Verwaltungsstrafen für Kredit- und Finanzinstitute im Aufsichtsrecht
Hohe Verwaltungsstrafen für Kredit- und Finanzinstitute
Die Verwaltungsstrafen für juristische Personen im Bereich des Bankaufsichtsrechts können erhebliche Ausmaße annehmen. Bemessungsgrundlage für die Strafhöhe ist nämlich teilweise der jährliche Gesamtnettoumsatz des betroffenen Kredit- oder Finanzinstituts. Falls dieses Teil einer Gruppe ist, ist der im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft ausgewiesene Gesamtumsatz als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Die Strafhöhen können bis zu 10% des (konsolidierten) jährlichen Gesamtnettoumsatzes erreichen.
Die Strafbarkeit des Kredit- oder Finanzinstituts setzt die Zurechnung des relevanten strafbaren Verhaltens an die juristische Person voraus. Der Frage der Zurechnung kommt daher wesentliche Bedeutung in Verwaltungsstrafverfahren gegen Kredit- oder Finanzinstitute zu. Dieser Newsletter erläutert daher wie bei Verwaltungsstrafverfahren der FMA gegen Kredit- oder Finanzinstitute die Zurechnung des strafbaren Verhaltens an die juristische Person erfolgt.
Zurechnung des strafbaren Verhaltens an das Kredit-/Finanzinstitut
Das Bankwesengesetz (§ 99d BWG), das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (§ 35 FM-GwG), das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 (§ 96 WAG 2018) und das Investmentfondsgesetz 2011 (§ 190a InvFG 2011) sehen jeweils die Möglichkeit vor, dass die FMA bei bestimmten Verstößen gegen diese Gesetze Geldstrafen unmittelbar gegen das jeweilige Kredit- oder Finanzinstitut als juristische Person verhängen kann.
Voraussetzung für die Bestrafung der juristischen Person nach den jeweiligen Normen ist, dass natürliche Personen, die eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person haben und diese nach außen vertreten können bzw. innerhalb dieser Kontrollbefugnisse haben („Führungsperson“), gegen die relevanten gesetzlichen Verpflichtungen verstoßen haben oder wegen mangelnder Überwachung oder Kontrolle die Begehung der Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht haben.
Nach der Rechtsprechung des VwGH in der Entscheidung Ro 2018/02/0023 setzt die Bestrafung der juristischen Person voraus, dass eine ihr zurechenbare natürliche Person (Führungsperson) eine Straftat begangen hat. Der Strafbarkeit der juristischen Person liege dabei der Vorwurf zu Grunde, die dort genannten Führungspersonen hätten gegen die gesetzlichen Verpflichtungen verstoßen oder sie hätten durch mangelnde Kontrolle oder Überwachung eine „Mitarbeitertat“ ermöglicht.
Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, ist ihre Strafbarkeit – entsprechend der genannten Entscheidung des VwGH – daher eine Folge des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer Führungsperson. Für die Wirksamkeit der gegen die juristische Person gerichteten Verfolgungshandlung sei demgemäß auch eine genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person erforderlich.
Weiter hält der VwGH fest, dass ein so erhobener Vorwurf gegen die juristische Person – wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person – auch einen entsprechenden Vorwurf gegen die im Vorwurf genannte natürliche Person enthält. Wird daher einer namentlich genannten oder eindeutig nach individuellen Kriterien bestimmten Führungsperson in einer Verfolgungshandlung gegen die juristische Person eine Straftat vorgeworfen und kommt die Führungsperson für eine Bestrafung gemäß § 9 VStG grundsätzlich in Betracht, so ist sie nach dem VwGH gemäß § 32 Abs 1 VStG ebenfalls als Beschuldigter im Verfahren gegen die juristische Person zu führen und hat die entsprechenden Parteirechte. Die Führungsperson ist somit nicht nur in einem allenfalls gegen sie persönlich geführten Verfahren als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person gemäß § 9 VStG als Beschuldigter zu behandeln, sondern auch im Verfahren gegen die juristische Person. Andernfalls wären ihre Parteirechte nicht sichergestellt.
