Was die Urheberrechtsrichtline 2019 dazu vorsieht
Die neue Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt war jüngst in aller Munde. Vor allem die Fragen im Zusammenhang mit der Haftung bestimmter Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten (Stichwort „Upload Filter“) und dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger wurden zuletzt heftig diskutiert. Die Richtlinie enthält darüber hinaus aber durchaus brisante Bestimmungen, die nicht nur die Rechte von Urhebern im Internet betreffen, sondern ganz allgemein wesentliche Änderungen für Lizenzvereinbarungen zwischen den Urhebern und den Nutzern der Rechte (insbesondere Verlage und sonstige Nutzer der geschaffenen Werke) bedeuten können.
Im aktuell vorliegenden Text der Richtlinie findet sich in Artikel 19 die sogenannte Transparenzpflicht. Diese sieht vor, dass Urheber und ausübende Künstler regelmäßig, mindestens jedoch einmal pro Jahr, aktuelle, einschlägige und umfassende Informationen über die Verwertung ihrer Werke und Darbietungen durch den Lizenznehmer von diesem erhalten müssen. Diese Transparenzpflicht umfasst insbesondere die Art der Verwertung, sämtliche erzielte Einnahmen sowie darüber hinaus noch fällige Forderungen der Lizenznehmer gegenüber Dritten. Sie wird auch auf Sublizenznehmer erweitert, die also auch dementsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen haben. Die Mitgliedsstaaten sollen hier die Möglichkeit haben, de-minimis Grenzen vorzusehen, bei deren Unterschreitung keine Verpflichtung zur Informationserteilung bestehen soll.
Aus den Erwägungsgründen ergibt sich, dass diese Transparenzpflicht insbesondere auf dem Grundgedanken der schwächeren Verhandlungsposition der Urheber basiert und diesen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden soll, ihre Rechte umfassend wahrnehmen zu können. Bei der Umsetzung der Richtline sollen Besonderheiten der unterschiedlichen Branchen, etwa jener der Musikbranche, der Branche der audiovisuellen Medien und des Verlagswesens berücksichtigt werden.
Da die Urheber und ausübenden Künstler aus diesen Informationen im Nachhinein ansonsten wenig Vorteile ziehen könnten, sieht Artikel 20 der Richtlinie unter der kryptischen Überschrift „Vertragsanpassungsmechanismus“ für nach Umsetzung der Richtlinie abgeschlossene Vereinbarungen ein unter Umständen weitreichendes Recht vor, in der Vergangenheit abgeschlossene Lizenzvereinbarungen nachträglich anzupassen. Dieser Artikel sieht nämlich vor, dass Urheber und ausübende Künstler das Recht haben sollen, eine zusätzliche, angemessene und faire Vergütung vom Lizenznehmer zu verlangen, wenn sich die ursprünglich vereinbarte Vergütung im Vergleich zu sämtlichen späteren einschlägigen Einnahmen aus der Verwertung als unverhältnismäßig niedrig erweist. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass Urheber und ausübende Künstler die Möglichkeit haben, ursprünglich vereinbarte Lizenzentgelte nachträglich auf Basis der Informationen über erzielte Einnahmen und offene Forderungen, die ihnen aufgrund der vorbeschriebenen Transparenzpflichten zur Verfügung zu stellen sind, anpassen zu können. In diesem Zusammenhang besteht freilich auf Basis der diesbezüglichen Erwägungsgründe ein gewisser Spielraum für die Umsetzung dieser Regelung durch die Mitgliedstaaten. Insbesondere sollen allenfalls bestehende Marktpraktiken berücksichtigt werden. Ausdrücklich wird festgehalten, dass grundsätzlich auch Pauschalzahlungen verhältnismäßige Vergütungen darstellen können, wobei dies jedoch nicht die Regel sein sollte. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass in den Erwägungsgründen erwähnt wird, dass beim Vergleich zwischen der ursprünglich vereinbarten Abgeltung und den vom Verwerter tatsächlich erzielten Einnahmen alle relevanten Einnahmen berücksichtigt werden sollen, also etwa nicht nur jene aus der unmittelbaren Verwertung des Werkes als solches sondern gegebenenfalls auch Merchandising Einnahmen.
Naturgemäß enthält der Richtlinienentwurf auch die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, in der Umsetzung sicherzustellen, dass die beschriebenen Grundsätze vertraglich nicht zu Lasten der Urheber und ausübenden Künstler abgeändert oder eingeschränkt werden dürfen.
Wenngleich dies auf den ersten Blick dem zivilrechtlichen Grundsatz von pacta sunt servanda widerspricht, ist dieser Grundgedanke auch dem österreichischen Recht nicht ganz fremd. So sieht bereits jetzt das Patentgesetz in Bezug auf Diensterfindungen (das sind Erfindungen, die Dienstnehmer im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten machen und an denen sich der Dienstgeber unter gewissen Voraussetzungen ein Nutzungsrecht verschaffen kann) vor, dass eine ursprünglich als angemessen festgesetzte Vergütung nachträglich angepasst werden kann, wenn eine wesentliche Änderung der für die Angemessenheit der Vergütung maßgebenden Verhältnisse eingetreten ist.
Es bleibt somit abzuwarten, wie die Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie ins österreichische Recht ausfällt (die Richtline ist binnen 24 Monaten ab der – unmittelbar bevorstehenden – Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union umzusetzen). Lizenznehmer sollten aber gewahr sein, dass „günstig“ eingekaufte Lizenzrechte bei entsprechendem wirtschaftlichen Erfolg auch nachträglich zu einer Anhebung der an die Urheber zu entrichteten Entgelte führen kann. Offen ist, ob durch „geschickte“ Rechtswahlklauseln der Anwendbarkeit der neuen Regelungen entgegen gewirkt werden kann. Fraglich ist auch, ob die Grundsätze der Richtlinie allenfalls auch im Verhältnis Dienstgeber – Dienstnehmer zur Anwendung kommen sollen, wo jetzt ja noch die Möglichkeit besteht, Nutzungsrechte über von Dienstnehmern geschaffene Werke ohne über das Gehalt hinausgehende Abgeltungen zu erwerben.
Ivo Rungg, Partner
rungg@bindergroesswang.at
Hellmut Buchroithner, Counsel
buchroithner@bindergroesswang.at
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