Österreichische Fusionskontrolle - Rückgang der Anmeldungen und neues Formblatt
Während die Zahl der Zusammenschlussanmeldungen in Österreich aufgrund von COVID-19 im Jahr 2020 erheblich zurückgegangen ist, hat die österreichische Wettbewerbsbehörde im Oktober erstmals seit vielen Jahren wieder ein neues Formblatt veröffentlicht. In unserem Blog finden Sie weitere Informationen über die Auswirkungen dieses neuen Formblatts auf die Vorbereitung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich.
Am 30. November veröffentlichte die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde ("BWB") ihren Tätigkeitsbericht für 2019. Die Zahl der Zusammenschlussanmeldungen war mit 495 nationalen Anmeldungen sehr hoch, was im Vergleich zum Jahr 2018 einen erneuten Anstieg um 14 Anmeldungen bedeutet. Betrachtet man jedoch die Entwicklungen im Jahr 2020, so wurden bis Ende November ca. 374 Anmeldungen bei der BWB eingereicht. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gesamtzahl für das Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 deutlich geringer ausfallen wird (bis Ende des Jahres werden voraussichtlich noch rund 50 Anmeldungen folgen). Keine Überraschung, denn die Pandemie hat sich natürlich auch auf die M&A-Aktivitäten der Unternehmen ausgewirkt.
Trotz der Pandemie (die im ersten Lockdown im März nur zu einer befristeten Verlängerung der Prüfverfahren führte und ansonsten keine Auswirkungen auf Zusammenschlussverfahren in Österreich hatte) war die BWB das ganze Jahr über sehr aktiv. Unter anderem hat sie im Oktober auch ein geändertes Formblatt veröffentlicht, das die Parteien bei der Anmeldung ihrer anmeldepflichtigen Transaktionen verwenden sollen. Während die österreichischen Umsatzschwellen bzw. Anmeldevoraussetzungen sehr niedrig sind und damit zu der vergleichsweise hohen Anzahl von Anmeldungen führen, waren die aufgrund des Formblatts notwendigen Informationsabfragen bisher insbesondere in (der überwiegenden Mehrheit der) einfachen Phase-I-Fällen für die Parteien nicht allzu aufwendig. Wird das neue Formblatt dies nun ändern, wird es also insbesondere Auswirkungen auf die Dauer/Komplexität der Vorbereitung von Zusammenschlussanmeldungen haben?
Die gute Nachricht ist nein in Bezug auf unproblematische Fälle mit keinen oder geringen Überschneidungen wie auch bei "betroffenen" Märkten (gemeinsame Marktanteile von mindestens 15 % oder Marktanteile von mindestens 25 % auf vertikal verbundenen Märkten) unterhalb der Schwellenwerte für eine Marktbeherrschungsvermutung. Für diese Fälle bringt das neue Formblatt keine materiellen, zusätzlichen Anforderungen mit sich. Aber selbst wenn ein Vermutungstatbestand für Marktbeherrschung erfüllt ist (hier insbesondere der Fall von gemeinsamen Marktanteilen von mindestens 30 %), dürfte das Formblatt mit einer Ausnahme keine wesentlichen, neuen Anforderungen enthalten, auch wenn dies auf den ersten Blick anders scheinen mag. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Neuerungen gegeben:
In Bezug auf alle Anmeldungen verlangt die BWB nun auch im Zusammenhang mit der zur Veröffentlichung auf ihrer Website vorgesehenen Zusammenfassung ausdrücklich Informationen über den dahinterstehenden wirtschaftlichen, operativen Eigentümer. Dies ist nicht verwunderlich, da die Veröffentlichung Dritten die Möglichkeit geben soll, wettbewerbliche Probleme im Zusammenhang mit der geplanten Transaktion aufzuzeigen, was erschwert wird, wenn nicht sofort klar ist, wer hinter dem Erwerber steht. Zudem sollen laut Formblatt nun auch die spezifische (4- oder 5-stellige) ÖNACE-Code-Kategorisierung für den von der Transaktion betroffenen Industriesektor angegeben sowie eine englische Version der Transaktionszusammenfassung erstellt werden. Interessanterweise hatte dies bis jetzt (das Formblatt ist nun seit etwa einem Monat in Verwendung) keine Auswirkungen auf den Veröffentlichungstext: Weder wurde in der Veröffentlichung bisher soweit ersichtlich auf den erwähnten ÖNACE-Code Bezug genommen (sondern weiterhin nur auf den Industriesektor), noch wurde die im Formblatt geforderte englische Version der Zusammenfassung in Bezug auf die im November eingereichten Transaktionen veröffentlicht. Wir würden aber davon ausgehen, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird.
