Filmen von Polizeieinsätzen und deren Veröffentlichung
Zuletzt musste sich die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) gleich mehrmals damit auseinandersetzen, inwieweit das Filmen von Polizisten während einer Amtshandlung und die anschließende Veröffentlichung des Filmmaterials (vor allem auf sozialen Medien wie YouTube oder Facebook) gegen das Recht der abgebildeten Personen auf Geheimhaltung verstößt. Dabei war dieses Recht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung abzuwägen. Aber auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hat kürzlich überprüft, ob in solchen Fällen ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person vorliegt.
Der Entscheidung der DSB vom 2. Dezember 2019 (GZ: DSB-D124.352/0003-DSB/2019; nicht rechtskräftig) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beschwerdeführerin, eine Polizistin, holte zu Weihnachten 2018 mit fünf anderen Polizisten und zwei Streifenwägen einen 12-Jähringen bei seiner Familie ab, weil er ohne Erlaubnis und Verständigung das Wohnheim, in dem er untergebracht war, verlassen hatte. Der Vater des Minderjährigen fotografierte den Einsatz und postete die Bildaufnahmen zwei Mal auf Facebook, das zweite Mal unter Nennung des Namens der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin fühlte sich dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 DSG) verletzt.
Die DSB wies die Beschwerde hinsichtlich des ersten Postings ab, weil sie darin einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse (Angemessenheit der Abholung eines Minderjährigen mit zwei Streifenwägen und sechs Einsatzkräften) sah und daher das Recht auf freie Meinungsäußerung überwog. Das zweite Posting beurteilte sie als rechtswidrig. Damit wollte der Vater des Minderjährigen unter Nennung des Namens der Beschwerdeführerin lediglich seinen Unmut öffentlich zum Ausdruck bringen, weshalb hier das Recht auf Geheimhaltung überwog.
In einem zweiten Fall (Entscheidung vom 28. Februar 2020, GZ: DSB-D123.685/0009.DSB/2019; nicht rechtskräftig) wurde bestätigt, dass das Hinterfragen der Verhältnismäßigkeit polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt grundsätzlich einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse darstellt. Auch hier wurde ein Polizeieinsatz gefilmt und anschließend auf sozialen Medien veröffentlicht. Hingegen ist es unzulässig, wenn ein abgebildeter Polizist unter Verwendung eines Snapchat-Filters mit Hasenohren und Hasennase dargestellt und der Bildaufnahme einer Polizistin ein anzüglicher Text und ein anzügliches Emoji beigefügt wird. Diesbezüglich kann nicht mehr von einem Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse gesprochen werden.
Selbst wenn aus datenschutzrechtlicher Sicht die Veröffentlichung von Bildaufnahmen eines Polizeieinsatzes zulässig ist, bedeutet das nicht automatisch, dass damit kein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten erfolgt, der einen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch rechtfertigen würde. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des OGH vom 27. Juni 2019 (6 Ob 6/19d) verwiesen. Hier zog ein Gerichtsvollzieher in einem Exekutionsverfahren gegen einen Unternehmer Polizei- und Cobrabeamte zur Unterstützung bei einer Fahnisexekution bei. Die Ehefrau des Unternehmers filmte den Einsatz und veröffentlichte das Video auf YouTube. Einer der darauf abgebildeten Polizisten klagte und beantragte, das Anfertigen von Aufnahmen von ihm und die Veröffentlichung solcher Videos und Bilder zu untersagen.
Der OGH unterschied zwischen der Aufnahme und der Veröffentlichung von Bildern. Behaupteter Zweck der Aufnahme war die Dokumentation der Amtshandlung zu Beweiszwecken, nicht aber die gezielte Aufnahme des Klägers. Dass es dem Kläger möglicherweise unangenehm war, gefilmt zu werden, begründet für sich noch keinen Eingriff in rechtlich geschützte Interessen. Die Staatsgewalt muss bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass diese Vorgänge festgehalten werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht wird. Im Ergebnis wurde die Aufnahme daher als zulässig erachtet.
Die Veröffentlichung des Videos war jedoch nicht zulässig. Nach § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, insbesondere gegen Bloßstellung, Preisgabe seines Privatlebens oder Herabsetzungen. Auch die Veröffentlichung an sich unbedenklicher Aufnahmen ist unzulässig, wenn der Abgebildete durch einen Begleittext mit Vorgängen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat, oder der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben wird.
Durch die Verbreitung im Internet wurde der Kläger einer breiten Öffentlichkeit "vorgeführt“ und es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass er und die Staatsgewalt heruntergemacht werden sollte. Darüber hinaus hatte das Exekutionsgericht, das die Amtshandlung angeordnet hatte, offensichtlich begründete Sorge, dass sich der Unternehmer ohne Beiziehung der Spezialeinheit „Cobra“ und von Hunden (was nicht üblich ist) auch gewaltsam gegen die Amtshandlung wehren würde. Schließlich wurde der Kläger im Video hörbar auch mit seinem Namen angesprochen, sodass auch seine Anonymität ohne sachlichen Grund beeinträchtigt wurde.
Erwähnenswert ist allerdings, dass die Beklagte keine Gründe, die eine Interessenabwägung zugunsten des Rechts auf Veröffentlichung ausschlagen lassen würden (zB Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit), angeführt hatte. Möglicherweise wäre es der Beklagten damit gelungen, auch den Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung erfolgreich abzuwehren. Es bleibt somit vorerst abzuwarten, unter welchen Umständen auch im Zivilverfahren der Hinweis auf einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse die Veröffentlichung einer Bildaufnahme rechtfertigen kann. Wer solches Bildmaterial veröffentlicht, muss dafür jedenfalls überzeugende Gründe anführen können.