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FMA-Bericht zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken auf dem österreichischen Finanzmarkt
Die FMA hat am 18. Jänner 2023 einen Bericht veröffentlicht, in dem nachgegangen wird, ob und inwieweit die beaufsichtigten Unternehmen am österreichischen Finanzmarkt Nachhaltigkeitsrisiken bereits in ihrer Geschäftsstrategie, in der internen Governance sowie im Risikomanagement berücksichtigen. Die aktuelle FMA-Analyse gibt einen Überblick über den aktuellen Status, wie Österreichs Finanzdienstleister die Risiken aus Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung, also die „ESG-Faktoren“ Environment, Social sowie Governance, derzeit adressieren und managen. Da allerdings hierzu wesentliche Regularien und Standards erst in den vergangenen Monaten erlassen oder anwendbar wurden, hat die FMA der Marktstudie ihren im Jahr 2020 veröffentlichten „Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ („FMA-Leitfaden“) als Maßstab zu Grunde gelegt.
Hintergrund
In den letzten Jahren haben sich nicht nur Aufsichtsbehörden auf europäischer Ebene, sondern auch die einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden mit dem Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken schwerpunktmäßig auseinandergesetzt. Das gilt auch für die FMA, der es ein großes Anliegen ist, ihre Rolle und Verantwortung im Bereich der Nachhaltigkeit wahrzunehmen. Schon seit mehreren Jahren wird versucht, mit den beaufsichtigten Unternehmen ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken zu entwickeln und die Finanzmarktteilnehmer bei der Umsetzung der regulatorischen Vorgaben und aufsichtlichen Erwartungshaltung zu begleiten. Als Teil der mittelfristigen Aufsichtsstrategie ist „Nachhaltigkeit“ seit dem Jahr 2021 als Aufsichts- und Prüfschwerpunkt der FMA festgelegt. Teil dieses Schwerpunktes ist ein sektorübergreifender Implementierungscheck des FMA-Leitfadens, dessen Ergebnisse im FMA-Bericht dargelegt werden.
Adressierte Unternehmen
Die FMA hat im Zeitraum Mai bis Juni 2022 insgesamt 106 von ihr beaufsichtigte Finanzdienstleister befragt. Es handelte sich dabei um eine sektorübergreifend harmonisierte Umfrage. Befragt wurden Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Asset Manager und Betriebliche Vorsorgekassen. Damit liegt eine Marktabdeckung von 100% vor, da sämtliche von der FMA beaufsichtigten Unternehmen in die Umfrage einbezogen worden sind.
Fragenpool
Im Rahmen der Erhebung wurden von der FMA insgesamt 44 Fragen gestellt. Diese betrafen unter anderem allgemeine Aspekte in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken und deren Integration in die Geschäftsstrategie, interne Governance und ins Risikomanagement, inklusive allfälliger Implementierungspläne. Es sind auch Fragen zu den Herausforderungen im Zusammenhang mit den Offenlegungsanforderungen gemäß der Verordnung (EU) 2019/2088 („Offenlegungs-VO“) und zur finanziellen und nicht-finanziellen Berichterstattung an die teilnehmenden Unternehmen gerichtet worden. Zudem wurde die Erhebung von der FMA dazu genutzt, von den teilnehmenden Unternehmen Input dahingehend einzuholen, ob und inwieweit der FMA-Leitfaden einer Weiterentwicklung und allfälligen Überarbeitung bedarf.
Ergebnisse der FMA-Umfrage
1. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Geschäftsstrategie, in der internen Governance sowie im Risikomanagement
Hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Geschäftsstrategie, in der internen Governance sowie im Risikomanagement der beaufsichtigten Finanzunternehmen sind insbesondere die Folgenden Erkenntnisse gewonnen worden:
- Die meisten Finanzmarktteilnehmer haben Nachhaltigkeitsrisiken bereits in die Geschäftsstrategie integriert oder sind dabei, dies zu tun.
- Fast alle beaufsichtigten Unternehmen unterziehen sich großer Anstrengungen, damit die Geschäftsleitung ein Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken entwickelt. Bei nahezu allen Unternehmen verfolgt die Geschäftsleitung Pressemeldungen. Meistens befasst sich die Geschäftsleitung auch mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und wird über Nachhaltigkeitsrisiken intern informiert. Oftmals erfolgt zudem eine Teilnahme an externen Schulungen.
- Die Befassung des Aufsichtsrats mit Nachhaltigkeitsrisiken erfolgt zwar bei der Mehrheit, aber noch nicht bei allen der befragten Unternehmen (sofern ein Aufsichtsrat einzurichten war). In all jenen Unternehmen, in denen noch keine Befassung des Aufsichtsrats mit Nachhaltigkeitsrisiken erfolgt, ist diese zumindest innerhalb der kommenden drei Jahre geplant. Soweit Aufsichtsratsausschüsse (insbesondere Prüfungs- und Risikoausschuss) einzurichten sind, befassen sich auch diese in den meisten Fällen mit Nachhaltigkeitsrisiken.
