Rechtswidrige Videoüberwachung führt zu Strafe in Millionenhöhe
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) bestätigte in einer aktuellen Entscheidung (GZ W258 2299744-1/28E) die datenschutzrechtliche Unzulässigkeit der Videoüberwachung einer IKEA-Filiale in Wien. Auch die von der Datenschutzbehörde verhängte Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro wurde nun vom BVwG bestätigt. Der IKEA-Filiale bleibt nur mehr die Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Sachverhalt und rechtliche Beurteilung
Im Zentrum der Entscheidung standen neun Überwachungskameras einer IKEA-Filiale in Wien. Die Kameras waren im Innenbereich auf die Selbstbedienungskassen gerichtet, im Außenbereich auf die unmittelbare Umgebung, öffentliche Flächen, den Zugang des angrenzenden Bahnhofsgebäudes und eine benachbarte Liegenschaft.
Mit einer Überwachungskamera, die auf die Selbstbedienungskassen gerichtet war, wurde auch die Eingabe von PIN-Codes in das Bezahlterminal aufgezeichnet. Sowohl die Datenschutzbehörde als auch das BVwG sahen in der Aufzeichnung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung. Es wird festgestellt, dass der Schutz des Eigentums der IKEA-Filiale durch Ladendiebstählen an den Selbstbedienungskassen, auch ohne die Aufzeichnung der PIN-Eingaben, nämlich durch Überprüfung der Kassenbildschirme, möglich gewesen wäre. Daher kam die Datenschutzbehörde und das BVwG zum Ergebnis, dass damit eine überschießende und somit unrechtmäßige Datenverarbeitung vorlag.
Die Datenschutzbehörde und das BVwG erachteten auch die Erfassungsbereiche der sieben Außenkameras weitgehend als unverhältnismäßig. Die Kameras sollten unter anderem der Kontrolle der Schneeräumung und Reinigung, der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten sowie dem Schutz vor Einbruch und Vandalismus dienen. Dennoch wurde festgestellt, dass die Aufnahmen teilweise nicht erforderlich waren.
Die Aufnahmen wären auch aufgrund fehlender zeitlicher Beschränkung und angesichts gleichwertiger Alternativen zur Videoüberwachung, ganz oder teilweise nicht erforderlich gewesen. Die Grundrechte und Geheimhaltungsinteressen der aufgezeichneten Personen wogen schwerer als das Interesse der IKEA-Filiale an der Videoüberwachung, weshalb die Datenverarbeitung durch die Kameras als rechtswidrig beurteilt wurde.
Auch die begrenzte Speicherdauer der Aufzeichnungen auf höchstens 72 Stunden, die dem Richtwert der Datenschutzbehörde entsprach, änderte an diesem Ergebnis nichts.
Bemessung der Geldbuße
Bei der Bemessung der Geldbuße wurde nicht nur der Umsatz der IKEA-Filiale, sondern jener der Konzernmutter berücksichtigt. Nach Art 83 Abs 5 DSGVO kann eine Geldbuße von bis zu 4 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden. Der Konzernumsatz betrug im Jahr 2023 laut Entscheidung 44,3 Milliarden Euro, sodass eine Höchstgeldbuße von rund 1,77 Milliarden Euro möglich gewesen wäre.
Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände erachtete das BVwG die von der Datenschutzbehörde verhängte Geldbuße in Höhe von 1,8 Millionen Euro als angemessen, wirksam und abschreckend.
Schlussfolgerung
Die Entscheidung des BVwG unterstreicht die strengen Maßstäbe, die bei der datenschutzrechtlichen Bewertung von Videoüberwachungen angelegt werden. Sie zeigt, dass Verstöße gegen die DSGVO erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen können.
Datenschutzrechtliche Überlegungen und eine entsprechende Dokumentation sind für Unternehmen im Zusammenhang mit Videoüberwachung und der Verarbeitung personenbezogener Daten unerlässlich.
Da Videoüberwachungen in der Regel auf die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO gestützt werden, ist stets eine sorgfältige Interessensabwägung zwischen dem Zweck der Datenverarbeitung und den Grundrechten sowie Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Personen erforderlich. In der Praxis wird die Notwendigkeit solcher datenschutzrechtlichen Bewertungen und Dokumentationen häufig unterschätzt, obwohl sie bereits im Vorfeld einer geplanten Videoüberwachung erfolgen müssen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Um diese rechtlichen Risiken zu minimieren, sollten Unternehmen frühzeitig Datenschutzexperten konsultieren. Dies gilt sowohl für die Planung neuer Videoüberwachungssysteme als auch für die Überprüfung bestehender Anlagen, bei denen eine rechtliche Bewertung und umfassende Dokumentation noch ausstehen.
Das Datenschutzteam von BINDER GRÖSSWANG steht Ihnen als kompetenter Partner zur Seite, um Sie umfassend bei allen datenschutzrechtlichen Fragen zur Videoüberwachung zu beraten und rechtliche Risiken effektiv zu minimieren.
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