Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie liegt vor
Am 25.06.2023 hätte die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 (Verbandsklagen-RL) unionsweit in Kraft treten sollen. Die meisten Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, sind mit der Umsetzung bisher säumig. Am 02.05.2024 hat das österreichische Justizministerium nun den Entwurf eines Umsetzungsgesetzes vorgelegt.
Schon seit vielen Jahren enthält das österreichische Recht in den §§ 28 ff KSchG Bestimmungen, die eine Verbandsklage durch (insbesondere) Verbraucherschutzverbände zulassen. Das betrifft vor allem Unterlassungsklagen gegen Unternehmer, die sich im geschäftlichen Verkehr vermeintlich unzulässiger AGB-Bestimmungen bedienen. Daneben entwickelte die Praxis die „Sammelklage österreichischer Prägung“, mit welcher Verbände abgetretene Verbraucheransprüche gesammelt im eigenen Namen geltend machen. Die Verbandsklagen-RL verpflichtet die Mitgliedsstaaten nun einerseits zur Schaffung einer Unterlassungsklage, mit der „Qualifizierte Einrichtungen“ allgemein gegen (unions-)rechtswidrige Geschäftspraktiken von Unternehmern vorgehen können. Andererseits sollen per „Abhilfeverfahren“ auch Leistungsklagen möglich sein.
Der Umsetzungsentwurf trägt dem im Wesentlichen durch die Schaffung des Qualifizierte Einrichtungen Gesetz (QEG) und die Einfügung eines neuen Abschnitts in der Zivilprozessordnung Rechnung. Das QEG schafft den aufsichtsrechtlichen Rahmen für Qualifizierte Einrichtungen und regelt die Bedingungen, unter denen einem Verband dieser Status und das damit verbundene Klagerecht zuzugestehen ist. Zuständige Aufsichtsbehörde soll der Bundeskartellanwalt sein. Künftig soll jeder Verband Verbandsklagen erheben können, der die Kriterien erfüllt. Das bedeutet insofern eine Neuerung, als bislang VKI und AK eine quasi Monopolstellung zukam. Zuletzt hatte das LG Klagenfurt – unter direkter Anwendung der Verbandklagen-RL – bereits die Klagslegitimation des Verbraucherschutzvereins (VSV) bejaht (77 Cg 49/23m).
Dass die Umsetzung der Verbandsklagen-RL jedenfalls eine (zivilprozessuale) Zäsur darstellt, zeigt allein schon ein Blick auf die folgenden Neuerungen:
- Abhilfeklage: Eine Abhilfeklage soll künftig ab einer Beteiligung von 50 Verbrauchern möglich sein.
- Verjährung: Verbraucher können dem Verfahren binnen drei Monaten ab der (dem eigentlichen Verfahren nun vorgelagerten) Veröffentlichung der Entscheidung über die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens beitreten. Damit wird die Verjährung ihrer Einzelansprüche gehemmt – und zwar rückwirkend mit der Einbringung der Verbandsklage. Bereits verjährte Ansprüche können auf diesem Weg ebenfalls noch erfolgreich geltend gemacht werden. Das wäre ein absolutes Novum im österreichischen Recht.
- Keine Ausweitung auf Nicht-Verbraucher: Der Entwurf hält sich im Rahmen der RL und folgt insbesondere nicht dem Beispiel der deutschen Umsetzung, die auch die Einbeziehung der Ansprüche von (Klein-)Unternehmern erlaubt.
- Kein Erkundungsbeweis: Die im Vorfeld von Verbraucherseite geforderte Ausweitung der Möglichkeiten zur Beweismittelbeschaffung nach Vorbild des angloamerikanischen Discovery-Modells findet sich im Entwurf nicht wieder. Das ist insoweit erfreulich, als derartige Ansätze innerhalb der ZPO systemwidrig wären und eine massive Ungleichbehandlung von Einzel- und Verbandsklagen geschaffen hätten.
- Opt-In: Verbraucher müssen sich durch aktiven Beitritt an der Abhilfeklage beteiligen, um von der Entscheidung erfasst zu sein. Der Beitritt kann nicht zurückgezogen werden. Auch ein vom Verband geschlossener Vergleich ist für die einzelnen Verbraucher bindend.
- Zwischenfeststellungsantrag: Der klagende Verband soll einen Zwischenfeststellungsantrag stellen können, um vor Beurteilung der Einzelansprüche Rechte oder Rechtsverhältnisse feststellen zu lassen, die entscheidungswesentlich sind.
- Drittfinanzierung: Verbände können sich eines Prozessfinanzierers bedienen. Eine Drittfinanzierung ist im Verfahren ausdrücklich bekannt zu geben und der Vertrag gegebenenfalls dem Bundeskartellanwalt vorzulegen. Gericht und Beklagte erhalten aber keinen Einblick. Anders als in der deutschen Umsetzung ist keine Obergrenze für die Erfolgsbeteiligung vorgesehen.
Der Entwurf ist nun in Begutachtung; mit einer Vielzahl von Stellungnahmen ist zu rechnen. Wird die Umsetzung – wie offenbar geplant – noch vor der kommenden Nationalratswahl beschlossen, könnten noch heuer die ersten Verbandsklagen in Österreich verhandelt werden – der aktuelle Entwurf sieht nämlich ein Inkrafttreten am Tag nach der Kundmachung vor.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.