Gewinnausschüttungen in Zeiten von COVID-19

Angesichts der massiven wirtschaftlichen Herausforderungen aufgrund der globalen COVID-19 Krise haben die EZB und die FMA am 27.3.2020 die dringende Empfehlung an die von ihnen beaufsichtigten Banken ausgegeben, von der Ausschüttung von Dividenden für das abgelaufene Geschäftsjahr Abstand zu nehmen. Nach der Pressemitteilung gehen beide Institutionen davon aus, dass Banken derartige Entscheidungen vorerst für zumindest sechs Monate aufschieben, jedenfalls aber bis Klarheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung besteht.

Auch bei Unternehmen außerhalb des Bankenbereichs kann sich für die Geschäftsführung die Frage stellen, ob eine ursprünglich geplante Gewinnausschüttung auf Basis des Jahresabschlusses für das abgelaufene Geschäftsjahr noch in dem geplanten Ausmaß auf Grund der derzeitigen Entwicklungen bzw eines möglichen negativen Ausblicks zulässig ist.

Das GmbH-Gesetz kennt dazu eine einschlägige Vorschrift in § 82 Abs 5 GmbHG: Wird den Geschäftsführern (oder dem Aufsichtsrat) in der Zeit zwischen Ende des Geschäftsjahres und der Beschlussfassung der Gesellschafter über den Jahresabschluss bekannt, dass der Vermögensstand durch eingetretene Verluste oder Wertverminderungen „erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend geschmälert worden ist“, so ist der Bilanzgewinn im Ausmaß dieser erlittenen Vermögensschmälerung von der Verteilung ausgeschlossen und auf neue Rechnung vorzutragen; nur ein allenfalls übersteigender Betrag darf an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Ein solcher Betrag ist allenfalls mittels Zwischenbilanz zu ermitteln. Die Bestimmung ist als Gläubigerschutzvorschrift zwingend.

Im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Coronavirus können aktuell zwei Fälle unterschieden werden:

  • Gesellschaften, die den Jahresabschluss zum letzten Bilanzstichtag aktuell noch aufstellen und noch nicht formal festgestellt haben;
  • Gesellschaften, die den Jahresabschluss für das abgelaufene Geschäftsjahr bereits vor Ausbruch des Coronavirus aufgestellt und formal festgestellt haben.
     

Im ersten Fall, also im Fall der noch laufenden Aufstellung (welche bei einem Regelabschlussstichtag 31.12. in vielen Fällen aktuell noch anhängig sein wird) sind Verluste beachtlich, die nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und den zum Stichtag ausgewiesenen Bilanzgewinn „auffressen“. Es liegt also eine Abweichung zum bilanziellen Stichtagsprinzip vor. Abhängig von der Betroffenheit des Unternehmens durch die Auswirkungen des Coronavirus ist zu prüfen, inwieweit solche Verluste „erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend“ zu einer Vermögensschmälerung führen. An die Gesellschafter darf nur ausgeschüttet werden, was an Gewinnen darüber hinausgeht. Aus praktischer Sicht kann eine Zwischenbilanz aufgestellt werden um die Höhe des ausschüttungsgesperrten Betrags zu ermitteln. Die Geschäftsführung ist jedenfalls dazu angehalten, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft genau und sorgfältig zu beobachten und laufend (anhand des Krisenverlaufs) zu evaluieren.

Die Geschäftsführung (allenfalls auch der Aufsichtsrat, falls ein solcher eingerichtet ist) hat im Vorfeld zur Beschlussfassung über den Jahresabschluss auf zwischenzeitig eingetretene Verluste aufmerksam zu machen und – sollten diese im Sinne der Regelung über die Ausschüttungsbeschränkung beachtlich sein – Ausschüttungen, zu unterlassen, selbst wenn die Gesellschafter damit nicht einverstanden sind. Nach der Judikatur zu § 82 Abs. 5 GmbHG hat ein Geschäftsführer bei Vorliegen entsprechender Verluste – trotz gegenteiligem Beschluss der Gesellschafter – sogar eine Auszahlung zu verweigern. Ein derartiger Beschluss der Gesellschafter wäre dann für die Geschäftsführung unbeachtlich, weil rechtswidrig. Gesellschafter wiederum haben bei entsprechender Kenntnis des Vorliegens der oben dargestellten Voraussetzungen in Erfüllung  ihrer Treuepflicht gegen eine Ausschüttung zu stimmen, soweit diese dem Ausschüttungsverbot widersprechen würde.

Im anders gelagerten Fall, also wenn der Jahresabschluss bereits vor Ausbruch der Corona Krise aufgestellt und festgestellt wurde, sind nach den Beschlüssen auftretende Verluste vom reinen Wortlaut der Bestimmung des § 82 Abs. 5 GmbHG nicht erfasst. Dies betrifft also zB. Gesellschaften, die zum 31.12. bilanzieren und den Jahresabschluss sehr schnell und damit bereits vor Ausbruch der Corona-Krise festgestellt haben oder Gesellschaften, die zu einem abweichenden Bilanzstichtag bilanzieren und die Feststellung daher bereits zuvor erfolgte. Ob in einem derartigen Fall die Bestimmung der Ausschüttungssperre analog angewendet werden muss, ist fraglich. Einschlägige Rechtsprechung ist nicht vorhanden. Nach überwiegender Literaturmeinung bleibt der bereits entstandene Gewinnauszahlungsanspruch bestehen. Von einem Teil der Literatur wird auch bei später auftretenden Verlusten eine analoge Anwendung der Ausschüttungssperre des § 82 Abs. 5 GmbHG vertreten.

Nachdem die Rechtslage für diesen Fall daher als unsicher bezeichnet werden muss, sollte eine Verschlechterung der Vermögenslage auch nach bereits erfolgter Beschlussfassung zur Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung von der Geschäftsführung sorgfältig beobachtet und eingeschätzt werden; eine allenfalls bereits beschlossene Gewinnausschüttung sollte im Zweifel vorerst nicht durchgeführt werden. Eine Gewinnausschüttung – trotz bereits gefassten Beschlusses – darf jedenfalls aus Sicht der Geschäftsführung nicht dazu führen, dass die Gesellschaft durch die Auszahlung in eine Krise gestürzt wird. Eine für die GmbH nicht leistbare Gewinnausschüttung könnte uU auch auf Basis der Anfechtungsordnung oder der Insolvenzordnung angefochten werden. Auch ist uU eine Haftung der Geschäftsführer denkbar.

Die Geschäftsführer sollten daher die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit der Krise aufmerksam beobachten und eine bereits beschlossene Gewinnauszahlung im Zweifelsfall nicht durchführen, um ausreichende Liquidität in der Gesellschaft zu halten. Aus Gesellschaftersicht kann sich aus dem Blickwinkel der Treuepflicht ergeben, dass die Gesellschafter vorläufig zum Verzicht auf Liquidität verpflichtet sind.

Eine vergleichbare Bestimmung zum § 82 Abs. 5 GmbHG fehlt im Aktienrecht. Auch hier ist aber eine analoge Anwendung der Ausschüttungssperre anzudenken.

 

 

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