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Neuer Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen nach dem Wertpapierfirmengesetz
- Kategorie:
- Financial Market Regulation
Mit Anfang Februar 2023 ist in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 („IFD“) das Wertpapierfirmengesetz („WPFG“) in Kraft getreten. Damit tritt ergänzend zum WAG 2018 ein zusätzliches Gesetz für die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen hinzu. Mit der Schaffung des WPFG wird ein risikosensitiver und effizienter, zusätzlicher Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen geschaffen. Diese haben abgestuft nach der Art, dem Umfang, dem Risikogehalt und der Komplexität ihrer Geschäfte spezifische Anforderungen nach dem WPFG zu erfüllen.
Hintergrund
Bisher unterlagen Wertpapierfirmen neben den Vorgaben der MiFID II bzw dem WAG 2018 in unterschiedlichem Umfang auch den Anforderungen der CRR und der CRD IV bzw dem BWG. Im Jahr 2019 kam es schließlich auf europäischer Ebene zu einer Harmonisierung durch Einführung der Verordnung (EU) 2019/2033 („IFR“) und der IFD.
Die IFR vereinheitlicht insbesondere die für Wertpapierfirmen geltenden Eigenmittel- und Kapitalanforderungen („K-Faktoren“), die Liquiditätsanforderungen und die Berichterstattungs- sowie Offenlegungspflichten. Mit der IFD wiederum werden insbesondere die Befugnisse der Aufsichtsbehörden, Anfangskapitalbestimmungen, Aufsichtsmaßnahmen, die Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals, die interne Risikobewertung, das aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsverfahren und die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmengruppen harmonisiert. In deren Umsetzung ist im Herbst 2022 das WPFG erlassen worden. Zusätzlich sieht das WPFG flankierende Regelungen zur IFR vor.
Insbesondere die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die Wohlverhaltensregeln, Konzessionstatbestände und -verfahrensbestimmungen, Transparenz- und Informationspflichten, Anlegerschutzbestimmungen und die Regulierung des algorithmischen Handels verbleiben hingegen in der MiFID II und auf nationaler Ebene im WAG 2018. In Zukunft werden Wertpapierfirmen somit zwei Wertpapierfirmen-spezifische Gesetze zu beachten haben, nämlich das schon bisher geltende WAG 2018 und das nunmehr in Kraft getretene WPFG.
Adressaten des WPFG
Grundsätzlich ist das WPFG auf alle jene Wertpapierfirmen anwendbar, die nach dem WAG 2018 konzessioniert sind. Das gilt uneingeschränkt für sogenannte „Klasse 2-Wertpapierfirmen“. Darunter sind Wertpapierfirmen zu verstehen, welche auch nur einen der folgenden Schwellenwerte erreichen oder überschreiten:
- verwaltete Vermögenswerte betragen zumindest 1,2 Milliarden Euro,
- bearbeitete Kundenaufträge iHv zumindest 100 Millionen Euro pro Tag für Kassageschäfte bzw eine Milliarde Euro pro Tag für Derivate,
- bilanzielle und außerbilanzielle Gesamtsumme der Wertpapierfirma erreicht zumindest 100 Millionen Euro,
- jährliche Bruttogesamteinkünfte betragen zumindest 30 Millionen Euro sowie
- der Betrag der verwahrten und verwalteten Vermögenswerte, der gehaltenen Kundengelder, des täglichen Handelsstroms, des Nettopositionsrisikos, des geleisteten Einschusses, des Gegenparteiausfallrisikos ist jeweils mehr als null.
In bloß eingeschränktem Umfang unterliegen hingegen sogenannte „Klasse 3-Wertpapierfirmen“ dem Anwendungsbereich des WPFG. Dabei handelt es um jene Wertpapierfirmen, welche alle genannten Schwellenwerte nicht erreichen (vgl Art 12 Abs 1 IFR). Sie werden von der IFR auch als „kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirma“ bezeichnet, sind ein geringeres Risiko für die Finanzstabilität und müssen daher nur die Mindestanforderungen erfüllen. So ist beispielsweise der 4. Abschnitt des WPFG („Interne Unternehmensführung, Transparenz, Behandlung von Risiken und Vergütung“) nicht anzuwenden (siehe § 15 Abs 1 WPFG) und es besteht eine Ausnahmemöglichkeit von den Liquiditätsanforderungen nach § 32 WPFG.
In ebenfalls bloß sehr eingeschränktem Umfang sind die Anforderungen des WPFG auf sogenannte „Klasse 1 minus-Wertpapierfirmen“ anzuwenden. Das sind jene Wertpapierfirmen, die eine konsolidierte Bilanzsumme zwischen 5 und 15 Milliarden Euro haben und bankähnliche Tätigkeiten durchführen, also Handel für eigene Rechnung oder Emission/Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung betreiben. Diese Wertpapierfirmen werden gemäß WAG 2018 konzessioniert, müssen allerdings die Anforderungen der CRR und jener Bestimmungen des BWG, die Titel VII und VIII der CRD IV umsetzen, einhalten.
Völlig aus dem Anwendungsbereich des WPFG fallen hingegen die sogenannten „Klasse 1-Wertpapierfirmen“, die von der IFR auch als „systemrelevante Wertpapierfirmen“ angesehen werden. Bei ihnen handelt es sich um Wertpapierfirmen, die bankähnliche Tätigkeiten ausüben, also Handel für eigene Rechnung oder Emission/Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung betreiben, und über Vermögenswerte iHv mindestens 30 Milliarden Euro gemäß Art 4 Abs 1 Nr 1 CRR verfügen. Sie sind ähnlichen Risiken wie Kreditinstitute ausgesetzt und unterliegen daher auch weiterhin den bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen der CRR und der CRD IV sowie der entsprechenden nationalen Umsetzungsgesetzgebung, in Österreich also dem BWG. Insbesondere benötigen solche Wertpapierfirmen eine BWG-Konzession und nicht eine solche nach dem WAG 2018.
