Insolvenzrechtliche Hilfestellungen durch das 2. COVID-19-Gesetz

1.
Insolvenzantragsfrist auf 120 Tage verdoppelt

Nach der österreichischen Insolvenzordnung (IO) ist die Geschäftsleitung verpflichtet, bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) ohne Verzug, spätestens aber binnen 60 Tagen, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Schon bisher galt, dass sich diese Frist auf 120 Tage verdoppelt, wenn der Insolvenzgrund durch eine Naturkatastrophe eintritt. Das Gesetz hat bisher Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder ähnliche Katastrophen vergleichbarer Tragweite genannt (§ 69 Abs 2a IO). Der Gesetzgeber hat nunmehr diese Aufzählung um Epidemie und Pandemie ergänzt und damit klargestellt, dass die Bestimmung auch in diesen Fällen gilt. Relevant ist in einer Situation wie derzeit va der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (weil Umsätze und damit die Liquidität wegbrechen); die Bestimmung gilt aber auch für den Insolvenzgrund der  Überschuldung.

Zweck (schon der bisherigen Regelung) ist, den Spielraum für Sanierungsbemühungen und öffentliche Unterstützungen bei durch solche Anlassfälle bedingter Insolvenz zu vergrößern. Dem liegt laut den Gesetzesmaterialen die Überlegung zugrunde, dass es bei einer Naturkatastrophe unklar ist, inwieweit der Schuldner von der öffentlichen Hand, von Versicherungsunternehmen oder von anderen Stellen Entschädigungsleistungen erhält; der Schuldner soll aber nicht schon nach Ablauf der 60-Tage-Frist verpflichtet sein, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn er in der nächsten Zeit Entschädigungszahlungen erwarten kann, die es ihm ermöglichen, seinen Zahlungsverpflichtungen wieder nachzukommen.

Zu beachten ist, dass die längere Frist aber nur dann anwendbar ist, wenn (wie aktuell) die Pandemie zwar nicht die einzige Insolvenzursache, wohl aber conditio sine qua non für die Insolvenz ist. Mittelbare Verursachung durch die Pandemie genügt.

Unverändert gilt aber weiterhin, dass ein Unternehmen während dieser 60/120-Tage-Frist nur fortgeführt werden darf, wenn Sanierungsversuche ernsthaft betrieben werden und ex ante aussichtsreich erscheinen. Die Frist ist dabei eine absolute Höchstfrist! Es müssen grundsätzlich alle Gläubiger gleichbehandelt werden; daher wäre es in dieser Phase unzulässig, einen bereits andrängenden oder besonders wichtigen Vertragspartner voll zu bezahlen, andere aber zu vertrösten. Auch das Einräumen von (zusätzlichen) Sicherheiten, damit Zahlungslinien offenbleiben, kann unzulässig sein. Zulässig sind hingegen angemessene Zug-um-Zug Zahlungen und solche, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs unbedingt erforderlich sind.

Trotz der Verlängerung der Frist auf 120 Tage bleibt die Fortführung des Betriebs daher für viele betroffene Unternehmen eine Gratwanderung.

2.
Sanierungsplan: Kein Wiederaufleben bei Zahlungsverzug

Eine weitere insolvenzrechtliche Änderung betrifft das mögliche Wiederaufleben von Forderungen iZm schon genehmigten Sanierungsplänen. Zum Hintergrund: die Begünstigungen des Sanierungsplans (insbesondere die Befreiung von bis zu 80% der Verbindlichkeiten) werden für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber welchen der Schuldner mit der Erfüllung des Sanierungsplans in Verzug gerät. Ein solcher Verzug ist bei Unternehmensinsolvenz (erst) anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat (§ 156a Abs 1 und 2 IO).

Geändert wird nunmehr, dass

  • (i) eine schriftliche Mahnung einer ab dem 22. März 2020 fällig gewordenen Verbindlichkeit,
  • (ii) die bis zum Ablauf des 30. April 2020 abgesendet wird,
  • (iii)  nicht zum Verzug nach § 156a Abs 1 IO führt.


Dadurch sollen Schuldner davor geschützt werden, dass sie in Folge der gegenwärtigen Krise Sanierungsplan-Quoten nicht bezahlen können und bei Mahnungen durch Gläubiger wieder in die Insolvenz rutschen. Ob dieser doch sehr enge Zeitkorridor den betroffenen Unternehmen tatsächlich hilft, wird sich zeigen.

3.
Weitere Maßnahmen erforderlich?

Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist fraglich. Andere Staaten planen weitreichendere Maßnahmen. In Deutschland etwa sollen die Insolvenzantragspflicht und die Haftungsnormen für die Geschäftsleitung betreffend Zahlungen nach Eintritt des Insolvenzgrunds unter gewissen Umständen gänzlich ausgesetzt und auch die Bestimmungen zur Insolvenzanfechtung eingeschränkt werden; dies insbesondere um zu vermeiden, dass Geschäftsleiter aus Vorsichtsgründen dennoch einen Insolvenzantrag stellen, und um sicherzustellen, dass Unternehmen auch weiterhin am Geschäftsleben teilnehmen und Zahlungen leisten können.

Unangetastet bleibt in Österreich (jedenfalls vorerst) auch das Recht von Gläubigern, einen Insolvenzantrag gegen ein Unternehmen zu stellen. Öffentliche Institutionen wie etwa die Sozialversicherungsträger und die Finanz haben aber beispielsweise schon angekündigt, mit Insolvenzanträgen zurückhaltend zu sein.

 

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