Update Öffentliches Wirtschaftsrecht April 2018
In dieser Newsletter-Serie beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der europäischen und österreichischen Wirtschaftsordnung und weisen auf aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung hin. Tipps für die Unternehmenspraxis sollen dabei nicht fehlen.
Diesmal analysieren wir das Regierungsprogramm der nicht mehr ganz neuen österreichischen Bundesregierung mit einem Schwerpunkt zum Thema „Förderungen“. Abgerundet wird der Newsletter durch ein aktuelles OGH-Urteil zur Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers.
100 Tage neue Bundesregierung
Die österreichische Bundesregierung ist seit drei Monaten im Amt. Wohin geht die Reise?
Reisen beginnen mit Vorbereitungen. Im politischen Leben heißt dies Einigung auf ein gemeinsames Regierungsprogramm. ÖVP und FPÖ haben ihre Pläne bis 2022 unter der mitreißenden Überschrift „Zusammen. Für unser Österreich.“ skizziert (bzw. semi-verbindlich vereinbart).
Die Bundesministerien wurden neu zusammengewürfelt; an manche Bezeichnungen muss man sich erst gewöhnen, z.B. „Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort“ (BMDW), aber mit lebenslangem Lernen wird auch das gelingen.
Nachdem die softwareunterstützten Glanzlichter des Regierungsprogramms (nach Häufigkeit der verwendeten Begriffe) wenig aussagekräftig sind (siehe Abbildung links) haben wir für Sie nachfolgend eine subjektive Auswahl der Highlights des Regierungsprogramms im öffentlichen Wirtschaftsrecht / Energie- und Umweltrecht zusammengestellt:
- Entflechtung der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (siehe Eintrag „Herkules“ bei Wikipedia)
- Deregulierung und Rechtsbereinigung sowie uU teilweise Neufassung des österreichischen Verfassungsrechts (siehe Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Rücknahme von Gold-Plating zu Lasten von Unternehmen
- Umfassende Verwaltungsreform, u.a. in den Bereichen Forschung und Förderungen (siehe sogleich)
- Öffentliche Unternehmen: strategische Leitlinien hinsichtlich grundlegender Beteiligungsfragen (klare Zielvorgaben, Untersuchung von Alternativen zur Leistungserbringung, Prüfung der Höhe der Managerbezüge, etc.)
- Verfahrenskonzentration (One-Stop-Shop): Einführung vollkonzentrierter Genehmigungsverfahren für Betriebsanlagen (inklusive Baurecht, Naturschutzrecht und Wasserrecht) (siehe dazu die „zurückgebliebene“ GewO-Novelle 2017)
- Reform des Gewerberechts: Verfahrenskonzentration, Vereinheitlichung des Anlagenverfahrensrechts, Verlängerung der Prüfintervalle, Freistellung ungefährlicher Kleinstanlagen von der Genehmigungspflicht
- Beschleunigung von UVP-Verfahren: Standortanwalt als Gegenpol zum Umweltanwalt, Präklusion mit Einbringung der Beschwerde, Erhöhung der Zahl an tatsächlich verfügbaren Sachverständigen, Eingrenzung überschießender Beschwerde- und Verzögerungsmöglichkeiten, generell beschleunigte Umsetzung von Infrastrukturprojekten und Großinvestitionen
- Schnellere und effizientere Verfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Belangte Behörden sollen uU bei technischen Fragen für das Verwaltungsgericht ermitteln, uU Einführung eines Neuerungsverbots
- Reform des Verwaltungsstrafrechts: eine Strafe statt Mehrfachbestrafung, verhältnismäßige Strafen, Stärkung der Unschuldsvermutung (das sind neue Töne, § 5 Abs 1 VStG wäre zu ändern, die Verwaltungsgerichte können ja auch sehr hohe Strafen verhängen, ohne dass dies verfassungswidrig wäre)
- Mobilität: Österreich als Vorreiter für automatisiertes/autonomes Fahren, Ausbau der E-Mobilität, Forschungsschwerpunkt zu alternativen Antriebstechnologien (Wasserstoff, Brennstoffzelle)
- Umwelt / Energie: Beschluss und Umsetzung einer integrierten nationalen Klima- und Energiestrategie, Schaffung einer Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges österreichisches Raumordnungskonzept, Schutz des Wassers, Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kohle in Österreich, Reform der Ökostromförderung (Marktprämien, Investitionsförderungen)
- Korruptionsprävention: Aktualisierung des „Verhaltenskodex Korruptionsprävention“ und Verstärkung der Compliance-Maßnahmen
- Kartellrecht: Zusammenführung der Kompetenzen von Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwalt
Fokus: Förderungen
Die Förderlandschaft in Österreich ist „zersplittert“ oder – im rosigen Diplomaten-Talk – „bunt gemischt“. Zu den altbekannten Problemen gehören die institutionelle Vielfalt (Bund, Länder, Gemeinden, externe Förderstellen), fehlende Gesamtstrategien, mangelnde Abstimmung zwischen den Förderstellen, fehlende Mindeststandards für die Abwicklung und Kontrolle, hoher administrativer Aufwand (für Förderungswerber und Förderstellen) usw.