Verfahren gegen Geschäftsleiter als Voraussetzung für Verfahren gegen Kredit-/Finanzinstitut?
Aufgrund der Notwendigkeit des strafbaren Verhaltens durch eine Führungsperson (idR die Geschäftsleiter) stellt sich die zentrale Frage, ob gegen diese – als Voraussetzung für die Strafbarkeit der juristischen Person – ebenfalls ein Verwaltungsstrafverfahren zu führen ist. Der VwGH hält in der Entscheidung Ro 2018/02/0023 fest, dass das Verfahren gegen die natürliche Person nicht vorrangig zu führen und zu beenden ist und auch kein Schuldspruch gegen diese erforderlich ist, um auch die juristische Person bestrafen zu dürfen. Für eine Bestrafung der juristischen Person sei vielmehr folgendes entscheidend:
- Die zur Beurteilung eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens erforderlichen Feststellungen wurden getroffen;
- Im Spruch sind alle notwendigen Elemente für eine Bestrafung der natürlichen Person aufgenommen und
- das Verhalten der natürlichen Person wird der juristischen Person zugerechnet.
Es komme dagegen nicht darauf an, ob und gegebenenfalls gegen welche natürliche Person (idR die Geschäftsleiter) – ebenfalls – ein Verwaltungsstrafverfahren geführt wird oder wurde.
In der Entscheidung Ro 2019/02/0012 hält der VwGH zudem fest, dass die Bestrafung einer juristischen Person zwar die Zurechnung eines Verschuldens ihrer Organe (bzw. Führungsperson mit Kontrollbefugnissen) voraussetzt, diese Zurechnung aber nicht dadurch verhindert wird, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die beiden beschuldigten Geschäftsleiter eingestellt wurde und diese daher nicht bestraft wurden. In diesem Verfahren hat die FMA gemäß § 22 Abs. 6 Z 2 FMABG per internen Aktenvermerken von einer Bestrafung der Geschäftsleiter abgesehen. Eine formelle Einstellung des Verwaltungsstraffverfahrens gegen die Geschäftsleiter gemäß § 45 VStG – etwa mangels Schuldvorwurf – ist dagegen nicht erfolgt. Eine Unterbrechung der Zurechnung des Verhaltens der beschuldigten Geschäftsleiter zu ihrem Institut lag daher aus Sicht des VwGH nicht vor. Ganz allgemein hält der VwGH in dieser Entscheidung auch nochmals fest, dass es für die Bestrafung der juristischen Person gerade nicht darauf ankommt, ob und gegebenenfalls gegen welche natürliche Person ein Verwaltungsstrafverfahren geführt wird oder wurde.
Die Zurechnung einer natürlichen Person an die juristische Person setzt voraus, dass die natürliche Person entweder ausdrücklich genannt oder auf diese durch Verweis auf beigeschlossene Urkunden (zB Firmenbuchauszug) verwiesen wird. Die bloße Bestimmbarkeit der Person genügt nicht. Im Spruch des Straferkenntnisses der FMA müssen die natürlichen Personen, über die die Zurechnung an die juristische Person erfolgt, daher namentlich genannt werden oder es muss etwa ein Firmenbuchauszug beigelegt werden, aus dem sich die im Spruch bezeichneten natürlichen Personen eindeutig ergeben (etwa die Mitglieder des Vorstands).
Zusammenfassung
Die Bestrafung der juristischen Person setzt ein gesetzwidriges Verhalten durch eine Führungsperson voraus, das dem Kredit- oder Finanzinstitut zugerechnet wird.
Für die Strafbarkeit eines Kredit- oder Finanzinstituts als juristische Person ist eine Bestrafung einer Führungsperson allerdings nicht zwingend erforderlich.
Die Führungsperson, über die die Zurechnung an die juristische Person erfolgt, ist im Verwaltungsstrafverfahren gegen das Kredit- oder Finanzinstitut als Beschuldigter zu führen, um ihre Parteirechte zu gewährleisten. Dies setzt eine namentliche Nennung der Führungsperson oder deren eindeutige Bestimmbarkeit aufgrund von Beilagen (zB Firmenbuchauszug) voraus.
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