Deutsches Gericht qualifiziert Crowdworker als Selbständige
Rechtsprechnung: LArbG München, Urteil v. 04.12.2019 – 8 Sa 146/19
Das Landesarbeitsgericht München hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Crowdworker als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Im konkreten Fall kam es zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei, da keine Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit bestand. Handelt es sich hierbei um ein richtungsweisendes Urteil? Wie ist die rechtliche Situation von Crowdworkern in Österreich zu beurteilen?
Was ist Crowdworking?
Facebook, Whatsapp, Airbnb, YouTube – die „Plattformisierung“ der Lebens- und Wirtschaftsbereiche schreitet voran und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. So ist es wenig verwunderlich, dass diese Entwicklung auch vor der Arbeitswelt nicht Halt gemacht hat und Hunderttausende für Plattformen wie Amazons Mechanical Turk oder Clickworker arbeiten. Es wird geschätzt, dass es weltweit über 20 Millionen Crowdworker gibt.
Crowdworking bietet Unternehmen (Crowdsourcer) die Möglichkeit, Tätigkeiten, die zuvor durch wenige bestimmte Vertragspartner (idR Arbeitnehmer) erbracht wurden, an einen theoretisch unbestimmt großen Personenkreis (Crowdworker) in der Form auszulagern (outsourcing), dass sie auf einer internetbasierten Plattform angeboten und in der Folge abgearbeitet werden.
Rechtlicher Hintergrund
Vereinfacht lässt sich die vertragsrechtliche Abwicklung von Crowdworking in zwei Phasen gliedern: In Phase I registrieren sich leistungswillige Interessenten bei der Plattform und akzeptieren deren allgemeine Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärungen. Falls der potenzielle Crowdworker den Anforderungen der Plattform entspricht, kommt mittels Freischaltung des Accounts ein unbefristeter Rahmenvertrag zwischen diesen beiden Akteuren zustande. In Phase II werden dem Crowdworker verschiedenste Tätigkeiten zur Bearbeitung angeboten. Je nach Auslegung des Angebots nach allgemein zivilrechtlichen Regeln kommt anschießend entweder ein Vertrag zwischen dem Crowdworker und dem Plattformbetreiber oder zwischen dem Crowdworker und dem Crowdsourcer zustande. Im ersten Fall handelt es sich um eine Vertragskette: der Crowdsourcer schließt einen Vertrag mit dem Plattformbetreiber und dieser einen Vertrag mit dem Crowdworker. Im zweiten Fall nimmt der Plattformbetreiber eine reine Vermittlerrolle ein.
Arbeitsrechtliche Einordnung
Aus arbeitsrechtlicher Sicht geht es im Kern um die Frage, wie das in Phase II zustande gekommene Vertragsverhältnis zu qualifizieren ist. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Crowdworker einen Vertrag mit dem Plattformbetreiber oder mit dem Crowdsourcer abschließt. Die Qualifikation des vorliegenden Verhältnisses als Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag ist anhand der bestehenden gesetzlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs vorzunehmen. Hier steht in Österreich (ähnlich wie in Deutschland) die persönliche Abhängigkeit und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers im Vordergrund: Es geht also vor allem darum, dass der Arbeitgeber Arbeitszeit und Arbeitsort einseitig festlegen kann und die Arbeit daher fremdbestimmt verrichtet wird. Nichtsdestotrotz ist auch bei weitestgehender Flexibilisierung dieser beiden Faktoren das Vorliegen eines Arbeitsvertrages denkbar, wenn der Crowdworker zur höchstpersönlichen Arbeit verpflichtet ist, seine an eine vorgegebene Reihenfolge gebundene Tätigkeit einer durchgehenden Kontrolle unterliegt und er unter Zeitdruck steht. Der Umstand, dass die von Crowdworkern zu erbringenden Tätigkeiten regelmäßig am Computer vom Home-Office aus verrichtet werden, erschwert eine solche Einordnung etwas, ändert aber nichts daran, dass die für die analoge Arbeit geschaffenen Normen und Judikatur eine ausreichende Feinadjustierung ermöglichen, um die Sachlage juristisch einzuordnen.
Fazit
Aus dem Urteil des deutschen Arbeitsgerichts kann über den Einzelfall hinausgehend nicht viel gewonnen werden. In Österreich wäre das Urteil im konkreten Fall wohl ähnlich ausgefallen. Crowdwork lässt sich aber weder in Deutschland noch in Österreich generell rechtlich einordnen, weil es in verschiedenartiger Gestalt vorkommt. Die vorzunehmende Einordnung ist mit den derzeit zur Verfügung stehenden Rechtsinstituten möglich. Die eigentliche Frage bleibt, ob die derzeitige rechtliche Situation, wonach der arbeitsrechtliche Schutz ausschließlich Arbeitnehmern zugutekommt und wirtschaftlich Abhängige, die mangels Fremdbestimmtheit aber eben keine Arbeitnehmer sind, ausnimmt, befriedigend und sachgerecht ist.
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