart sowie eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen wurde. Konkret enthielt die Vereinbarung unter anderem eine Rückzahlungsverpflichtung, wenn die Arbeitnehmerin die Ausbildung nicht abschließe bzw. - aus welchen Gründen auch immer - vorzeitig beende und nicht nachgewiesen werden könne, dass der Abbruch aus dienstlichen oder wichtigen persönlichen Gründen (zB schwerer Krankheit) erfolgt sei. Die Arbeitnehmerin scheiterte an zwei Teilprüfungen im dritten Ausbildungsjahr. Der Arbeitgeber kündigte das Dienstverhältnis und die Arbeitnehmerin brach die Ausbildung ab.
In diesem Verfahren forderte der Arbeitgeber die Ausbildungskosten für die Ausbildung von der Arbeitnehmerin aus dem Titel des Schadenersatzes sowie aus der abgeschlossenen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zurück.
Das Erstgericht sprach dem Arbeitgeber einen Teil des Anspruchs auf Rückzahlung der Ausbildungskosten zu, das Berufungsgericht und in der Folge der OGH verneinten dies. Der OGH ließ in diesem Verfahren die ordentliche Revision mangels hinreichender Rechtsprechung des OGH zur Rückforderung der Kosten einer iSd § 2d Abs 1 AVRAG „nicht erfolgreich absolvierten Ausbildung“ zu.
Der OGH führte aus, dass die Prüfung bei einer Ausbildung mit Abschlussprüfung in der Regel auch bestanden werden müsse, um eine „erfolgreich absolvierte Ausbildung“ iSd § 2d AVRAG annehmen zu können. Da die Arbeitnehmerin im gegenständlichen Fall nicht alle nötigen Prüfungen positiv absolvierte, habe sie die von ihr begonnene und vom Arbeitgeber finanzierte Ausbildung auch nicht im Sinne des Gesetzeswortlauts erfolgreich absolviert.
Der OGH erörterte in diesem Zusammenhang, dass Arbeitnehmer nur bei positiv absolvierten Ausbildungen der Vorteil – die vermittelten Spezialkenntnisse am Arbeitsmarkt verwerten zu können – zukomme. Da § 2d AVRAG die Möglichkeit des Abschlusses einer Rückerstattungsvereinbarung nur für den Fall des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung vorsehe, bestehe nach allgemeiner Ansicht bei nicht erfolgreichem Abschluss grundsätzlich kein Rückforderungsanspruch. Ein solcher wird nach der Lehre jedoch bei schuldhafter Vereitelung eines positiven Abschlusses durch den*der Arbeitnehmer*in nach allgemeinen Schadenersatzrecht zuerkannt. Der OGH schloss sich der Ansicht der Lehre an und präzisierte, dass ein „schuldhaftes Vereiteln“ dann vorliege, wenn es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar gewesen sei, sich besser vorzubereiten und er auch die Notwendigkeit dazu hätte erkennen müssen. Bloßes Unvermögen, zB aufgrund körperlicher oder geistiger Unfähigkeit stelle hingegen kein Verschulden des Arbeitnehmers dar. Der OGH hielt darüber hinaus auch fest, dass allein aus dem Nichtbestehen einer Prüfung noch nicht auf ein Verschulden geschlossen werden könne. Vielmehr könne das Scheitern eines Kandidaten bei einer Prüfung zB auch darauf zurückzuführen sein, dass er in der Prüfungssituation ein Blackout habe oder ihm die körperlichen, geistigen oder sonstigen – zB sprachlichen - Voraussetzungen fehlen, um den Lernstoff zu erfassen und damit die Prüfung positiv zu bestehen.
Die Beweislast für die schuldhafte Vereitelung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung treffe nach dem OGH den Arbeitgeber. Ein solcher Beweis gelang dem Arbeitgeber im konkreten Fall nicht, wodurch ihm mangels schuldhafter Vereitelung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung durch die Arbeitnehmerin kein Schadenersatzanspruch zukam.
Daher prüfte der OGH, ob dem Arbeitgeber gemäß der abgeschlossenen Vereinbarung ein Rückforderungsanspruch zukomme, da der Wortlaut den mangelnden Abschluss bzw. die vorzeitige Beendigung umfasste. Der OGH beurteilte diese Vereinbarung jedoch als sittenwidrig iSd § 879 ABGB. Sie widerspreche zum einen der Wertung des § 2d AVRAG. Zum anderen stünde eine Rückzahlungsverpflichtung ohne Verschulden des Arbeitnehmers auch mit dem arbeitsrechtlichen Grundsatz - dass Arbeitnehmer aus dem Dienstvertrag lediglich die Verpflichtung treffe, sich zu bemühen die versprochenen Dienste entsprechend der Qualifikation und Ausbildung zu leisten, nicht aber eine gewissen Erfolg schulden – im Widerspruch.
Damit zeigt insbesondere die erste Entscheidungen deutlich, dass für die erfolgreiche Durchsetzung einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung wesentlich ist, dass diese klar und eindeutig formuliert und auf die konkrete Ausbildung angepasst ist. Aber auch eine sorgfältig formulierte Vereinbarung kann den Arbeitgeber nicht immer zum Rückersatz verhelfen. Denn ein genereller Rückforderungsanspruch unabhängig vom positiven Abschluss kann laut OGH wegen Sittenwidrigkeit nicht wirksam vereinbart werden. Ein Rückforderungsanspruch bei Fehlen eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses kann nur dann bestehen, wenn Arbeitnehmer*innen diesen schuldhaft vereitelt haben.
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