Pillar 2 wird in der EU Realität
Im Dezember haben sich die EU-Mitgliedstaaten über die Umsetzung der Richtlinie des Rates, über die Schaffung gemeinsamer Maßnahmen für die effektive Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmensgruppen und großer inländischer Gruppen (Pillar-2-Richtlinie) geeinigt. Nach einigen erfolglosen Verhandlungsrunden wurde der Richtlinientext am 16. Dezember 2022 vom Europäischen Rat nun formell angenommen.
Die notwendige, einstimmige Verabschiedung der Richtlinie war möglich, nachdem Ungarn seine Vorbehalte gegen die Richtlinie fallen ließ. Es scheint naheliegend, dass der Meinungswandel Ungarns im Konnex mit dessen unlängst durch die Europäische Kommission genehmigten Post-COVID-Konjunkturstärkungsprogramm steht, dessen Verabschiedung zuvor anhaltende Rechtsstreitigkeiten im Wege standen.
Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet die Richtlinie bis Ende 2023 in nationales Recht umzusetzen. Während einige Bestimmungen mit Implementierung in das innerstaatliche Recht bereits Anwendung finden werden (Primärergänzungssteuerregelung - PES), werden andere Regelungen der Richtlinie (Sekundärergänzungssteuerregelung – SES) erst mit 31. Dezember 2024 in Kraft treten. Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten großen Gestaltungsspielraum bei dessen Umsetzung einräumt, bleibt hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung und Anwendung der nun geschaffenen globalen Mindestbesteuerung in den unterschiedlichen Jurisdiktionen die tatsächliche Implementierung der Richtlinie abzuwarten.
Was ist Pillar 2?
Pillar 2 ist ein Bestandteil der internationalen Steuerreform der OECD. Diese zielt auf die weltweite Eliminierung von Niedrigbesteuerung ab und bekämpft, insbesondere durch die Implementierung einer effektiven Mindestbesteuerung globaler Gewinne von multinationalen Unternehmensgruppen, laut OECD aggressive Steuerplanung sowie Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer (sogenannte „Steueroasen“).
Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten einen effektiven Körperschaftsteuersatz von mindestens 15% vorzusehen. Unterliegen im Ausland generierte Gewinne einer niedrigeren Besteuerung, so führt Pillar 2 zu einer Ergänzungssteuer, um die effektive Mindestbesteuerung der globalen Gewinne von Unternehmensgruppen zu gewährleisten.
Anwendungsbereich der Richtlinie?
Die Richtlinie zielt auf multinationale Unternehmensgruppen, deren konsolidierter, konzernweiter Jahresumsatz € 750 Millionen übersteigt, ab. Bestimmte Einheiten wie beispielsweise staatliche Einheiten, Organisationen ohne Erwerbszweck und internationale oder gemeinnützige Organisationen nimmt die Richtlinie von ihrem Anwendungsbereich aus.
Die Regelungen sind auf in einem Mitgliedstaat ansässige Geschäftseinheiten, sowohl als Teil multinationaler Unternehmensgruppen als auch als Teil großer inländischer Gruppen, sowie auf nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Geschäftseinheiten einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft anwendbar.
Die globale Mindestbesteuerung
Die globale, effektive Mindestbesteuerung von 15% soll durch die ineinandergreifenden Primärergänzungssteuerregelung (PES) und Sekundärergänzungssteuerregelung (SES) erreicht werden. Mithilfe der Richtlinie soll unter Berücksichtigung besonderer nationaler Vorschriften (Steuerbefreiungen, Steueranreize, …) der effektive Steuersatz einer Jurisdiktion ermittelt und gegebenfalls durch Ergänzungssteuern (PES und SES) auf das nun festgemachte Niveau der effektiven Mindestbesteuerung in Höhe von 15% sichergestellt werden.
- Primärergänzungssteuerregelung (PES)
Die Primärergänzungssteuer (PES) verpflichtet die oberste (oder zwischengeschaltete) Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe oder großen inländischen Gruppe zur Berechnung und Abfuhr der – auf die Mindestbesteuerung im Sinne der Richtlinie - fehlenden Ergänzungssteuer ihrer Tochtergesellschaften. Die Verpflichtung der Muttergesellschaft zur Berechnung und Abfuhr der Ergänzungssteuer, besteht entsprechend dem Beteiligungsverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und der betreffenden Geschäftseinheit.