Das Regierungsprogramm adressiert diese Themen unter den Schlagworten Transparenz, Treffsicherheit und schlanker Staat sehr ausführlich: klare Aufgabenzuordnung, Vermeidung von überschneidenden Förderungsbereichen, Verringerung der Anzahl der Forschungsförderungsagenturen, Prüfung der bestehenden Struktur der Wirtschaftsförderung, Stärkung der Förderungsdatenbank mit Sanktionen bei Nichterfüllung der Meldepflichten, einheitliche Förderungsstrategie, gemeinsame Abwicklungsstellen für Förderungsprogramme etc.
Dazu die Zahl des Tages:
181 so oft kommt der Begriff „Förderung“ im Regierungsprogramm vor (zugegebenermaßen auch in anderem Kontext)
Auch wir beschäftigen uns mit diesem Thema. Freuen Sie sich auf
- den Beitrag von Barbist / Kröll im Jahrbuch Beihilferecht 18 (Hg. Jaeger / Haslinger) mit dem passenden Titel „Beihilfegewährung durch die Bundesländer“ (erscheint Ende April 2018)
- den Österreichischen Beihilferechtstag am 27. April 2018 in Wien (Einladung hier), bei dem BINDER GRÖSSWANG als Mit-Veranstalter auftritt und Johannes Barbist (als Panel-Leiter) sowie Regina Kröll (als Vortragende) mitwirken.
Neues zum gewerberechtlichen Geschäftsführer
Nach so viel Politik noch ein juristisches Dessert:
Der gewerberechtliche Geschäftsführer (gew GF) ist der Gewerbebehörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften und dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes verantwortlich (z.B. Einhaltung der Auflagen im Anlagengenehmigungsbescheid, Einhaltung der Grenzen einer zulässigen Gewerbeausübung). Zum erfassten Pflichtenkreis zählt auch die Verantwortung für die unbefugte Ausübung eines anderen Gewerbes, das im Zusammenhang mit dem eigenen Gewerbe steht. Soweit so klar.
In einer jüngst ergangenen Entscheidung erweitert der Oberste Gerichtshof die zivilrechtliche Haftung des gew GF. Diese bestehe nicht nur gegenüber dem Gewerbeinhaber, sondern auch gegenüber Dritten. Der gew GF haftet demnach auch für Schäden Dritter, die bei normkonformem Verhalten nicht eingetreten wären. Die Beweispflicht für den eingetretenen Schaden, dessen Höhe und die Normverletzung trifft zwar den Dritten, der gew GF muss sich in der Folge aber freibeweisen, dass ihn kein Verschulden an der Verletzung der Gewerbeordnung trifft (vgl OGH, 8 Ob 57/17 s).
Im entschiedenen Fall führte ein Unternehmer mit der Gewerbeberechtigung „Deichgräber“ (Erdbewegungsarbeiten) statisch sensible Aushubarbeiten durch, welche allerdings Unternehmern mit der Gewerbeberechtigung „Baumeister“ vorbehalten war. Der gew GF wusste, dass der Betriebsinhaber dafür keine Gewerbeberechtigung hatte; er war auch unmittelbar in die „verbotenen“ Arbeiten involviert. Dadurch, dass der gew GF keinen befugten Baumeister für die Aushubarbeiten heranzog, wurde die gewerberechtliche Befugnis überschritten. Der gew GF haftet dem geschädigten Dritten dafür persönlich (solidarische Haftung mit dem Gewerbeinhaber).
Praxistipp für Gewerbetreibende / gewerberechtliche Geschäftsführer:
Prüfen Sie, ob der Umfang Ihrer Gewerbeberechtigung die angefragten Leistungen vollständig abdeckt. Lehnen Sie davon nicht erfasste Leistungen ab bzw. schalten Sie befugte Subunternehmer ein. Dokumentieren Sie auch gegenüber Ihren Kunden, welche Leistungen Sie übernehmen können, und für welche Leistungsteile ggf speziell befugte Unternehmer eingebunden werden müssen. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter im Hinblick auf die Grenzen einer zulässigen Gewerbeausübung und kontrollieren Sie deren Einhaltung in den Arbeitsprozessen.
Ihr Feedback ist uns sehr willkommen.
Kontakt
Johannes Barbist, Partner
barbist@bindergroesswang.at
Regina Kröll, Rechtsanwaltsanwärterin
kroell@bindergroesswang.at
Lisa Stumpf, Rechtsanwaltsanwärterin
stumpf@bindergroesswang.at
Hinweis: Dieser Newsletter stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH dar. Der Newsletter kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Newsletters.