Was Anmeldungen auf Basis der relativ neuen Transaktionswertschwelle anbelangt, so überrascht es auch nicht, dass die Parteien nun ausdrücklich aufgefordert werden, Informationen über den Transaktionswert (genauer Betrag und Hauptbestandteile des Werts der Gegenleistung) und die erhebliche Inlandstätigkeit vorzulegen. Weiters sind Ausführungen zur Geschäftsstrategie für das Zielunternehmen für die nächsten drei Jahre zu machen.
Was die Fälle von vermuteter Marktbeherrschung anbelangt, so besteht der wichtigste neue Aspekt des geänderten Formblatts darin, dass die Parteien – im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem, was in einigen anderen Rechtsordnungen (z. B. für eine EU-Anmeldung) bereits als Standard verlangt wird – die wichtigsten internen Dokumente (Präsentationen, Infomemos usw.), die im Zusammenhang mit der Transaktion erstellt wurden (z. B. Erörterung der wirtschaftlichen Beweggründe, Alternativen, finanzielle Beurteilung, mögliche Synergieeffekte, Businesspläne), sowie alle Analysen, Studien usw., die für die wettbewerbliche Beurteilung der Märkte maßgeblich sind, mit der Anmeldung übermitteln sollten.
Darüber hinaus werden die Parteien in Fällen von Marktbeherrschungsvermutung gebeten, Ausgleichsfaktoren wie Nachfragemacht, potenzieller Wettbewerb und die Wahrscheinlichkeit von Markteintritten oder ggf. Argumente für eine Sanierungsfusion darzulegen. Solche Faktoren müssen jedoch in jedem Fall in der Anmeldung erörtert werden, da die Parteien die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung widerlegen müssen. Zu diesem Zweck müssen sie Argumente vorbringen, die nun im neuen Formblatt beispielhaft dargelegt werden. Das Formblatt enthält daher im Wesentlichen keine wirklich neuen Anforderungen in diesem Zusammenhang, sondern beschreibt lediglich mögliche Gründe für die Widerlegung und soll damit den Parteien helfen, bereits in einem frühen Stadium wichtige Informationen zu liefern, die es den Wettbewerbsbehörden wiederum ermöglichen sollen, die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb besser einzuschätzen. In jedem Fall wird jedoch der notwendige Inhalt der Anmeldung in möglicherweise problematischen Zusammenschlussfällen – wie schon in der Vergangenheit – in einer Pränotifikationsphase mit den Behörden diskutiert werden müssen.
Die Teile des Formblatts, die sich auf Rechtfertigungsgründe (für den Fall, dass die Transaktion eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt), Spill-over-Effekte bei Joint Ventures und Medienzusammenschlüsse (für die umfangreiche zusätzliche Daten erforderlich sind, deren Erhebung mitunter recht aufwändig ist, insbesondere wenn es sich um ausländische Unternehmen handelt) beziehen, sind unverändert geblieben.
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass das von der BWB im Oktober veröffentlichte neue Formblatt keine wesentlichen Auswirkungen auf die Vorbereitung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich hat, insbesondere was unproblematische Fälle betrifft, die die Mehrheit der eingereichten Anmeldungen ausmachen. Die Notwendigkeit, bei Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung interne Dokumente vorzulegen, wird von den Transaktionsparteien aus offensichtlichen Gründen nicht begrüßt werden, bleibt aber die einzige wesentliche Neuerung des geänderten Formblatts, die den Parteien bewusst sein sollte.
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