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Nachhaltigkeit auf der Überholspur oder doch nur ein Fehlstart?
Wie Kfz-Emissionen die Kommission (nicht) zu Nachhaltigkeitserwägungen bringt.
Vor Kurzem veröffentlichte die Europäischen Kommission in der Causa Car Emissions ihre Entscheidung und die Letters an die Parteien.
In dem Fall ging es im Wesentlichen um Automobilkonzerne, die sich im Zusammenhang mit Technologien zur selektiven katalytischen Reduktion – dh der (vermeintlichen) Reduktion von-Abgas-Emissionen – etwas zu intensiv berieten und kartellrechtlich sensible Informationen dazu austauschten.
Die Kommission zog schlussendlich die Notbremse. Aufgrund der hohen Kooperationsbereitschaft der Automobilhersteller wurden jedoch nur geminderte Geldbuße im Rahmen einer Settlement-Entscheidung verhängt; einem Unternehmen wurde diese wegen seines Kronzeugenstatus erlassen.
In der Kartellrechtsszene erlangte die Entscheidung vor allem dadurch Aufmerksamkeit, dass der Verstoß nicht auf einer klassischen Preisfestsetzung, Markt- oder Kundenaufteilung beruht. Die vorgeworfene Kartellrechtswidrigkeit bestand vielmehr in der Beschränkung technischer Entwicklungen bzw deren Einsatz in der Produktion von Automobilen.
Die Entscheidung ist aber ebenso aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit interessant, nicht zuletzt da ohne die gegenständlichen Absprachen umweltfreundlichere Technologien hätten entwickelt bzw eingesetzt werden können.
Auch die Kommission hat nun wohl die Effektivität des Kartellrechts in der Verfolgung umweltpolitischer Themen erkannt. So verkündet sie in ihrer Pressemitteilung zum Car Emmission-Fall geradezu euphorisch, dass die Untersuchungen zeigen, wie Kartellrecht zur Verwirklichung des Green Deals genutzt werden kann und Märkte somit effizient, fair und innovativ gestaltet werden können.
Damit spricht sie die Zielsetzungen des Green Deals – dem Prestigeprojekt der Kommission in Sachen Klimaschutz – an. Der Green Deal soll für eine Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % sorgen und strebt an, dass die EU bis 2050 keine Treibhausgase mehr ausstößt.
Ähnlich progressive Vorstöße wie in der Pressemitteilung fehlen in der nun veröffentlichten Entscheidung dagegen weitgehend. Die Kommission bedient sich den traditionellen Prüfsystemen und Mechanismen des Kartellrechts und liefert eine rechtlich solide Analyse des Sachverhalts. Die nach der enthusiastischen Pressemitteilung erwarteten Umbrüche bezüglich Nachhaltigkeitserwägungen bleiben leider aus.
Auch wenn eine plakativere Wortwahl in der Entscheidung in Car Emissions den Weg für eine effektivere Rechtsdurchsetzung im Bereich Kartellrecht und Nachhaltigkeit bringen hätte können, wird dies aus legislativer Sicht eventuell bald gar nicht mehr notwendig sein: Um den Zielen des Green Deals auch im Kartellrecht gerecht zu werden, wurden von der Kommission schon umfassende Konsultationen mit Europas Kartellrechtsexperten vorgenommen. Auch bei den Horizontal-Leitlinien – ein wichtiges Instrument zur Bewertung von Vereinbarungen von Unternehmen derselben Marktstufe – wird derzeit erwogen, Nachhaltigkeitserwägungen einfließen zu lassen.
In Hinblick auf diese Umbrüche im EU Kartellrecht ist die zurückhaltende Position der Kommission in der veröffentlichten Entscheidung wohl verständlich und im Rahmen des derzeit Möglichen durchaus angebracht. Betrachtet man hingegen die – rechtlich natürlich nicht verbindlichen – Äußerungen der Kommission in der Pressemeldung, so scheint es, als könnte man sich in der Zukunft jedoch auf den – viel erwarteten - nachhaltigen Tatendrang der Kommission an der Schnittstelle der Nachhaltigkeit mit dem Kartellrecht gefasst machen.
Diesen Drive in die richtige (Fahrt-)Richtung sollte die Kartellrechtsszene jedoch fortsetzen und eventuell sogar einen Gang hochschalten, damit sich die Nachhaltigkeitsbestrebungen im Kartellrecht in Richtung Ziellinie bewegen.
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