- Die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement ist noch nicht durchgehend erfolgt. „Nur“ sieben von zehn Unternehmen haben bereits entsprechende Prozesse zur Identifizierung, Messung, Beurteilung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken hinreichend implementiert.
- Bei den angewandten Methoden zur Identifikation und Messung von Nachhaltigkeitsrisiken dominieren „Szenario-Analysen und Stresstests“, „Carbon-Footprint“, „Anteil CO2-exponierter Vermögenswerte“ sowie „Klimarisiko-Heatmaps“. Bei den Methoden zur Steuerung und Begrenzung der Nachhaltigkeitsrisiken dominieren „Ausschlusskriterien und Limits“, „ESG-Integration“, „Divestment“ sowie „Best-in-Class-Ansatz“.
- Insgesamt werden häufiger Methoden zur Beurteilung und Steuerung der Nachhaltigkeitsrisiken verwendet als zu deren Identifikation und Messung.
- Fast alle Finanzdienstleister (94%) greifen bei der Beurteilung von Nachhaltigkeitsrisiken auf Know-how und Daten von Drittanbietern zurück, insbesondere auf Nachhaltigkeitsratings (72%), auf „nachhaltigkeits- und klimabezogene Daten“ (65%) auf Beratungsleistungen (58%) sowie Nachhaltigkeitsanalysen (45%).
- Die Festlegung von Risikoindikatoren erfolgt großteils nur für einige Aspekte von Nachhaltigkeitsrisiken oder ist für die kommenden drei Jahre in Planung. Beispiele für Risikoindikatoren, die angeführt werden, sind Carbon Footprint, Treibhausgas-Intensität, die Berücksichtigung von Faktoren wie Menschenrechte, Kinderarbeit, Kohleabbau, Gas, die Erfüllung der Taxonomiekriterien, oder die Verwendung von externen Nachhaltigkeitsratings.
2. Aktuelle und zukünftig erwartete Offenlegungsanforderungen
In Bezug auf die aktuellen und zukünftig erwarteten Offenlegungsanforderungen zur Nachhaltigkeit sind von der FMA folgende Erkenntnisse gewonnen worden:
- Die meisten der befragten Finanzmarktteilnehmer haben sich für die Präzisierung der Angaben der Level-1-Vorgaben der Sustainable Finance Disclosure Regulation („SFDR“) bereits an den Entwürfen der Level-2-Bestimmungen orientiert.
- Die Rückmeldungen der an der Umfrage teilnehmenden Finanzmarktteilnehmer haben der FMA gezeigt, dass die betroffenen Unternehmen mit Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anwendung der neuen Transparenzvorgaben konfrontiert sind und die Implementierung der Berücksichtigung von klimabezogenen Risiken in Risikomanagementprozess erst teilweise erfolgt ist.
- Im Zusammenhang mit den neuen Transparenzvorgaben betreffend die Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) sind zwar schon bei einigen Unternehmen entsprechende Vorbereitungshandlungen erkennbar, bei einigen Unternehmen wird hier jedoch noch ein Weiterentwicklungs- und Aufholbedarf gesehen, um die Anforderungen zeitgerecht bis zum Jahr 2024 erfüllen zu können.
3. Aufsichtliche Erwartungshaltung der FMA im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken
Basierend auf den Erkenntnissen der Umfrage hat die FMA insbesondere folgende aufsichtliche Erwartungshaltung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken:
- Die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die Geschäftsstrategie ist von den beaufsichtigten Unternehmen sicherzustellen und in der erforderlichen Zeit vorzunehmen. Die FMA geht davon aus, dass die Vorhaben entsprechend den sektoralen Vorgaben zeitnah und fristgerecht, entsprechend dem regulatorischen Rahmen, umgesetzt werden.
- Die Umfrage hat den Weiterentwicklungs- und Aufholbedarf im Bereich des Risikomanagements verdeutlicht. Unternehmen sind angehalten, in der erforderlichen Zeit nicht nur alle Anstrengungen zu unternehmen, Nachhaltigkeitsrisiken in den Risikomanagementrahmen aufzunehmen, sondern diese insbesondere auch operativ in das Risikomanagement zu integrieren. Die FMA geht auch diesbezüglich davon aus, dass die Vorhaben entsprechend den sektoralen Vorgaben zeitnah und fristgerecht umgesetzt werden.
- Die FMA erwartet auch, dass die betroffenen Unternehmen sämtliche Maßnahmen ergreifen, um die zeitgerechte und korrekte Erfüllung nachhaltigkeitsbezogener Offenlegungsvorgaben zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang ist das kürzlich beim Verlag Lexisnexis erschienene Buch „Sustainability Law – Das Recht der Nachhaltigkeit“ ein wertvoller Praxisleitfaden. Gerne steht Ihnen das Banking & Finance Team von Binder Grösswang zur Verfügung, um Sie bei den rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken zu unterstützen!
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