Konzessionierung
Bislang war vorgesehen, dass Wertpapierfirmen, die
- Anlageberatung in Bezug auf Finanzinstrumente,
- Portfolioverwaltung durch Verwaltung von Portfolios auf Einzelkundenbasis mit einem Ermessensspielraum im Rahmen einer Vollmacht des Kunden, sofern das Kundenportfolio ein oder mehrere Finanzinstrumente enthält,
- Annahme und Übermittlung von Aufträgen, sofern diese Tätigkeiten ein oder mehrere Finanzinstrumente zum Gegenstand haben,
- ein multilaterales Handelssystem („MTF“),
- ein organisiertes Handelssystem („OTF“) oder
- Wertpapier- und Finanzanalyse und sonstigen allgemeinen Empfehlungen zu Geschäften mit Finanzinstrumenten
betreiben, eine Konzession nach dem WAG 2018 benötigen. Alle anderen Wertpapier- und Wertpapiernebendienstleistungen bedurften dagegen einer BWG-Konzession.
Im Zuge der Einführung des WPFG ist der Wertpapierdienstleistungskatalog des § 3 Abs 2 WAG 2018 dahingehend erweitert worden, dass nunmehr sämtliche in Anhang I Abschnitt A der MiFID II genannten Dienstleistungen und Tätigkeiten eine Konzession nach dem WAG 2018 benötigen. Eine BWG-Konzession ist daher für MiFID II-Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten in Zukunft grundsätzlich nicht mehr notwendig. Mit der Erteilung der Konzession gemäß § 3 WAG 2018 wird die entsprechende Wertpapierfirma dem speziellen Aufsichtsregime gemäß dem WPFG unterworfen, hinter dem das Aufsichtsregime gemäß dem BWG zurücktritt. Das gilt allerdings nicht für Klasse 1-Wertpapierfirmen, da diese vollumfassend dem Aufsichtsregime der CRR und der CRD IV/dem BWG unterliegen.
Anfangskapital
Die Höhe des Anfangskapitals wird für Wertpapierfirmen unionsweit vereinheitlicht. Je nach Geschäftsgegenstand wird das Anfangskapital mit 75.000 Euro, 150.000 Euro oder 750.000 Euro festgelegt.
Liquidität
Wertpapierfirmen haben liquide Aktiva iHv mindestens einem Drittel der Anforderungen für die fixen Gemeinkosten zu halten. In Bezug auf kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen wird der FMA die Verordnungsermächtigung eingeräumt, diese von der Liquiditätsanforderung des Art 43 IFR aufgrund der Art, des Umfangs, des Risikogehalts und des Anlegerschutzes sowie der Komplexität ihrer Geschäfte auszunehmen.
Von dieser Verordnungsermächtigung hat die FMA Gebrauch gemacht und die Wertpapierfirmenverordnung erlassen, die seit 1. Februar 2023 in Kraft ist. Diese enthält teilweise antragsgebundene und teilweise antragsfreie Ausnahmen.
Angemessenheit des internen Kapitals und aufsichtliche Überprüfung und Bewertung
In Anlehnung an die Vorgaben des BWG werden Anforderungen für Wertpapierfirmen und die FMA zur Bewertung der Angemessenheit der Regelungen und Verfahren vorgesehen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen des WPFG und der IFR eingehalten werden. Die FMA kann den aufsichtsrechtlichen Status von Wertpapierfirmen überprüfen und, falls notwendig, Änderungen in den Bereichen der internen Unternehmensführung und Kontrolle sowie Risikomanagementverfahren verlangen. Überdies kann sie der Wertpapierfirma gegebenenfalls zusätzliche Kapital- und Liquiditätsanforderungen vorschreiben.
Vergütung und Governance
Um eine überzogene Risikobereitschaft von Wertpapierfirmen zu vermeiden, sieht das WPFG Regeln zur Vergütung und Governance vor, die eine ordnungsgemäße Funktionsweise von Wertpapierfirmen gewährleisten und die Unterschiede zwischen Wertpapierfirmen und Kreditinstituten widerspiegeln sollen. Verglichen mit den BWG-Bestimmungen für Kreditinstitute sieht das WPFG keinen Höchstwert für das Verhältnis zwischen dem festen und dem variablen Bestandteil der Vergütung vor, sondern verlangt, dass die Wertpapierfirmen selbst ein angemessenes Verhältnis festsetzen. Weiters ist beispielsweise ebenso wie nach dem BWG auch für Wertpapierfirmen unter bestimmten Voraussetzungen die Einrichtung eines Vergütungsausschusses vorgesehen; allerdings sind die Schwellenwerte erheblich niedriger angesetzt (bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte in den dem jeweiligen Geschäftsjahr unmittelbar vorangegangenen vier Jahren im Durchschnitt mehr als 100 Millionen Euro vs Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre 5 Milliarden Euro).
Gerne steht Ihnen das Banking & Finance Team von Binder Grösswang zur Verfügung, um Sie bei den rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem neuen Aufsichtsregime des WPFG und den Verbindungen zu CRR und CRD IV zu unterstützen!
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