Digitale Stadt, Digitale Nation – wie weit ist Wien, wie weit ist Österreich und wie weit sind Österreichs Unternehmen?
Im Rahmen der Talk-Reihe Binder Grösswang impulse lud die Wirtschaftskanzlei am 2. Juni 2019 zum Diskussion-Abend in die eigenen Räumlichkeiten der Sterngasse 13. Zentrales Thema war Österreich im digitalen Wandel.
Österreich hat sich sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor ambitionierte Digitalisierungsziele für 2025 gesteckt und will als innovation leader zu den international führenden Staaten zählen. Eine interessante Diskussionsrunde bot den zahlreich erschienen Gästen eine spannende Diskussion, ob und wie diese Ziele erreicht werden und welche Potenziale noch ausgeschöpft werden können.
Binder Grösswang Managing Partner und Kanzleisprecher Michael Kutschera begrüßte dazu Ulrike Huemer (Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien), Patricia Neumann (Country General Manager IBM Austria), Roland Ledinger (Mitglied des BMDW und Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich) und Christopher Miess (Präsident DAAA, Gründer ICONIC Capital, Blockchain Experte). PULS 4 Moderatorin Corinna Milborn führte durch die Diskussion.
„Wien hat sich zum Ziel gesetzt, Digitalisierungshauptstadt in Europa zu werden, dieses Ziel ist sehr ambitioniert, aber wir haben bereits die strategischen und organisatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Mit der Digitalen Agenda Wien haben wir eine Digitalisierungsstrategie, die international hohe Anerkennung erhält. Innovative digitale Lösungen, wie „Wien Bot“, „Sags Wien“ oder „Mein. Wien“ werden mit zahlreichen Awards prämiert. Die Richtung und der Weg dürften stimmen!“ gibt sich Ulrike Huemer, Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien optimistisch, angesichts zahlreicher erfolgreicher und international anerkannter innovativer Initiativen.
Auf die Frage, wie sich Österreich im internationalen Vergleich behaupte und welche Aspekte Österreich als Digitalnation stärker in den Fokus rücken würden, gab es insbesondere zwei Hauptkriterien, bei denen sich die Experten zur Gänze einig waren.
Erstens finde Innovation durch Vernetzung statt. Ein stärkeres Miteinander von Forschungseinrichtungen, der Industrie und Verwaltung würde Innovation auch in Österreich noch mehr vorantreiben. In Silos zu denken und zu agieren führe laut Huemer nicht zum erhofften Ergebnis.
Roland Ledinger, Mitglied des BMDW und Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich bestätigt, dass leider noch immer zu viele Forschungsprojekte, ob von der EU gefördert oder durch nationale Gelder, am fehlenden Business Case scheitern, die dann von anderen Nationen außerhalb von Europa aufgenommen und umgesetzt werden.
Er ist auch davon überzeugt, dass der größte Erfolg dann entstehe, wenn Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam an Projekten arbeiten, bei der die öffentliche Hand ihre Aufgabe als aktives Bindungsglied zwischen der Forschung und den Unternehmen wahrnimmt.
Ledinger betont, dass „unsere öffentliche Verwaltung nach wie vor als besonders innovativ gilt, daher ist sie auch ein wichtiger Impulsgeber in der Digitalisierung und schafft zentrale Basiselemente für die digitale Transformation. Die mobile digitale Identität ist eines der Beispiele dafür.“
Mithilfe von Regulatory Sandboxes können Innovationsräume zwischen Industrie, Wissenschaft und Verwaltung geschaffen werden, um Innovation zu fördern. Österreichs KMU Infrastruktur hat gute Voraussetzungen, um im Nischenbereich erfolgreich zu sein.
Und hier liegt die zweite Übereinstimmung aller Gesprächsteilnehmer: Die Chance für Österreich liege in der Nische, denn da habe Österreich bereits jetzt Stärkenfelder, wie beispielsweise im Health Care Bereich. Internationale Vorbilder würden es vorgeben und schaffen Ökosysteme, wo sich Forschung und Industrie mit dem öffentlichen Bereich direkt vor Ort vernetzen können. In Krankenhäusern werden sogenannte health labs installiert, wo Forschung direkt vor Ort stattfindet und umgesetzt und zur Anwendung gebracht werden.
Christopher Miess, Präsident DAAA, Gründer ICONIC Capital, Blockchain Experte stimmt der Nischendiskussion vollends zu: „Wir als Österreich müssen eine Nischenstrategie fahren. Am besten auf ein paar wenige Industrien fokussieren, aber in diesen dafür Weltklasse sein. Es bringt nichts, wenn wir von Biotech und künstlicher Intelligenz träumen“, und fährt fort: „Wir als Digital Asset Association Austria glauben, dass Digitale Assets und Blockchain unsere große Chance als kleine Nation sind. Die Schweiz und Liechtenstein haben es vorgemacht. Das können wir auch.“
Miess unterstreicht die Chancen, die sich für Österreichs KMUS durch die Digitalisierung ergeben: „Österreich hat eine Vielzahl an KMUs und kann hier in vielen Branchen auf „Hidden Champions“ verweisen, die sich am Weltmarkt behaupten. Auch in der Digitalisierung können wir von diesen Top-Unternehmen lernen. Das ist eine große Chance für österreichische KMUs.“
Für Patricia Neumann, Country General Manager IBM Austria ist das gemeinsame Arbeiten an Innovationen bei IBM mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, weil es wichtig geworden ist, in einem Konsortium zu agieren. Welche Kooperation das Potenzial hat, in gemeinsamer Arbeit einen gemeinschaftlichen Nutzen zu bringen, ist stets zu hinterfragen. In jedem Fall arbeite die IBM viel mit Start-Ups zusammen.
„Wir sind mitten in der Digitalisierung und haben gerade das 2. Kapitel aufgeschlagen. Technologien wie KI, Cloud und Blockchain sind erprobt und die ersten Erfahrungen wurden gesammelt. Wir haben Unmengen an Daten und nutzen sie mehrheitlich noch nicht ausreichend. Dazu brauche es eine KI, die das ganze Unternehmen durchdringt und eine Infrastruktur, die das ermöglicht. Jetzt geht es darum, diese neuen Technologien für eine Transformation der Unternehmen und den Wettbewerbsvorteil für österreichische Unternehmen zu nutzen. Dazu braucht es ein Zusammenspiel von Unternehmen, Technologie Anbietern und staatlicher Rahmenbedingungen um Österreich zu einer der führenden Digitalnationen zu machen.
Unter den Gästen befanden sich u.a. Thomas Buchner (Geschäftsführer, CAPE 10 – Haus der Zukunft und sozialen Innovation), Gerhard Haibel (CEO, Smeralda Residences Luxury Real Estate), Christina Kabas (Head of Legal Austria, BNP Paribas), Lech Ledóchowski (CIO, Österreichische Kontrollbank), Robert Fritz (Senior Advisor to the board, Raiffeisen Bank International AG), Harald Hargaßner (Geschäftsführer, Soravia Equity GmbH), Dietmar Pelcar (Holding Manager, METRO Cash & Carry International Holding GmbH), Willy Rader (Geschäftsführer, Park Immobilien) uvm.
Die Veranstaltungsreihe Binder Grösswang impulse widmet sich aktuellen Themen und herausragenden Persönlichkeiten und findet ca. 2 Mal jährlich in exklusivem Rahmen in den Wiener Kanzleiräumlichkeiten statt.