EU-Richtlinie gegen „SLAPP“-Klagen erlassen
Am 16.04.2024 wurde Richtlinie (EU) 2024/1069 über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Richtlinie soll Abhilfe gegen sogenannte „SLAPP-Klagen“ schaffen.
Als „SLPP-Klagen“ („strategic lawsuits against public participation“) werden gerichtliche Maßnahmen bezeichnet, die missbräuchlich ergriffen werden, um öffentliche Beteiligung, etwa in Form öffentlicher Proteste oder gegen Meinungsäußerung zu behindern. Ziel können vor allem Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Wissenschaftler oder die Zivilgesellschaft sein. Die Schwierigkeit besteht darin, echte SLAPP-Klagen zu identifizieren und wirksame und schnelle Abhilfe zu schaffen, ohne die durch Art 6 EMRK auch einem Kläger zustehenden Verfahrensgarantien zu beeinträchtigen. In Österreich gibt es bisher keine spezifischen Regeln gegen SLAPP-Klagen. Die Richtlinie muss bis 07.05.2026 in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Richtlinie gilt nur für Zivil- und Handelssachen mit grenzüberschreitendem Bezug in Zivilverfahren, einschließlich Verfahren für vorläufige und sichernde Maßnahmen und Widerklagen. Auf die Art der Gerichtsbarkeit kommt es nicht an. Ein grenzüberschreitender Bezug ist grundsätzlich anzunehmen, außer beide Parteien haben ihren Wohnsitz im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts und der Sachverhalt hat keinen Auslandsbezug. Explizit ausgenommen sind Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, hoheitliche Akte eines Staates sowie Straf- und Schiedsverfahren. In Österreich könnte die Richtlinie vor allem Zivilverfahren wegen Kreditschädigung oder Beleidigung nach § 1330 ABGB und § 7 UWG betreffen, einschließlich Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Strafverfahren nach dem Mediengesetz oder Privatanklageverfahren wegen Ehrenbeleidigung sind hingegen nicht betroffen.
Geschützt werden sowohl natürliche als auch juristische Personen.
Schwierig ist eine Definition missbräuchlicher Gerichtsverfahren gegen öffentliche Beteiligung. Dies sind Verfahren, die nicht angestrengt werden, um tatsächlich ein Recht geltend zu machen oder auszuüben, sondern deren Hauptzweck darin besteht, öffentliche Beteiligung zu verhindern, einzuschränken oder zu sanktionieren, mit denen häufig ein Machtungleichgewicht zwischen den Parteien ausgenutzt wird und mit denen unbegründete Ansprüche verfolgt werden. Indizien sind ein überhöhter Anspruch oder Streitwert, Häufung von Klagen, Einschüchterung durch den Kläger, Verfahrensverschleppung, Forum Shopping oder auch die Einstellung von Verfahren in einem späten Verfahrensstadium.
Nach der Richtlinie müssen Beklagten folgende Rechtsbehelfe gegen solche SLAPP-Klagen zur Verfügung stehen:
- eine Sicherheitsleistung für die Verfahrenskosten: Derzeit ist in Österreich nur eine aktorische Kaution zu Lasten von Klägern aus Drittstaaten, um Schwierigkeiten bei Vollstreckung der Kostenentscheidung zu vermeiden, sowie Sicherheit in Verfahren über einstweilige Verfügungen.
- die frühzeitige Abweisung offensichtlich unbegründeter Klagen: Eine frühzeitige Abweisung wäre derzeit nur bei unschlüssigen Klagen oder bei Unzuständigkeit möglich.
- Abhilfemaßnahmen durch Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen angemessenen Verfahrenskosten des Beklagen , Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung. Die strenge Beschränkung des Kostenersatzes nach dem RATG wird in Zukunft in solchen Fällen nicht mehr möglich sein. Urteilsveröffentlichungen zu Lasten des Klägers sind vor allem nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb auch heute schon grundsätzlich möglich, allerdings sehr selten.
Darüber hinaus soll ermöglicht werden, dass Verbände, Organisationen, Gewerkschaften und andere Einrichtungen den Beklagten mit seiner Zustimmung unterstützen können oder in diesen Verfahren Informationen geben können. Nähere Vorschriften, wie eine solche Unterstützung gestaltet sein soll, sieht die Richtlinie nicht vor.
Ob tatsächlich eine SLAPP-Klage vorliegt, muss erst in einem Gerichtsverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren festgestellt werden. Bereits dies kann natürlich Druck auf einen wirtschaftlich schwächeren Beklagten ausüben und durch Klärung dieser Vorfrage kann ein Verfahren sogar noch aufwändiger und teurer werden. Ob diese Richtlinie tatsächlich spürbaren Schutz vor fragwürdigen Klagen bringen kann, ist daher zweifelhaft.
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