- Sekundärergänzungssteuerregelung (SES)
Unter Anwendung der Sekundärsteuerregelung (SES) wird sodann die verbleibende Ergänzungssteuer, welche nicht aufgrund der PES von der Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe oder großen inländischen Gruppe berechnet und abgeführt wird, auf die einzelnen Jurisdiktionen der niedrigbesteuerten Geschäftseinheiten verteilt. Der Verteilungsschlüssel der noch ausstehenden Ergänzungssteuer im Zuge der SES richtet sich nach der Anzahl der Arbeitnehmer sowie Vermögenswerte einer Jurisdiktion im Verhältnis zu sämtlichen der Sekundärergänzungssteuer unterliegenden Jurisdiktionen.
- Optional: nationale Ergänzungssteuer
Weiters räumt die Richtlinie den Mitgliedstaaten wahlweise das Recht ein, eine nationale Ergänzungssteuer zu implementieren. Es handelt sich dabei um eine innerstaatliche Steuer, welche auf sämtliche in der betreffenden Jurisdiktion ansässigen niedrigbesteuerten Geschäftseinheiten Anwendung findet und entsprechenden den Regelungen der Richtlinie dessen effektive Mindestbesteuerung sicherstellt.
Mitgliedstaaten, in denen höchstens zwölf oberste Muttergesellschaften von unter diese Richtlinie fallenden multinationalen Unternehmensgruppen bzw. große inländische Gruppen gelegen sind, können sich dafür entscheiden, die Anwendbarkeit der Ergänzungssteuerregelungen (PES und SES) ab dem 31. Dezember 2023 für sechs aufeinanderfolgende Geschäftsjahre aufzuschieben.
Einen weiteren interessanten Aspekt stellen die (zu erwartenden) Reaktionen anderer Staaten auf die Umsetzung der Pillar-2-Richtlinie dar. Einige sich bereits abzeichnende Entwicklungen sind beispielsweise in beispielsweise in Großbritannien, wo sich der Gesetzesentwurf für die Umsetzung der Pillar-2-Richtlinie bereits im parlamentarischen Prozess befindet oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten hinsichtlich der voraussichtlichen Einführung einer Körperschaftsteuer oder in Singapur über mögliche Anpassung des Steuersystems als Reaktion auf die Umsetzung der Richtlinie auf Ebene der Europäischen Union. Weitere Reaktionen und Entwicklungen auf die Umsetzung der Richtlinie dürfen gespannt erwartet werden.
Im Folgenden werden zwei stellvertretende Sachverhaltskonstellationen dargestellt, welche die Auswirkungen und dessen Tragweite der Richtlinie veranschaulichen sollen:
- So führt Pillar 2 bei einer üblichen Konzernstruktur, bei welcher die Muttergesellschaft mit Sitz innerhalb der Europäischen Union eine in einem Niedrigsteuerland ansässige Tochtergesellschaft hat, auch Gewinne der Tochtergesellschaft der Besteuerung durch die Richtlinie unterliegen (Es werden – wie oben beschrieben – Ergänzungssteuern zur Gewährleistung der effektiven Mindestbesteuerung erhoben). Möchte das Niedrigsteuerland dies verhindern, kann es alternativ den nationalen Körperschaftsteuersatz auf das notwendige Niveau anheben, wodurch die steuersparende Gewinnverschiebung in diese Jurisdiktion nicht mehr möglich wird.
- Ein weiteres Beispiel ist die Zahlung von Dividenden aus einer Offshore-Jurisdiktion an eine in einem EU-Mitgliedstaat (dessen innerstaatliches Recht eine Steuerbefreiung für Beteiligungserträge vorsieht) ansässige Gesellschaft, unterlag bisher keiner Besteuerung. Mit Pillar 2 und der darin enthaltenen Definition der Befreiung von Beteiligungserträgen wir die Besteuerung solcher Dividenden mittels Ergänzungssteuer auf EU-Ebene ermöglicht.
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