Erste Entscheidung zu abgetretenem Insolvenzanfechtungsanspruch bringt einige Klarstellungen
In seiner aufsehenerregenden und vieldiskutierten Entscheidung 17 Ob 6/19k hat der OGH klargestellt, dass Insolvenzanfechtungsansprüche disponibel sind und von Insolvenzverwaltern auch verkauft und abgetreten werden können. Nun musste sich der OGH in der im Mai veröffentlichten Entscheidung 17 Ob 2/24d noch einmal mit derselben Causa beschäftigen, dieses Mal aber mit dem Anfechtungsanspruch selbst. Auch diese Entscheidung bringt interessante Klarstellungen zur anfechtungsrechtlichen Einordnung faktischer Geschäftsführer als nahe Angehörige und zu prozessualen Einwendungen des Anfechtungsgegners.
Sachverhalt und Entscheidung
Die C-GmbH war schon länger in finanziellen Schwierigkeiten. Zur Befriedigung andrängender Gläubiger wurden daher im Juli 2015 drei Liegenschaften an die spätere Beklagte verkauft. Diese war die Ehefrau von MK, seinerseits ehemaliger Geschäftsführer der C-GmbH, der aber nach wie vor regelmäßig wie ein Geschäftsführer für und im Namen der C-GmbH aufgetreten war. Der Verkaufspreis der Liegenschaften lag unter dem damaligen Verkehrswert und auch unter dem Verkehrswert bei Insolvenzeröffnung. Über das Vermögen der C-GmbH wurde im Oktober 2016 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Masseverwalter trat mögliche Anfechtungsansprüche an den Kläger ab, welcher eine Anfechtungsklage wegen Benachteiligungsabsicht gestützt auf § 28 Z 3 IO iVm § 32 IO gegen die Beklagte als nahe Angehörige des MK einbrachte. Die Rechtswirksamkeit der Abtretung des Insolvenzanfechtungsanspruchs an den Kläger wurde vom OGH in der bereits zitierten Entscheidung 17 Ob 6/19k bestätigt. Der Klage wurde sodann in den Vorinstanzen auch inhaltlich stattgegeben. Die Beklagte erhob zum zweiten Mal Revision an den OGH. Da die anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs 3 IO gegeben waren, bestätigte der OGH die vorinstanzlichen Entscheidungen und gab der Revision nicht Folge.
Wesentliche Aussagen des OGH
1) Faktische Geschäftsführer gelten als nahe Angehörige des Schuldners
§ 28 Z 3 IO sieht für nahe Angehörige des Schuldners iSd § 32 IO eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners vor. Gemäß § 32 Abs 2 IO gelten bei juristischen Personen nicht nur die Geschäftsführer des Schuldners, sondern zB auch deren Ehegatten als nahe Angehörige.
Der OGH entschied im Ergebnis, dass dies genauso für faktische Geschäftsführer gelten muss und daher die Ehegattin eines faktischen Geschäftsführers als nahe Angehörige der Schuldnerin im Sinne von § 32 IO zu qualifizieren ist.
Recht knapp gehalten und scheinbar unproblematisch war die Feststellung der faktischen Geschäftsführerschaft von MK, bei welcher sich der OGH auf die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen konnte.
Bis dato offen war jedoch die Frage, ob ein faktischer Geschäftsführer unter § 32 IO fällt und damit der Anwendungsbereich von § 28 Z 3 IO eröffnet ist. Dies bejaht der OGH und stützt sich dabei auch auf die in Deutschland einhellige Meinung und Stellungnahmen in der österreichischen Literatur. Entscheidend ist nach dem OGH, dass der faktische Geschäftsführer wie ein formaler Geschäftsführer eine „Insiderstellung“ und damit eine „besondere Informationsmöglichkeit“ hat. Das entspricht wertungsmäßig auch der sonstigen Rechtsprechung, welche den faktischen und den formalen Geschäftsführer den gleichen deliktischen Haftungen unterwirft.
2) Leitende Angestellte gelten nicht als nahe Angehörige des Schuldners
Eine weitere Klarstellung betrifft leitende Angestellte. Gemäß § 138 Abs 2 Z 2 dInsO gelten in Deutschland auch Personen, „die aufgrund einer vergleichbaren […] dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten“, als dem Schuldner nahestehende Personen. Die Erfassung faktischer Geschäftsführer als nahe Angehörige führt laut OGH nicht zu einer Subsumption leitender Angestellter unter § 32 IO. Diese haben keine (faktischen oder rechtlichen) Geschäftsführern regelmäßig gleichkommende Insiderstellung und damit Informationsbeschaffungsmöglichkeit.
3) Grundsatz der Befriedigungstauglichkeit gilt auch bei abgetretenen Anfechtungsansprüchen
Allen Anfechtungstatbeständen der IO liegt das Erfordernis der Befriedigungstauglichkeit zu Grunde. Nicht befriedigungstauglich ist eine Anfechtung laut OGH (mit Verweis auf Stellungnahmen in der österreichischen und deutschen Literatur) dann, wenn feststeht, dass sämtliche Gläubiger – sowohl Masse- als auch Insolvenzgläubiger – im Insolvenzverfahren auch ohne die Anfechtung volle Befriedigung erlangen. Steht fest, dass nur ein Teilbetrag der angefochtenen Rechtshandlung erforderlich ist, um zusammen mit der bereits vorliegenden Insolvenzmasse alle Gläubiger zu befriedigen, so steht auch nur dieser Teilbetrag dem Anfechtungskläger zu. An dem Erfordernis der Befriedigungstauglichkeit hat – wie vom OGH bereits in der Entscheidung 17 Ob 6/19k festgehalten und nun nochmal bestätigt – die Abtretung des Anfechtungsanspruchs an die Klägerin nichts geändert.
Bei grundsätzlicher Befriedigungstauglichkeit obliegt es nach stRsp des OGH dem Anfechtungsgegner, Tatsachen zu behaupten, aufgrund derer die Anfechtung aus besonderen Gründen nicht befriedigungstauglich ist, und diese Tatsachen unter Beweis zu stellen (vgl allgemein RS0050510 sowie RS0050751 [T2]). Dem hat die Beklagte gegenständlich aber nicht entsprochen.
Bedeutung für die Praxis
Die Klarstellungen des OGH sind zu begrüßen. Die Gleichstellung faktischer und rechtlicher Geschäftsführer auch in Sachen Insolvenzanfechtung ist uE nur konsequent. Ebenso ist uE zu begrüßen, dass der OGH eine Ausweitung der Angehörigenstellung auf leitende Angestellte klar abgelehnt hat. Eine ausnahmsweise Kenntnis über Unternehmensinterna ist gerade nicht ausreichend für eine Angehörigenstellung. Dies gilt nicht nur für leitende Angestellte, sondern uE genauso für Dritte wie Geschäfts- und Finanzierungspartner.
Mit der ersten inhaltlichen Entscheidung über einen vom Insolvenzverwalter abgetretenen Insolvenzanfechtungsanspruch ist der generelle Trend bestätigt, dass Insolvenzanfechtungsansprüche immer öfter gleich wie andere Massegegenstände im Interesse der Gläubiger veräußert werden. Dies ist mit Blick auf das Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung eine erfreuliche Entwicklung. Die nochmaligen Klarstellungen des OGH zur Befriedigungstauglichkeit unterstreichen, dass dem Anfechtungsgegner dieselben Verteidigungsmittel wie gegenüber dem Insolvenzverwalter zukommen und die Abtretung von Anfechtungsansprüchen den Anfechtungsgegner daher nicht schlechter stellt.
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