Europäische Kommission: Leitlinien zum Schutz kritischer europäischer Vermögenswerte und Technologien

Die Kommission will bestimmte kritische Vermögenswerte und Technologien, vor allem in Bereichen wie Gesundheit, medizinische Forschung, Biotechnologie und Infrastrukturen schützen und in der EU halten. Zu diesem Zweck gibt sie den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (C(2020 1981 final) („Leitlinien“) an die Hand.

Die derzeitige Krise und – so mag man mutmaßen - auch das Werben gewisser ausländischer Investoren um vielversprechende europäische Forscher, die an innovativen Impflösungen gegen COVID-19 arbeiten, fungieren als Katalysator für verstärkte Bemühungen der Kommission auf dem Gebiet der Investitionskontrolle. Dabei ist der Ton durchaus deutlich: recht unumwunden erinnert Kommissionspräsidentin von der Leyen die Mitgliedstaaten an das bestehende investitionskontrollrechtliche Instrumentarium und fordert diese auf, diese Möglichkeiten auch „in vollem Umfang einzusetzen“.

Nach den geltenden EU-Vorschriften sind die Mitgliedstaaten befugt, ausländische Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Ländern aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung zu überprüfen. Dazu zählt nach den Leitlinien auch der Schutz der öffentlichen Gesundheit.

Mit den Leitlinien will die Kommission

  • Klarheit darüber schaffen, wie der bestehende Rechtsrahmen genutzt werden kann, um strategische Vermögenswerte zu schützen.
  • betonen, dass legitime öffentliche Interessen wirksam geschützt werden müssen.
  • dazu aufrufen, bestehende Mechanismen zu nutzen, um Kapitalbewegungen aus Nicht-EU-Staaten zu verhindern, die Europas Sicherheit oder öffentliche Ordnung untergraben könnten. Derzeit verfügen lediglich 14 Mitgliedstaaten über Mechanismen zum Investitionsschutz. Die restlichen Mitgliedstaaten werden aufgefordert, einen solchen einzurichten.
  • klarstellen, dass Portfolioinvestitionen weiterhin grundsätzlich keine Direktinvestition darstellen, soweit sie einem Investor nicht wirksamen Einfluss über das Management oder Kontrolle über das Unternehmen verschaffen.
  • die Bedeutung der Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen hervorheben. Mit diesem Instrumentarium soll die Investitionskontrolle innerhalb der EU besser koordiniert werden. Die Europäische Kommission kann ab Oktober 2020 Stellungnahmen gegenüber Mitgliedstaaten abgeben und so die Position der EU gegenüber sensiblen Transaktionen stärker proklamieren. Das Ziel ist klar erkennbar. Die Kommission will Mitgliedstaaten dazu anhalten, Transaktionen auch dann zu blockieren, wenn diese wahrscheinlich Auswirkungen auf die Sicherheit und die öffentliche Ordnung nicht nur im jeweiligen Mitgliedstaat, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten bzw. der Union insgesamt haben. Dieser erweiterte Prüfungsrahmen ist derzeit ja noch nicht Praxis.

 

Man wird sehen, wie der Spagat gelingt, auf der einen Seite die für einen starken, wettbewerbsfähigen und innovativen Wirtschaftsstandort notwendigen Investitionen nach Europa zu holen, auf der anderen Seite aber ein wachsames Auge darauf zu haben, wer zu welchem Zweck in strategisch wichtige Industrien investiert. Die Vertreter der Europäischen Kommission sind jedenfalls in ihren Aussagen sehr klar:

Ursula von der Leyen: „Die EU ist ein offener Markt für ausländische Direktinvestitionen und wird dies bleiben. Diese Offenheit ist jedoch an Bedingungen geknüpft.“

Phil Hogan: „Wir müssen wissen, wer investiert und zu welchem Zweck dies getan wird. Die EU und ihre Mitgliedstaaten verfügen dafür auch über die richtigen Rechtsinstrumente. […] Außerdem schaffen die Leitlinien zusätzlich Klarheit darüber, wie wir unseren Rechtsrahmen zur Überprüfung von Investitionen dazu nutzen können, in der derzeitigen Krise einen Ausverkauf strategischer Vermögenswerte der EU zu verhindern.“

Wir bleiben für Sie am Ball. In Österreich gibt es ja ohnehin seit Längerem Pläne, die Investitionskontrolle (§ 25a AußWG 2011) nochmals zu verschärfen.

 

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