Hochkarätige Diskussion: „Finanzpolitik, Kapitalmärkte und Banken – was bringt die Zukunft?“
Am 5. Juni 2024 lud Binder Grösswang zu einer Podiumsdiskussion mit Finanzminister Magnus Brunner und CEOs von Banken und Industrieunternehmen.
Finanzpolitik, Kapitalmärkte und Banken – Herausforderungen und künftige Entwicklungen: Es waren spannende und hochaktuelle Themen, zu denen Magnus Brunner (Bundesminister für Finanzen), Ingrid Hengster (CEO Barclays Germany – Global Chairman Investment Banking), Gerda Holzinger-Burgstaller (CEO Erste Bank Oesterreich), Peter Oswald (CEO Mayr-Melnhof Karton AG) und Heinrich Schaller (CEO Raiffeisenlandesbank Oberösterreich) diskutierten. Moderiert wurde das Gespräch von KURIER-Herausgeberin Martina Salomon.
„Ständiger regulatorischer Wandel, gepaart mit anspruchsvollen Marktverhältnissen: Innerhalb dieser Rahmenbedingungen agieren Unternehmen, Banken und andere Finanzdienstleister. Wir sehen uns in der Verantwortung, unsere Mandanten dabei praxisnah zu beraten“, so Stefan Tiefenthaler, Managing Partner bei Binder Grösswang.
„Umso mehr freut es uns, dass wir als Kanzlei das Forum bieten konnten, um im Rahmen der impulse-Reihe eine extrem spannende Diskussion zu führen“, ergänzte Managing Partner Florian Khol.
Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken – ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Podiumsdiskussion zog, denn der Tenor unter den Panelist*innen war einhellig: Europa hat in den vergangenen Jahren stark an Konkurrenzfähigkeit eingebüßt, künftig müsse darauf ein deutlich stärkerer Fokus gelegt werden, auch vonseiten der neuen EU-Kommission.
„New Deal“, um „Green Deal“ zu ermöglichen
Eine Sichtweise, die auch Finanzminister Magnus Brunner teilt: „Nicht nur im EU-Wahlkampf ist das Thema Wettbewerbsfähigkeit, das uns in den nächsten Jahren auf der europäischen Ebene maßgeblich begleiten wird, definitiv zu kurz gekommen.“ Diese künftig zu stärken und zugleich auch die teils überbordende Bürokratie zurückzufahren sieht Brunner als eine der vorrangigen Aufgaben der Europäischen Kommission in den nächsten Jahren. Einen gewissen Paradigmenwechsel bei diesem Thema verortet der Finanzminister bereits, z. B. aufgrund der angekündigten 25-prozentigen Reduktion der Berichtspflichten auf europäischer Ebene.
Seines Erachtens brauche es zuerst einen „New Deal“, also Wettbewerbsfähigkeit, damit man den „Green Deal“ überhaupt weiterverfolgen könne. „Generell gilt es seitens der EU, künftig gewisse Dinge besser zu Ende zu denken und im Detail durchzuspielen, welche Auswirkungen sie ganz konkret auf die Unternehmen haben“, so der Finanzminister. Derzeit belaste man Unternehmen – Stichwort EU-Lieferkettengesetz – teilweise zu sehr, indem man vieles einfach an diese auslagere.
Dass Regulierung in Europa vielfach an oberster Stelle stehe, sei eine weitere Tatsache, die zu hinterfragen sei: Z. B. habe man beim Thema künstliche Intelligenz in der EU vorrangig über deren Regulierung nachgedacht, das sei aber der falsche Zugang. Sich in einem ersten Schritt mit den Inhalten zu beschäftigen und erst dann über die Regulierung nachzudenken hielte er für zielführender.
Mehr in Bildung und Forschung investieren, um Europas Innovationskraft zu steigern
Um die Innovationskraft und damit die Rolle Europas im internationalen Wettbewerb zu stärken, müsse man noch intensiver bei Bildung und Forschung ansetzen, meinte Ingrid Hengster, CEO Barclays Germany und Global Chairman Investment Banking. Hier gelte es künftig, „stärker zusammenzuarbeiten, größere Einheiten zu schaffen, mehr mit Clustern zu arbeiten – und auch mehr Geld zu investieren“, so Hengsters Rat. Darüber hinaus sei oftmals auch mehr Risikobereitschaft – wie z. B. in den USA – gefragt.
Dass Bildung und Forschung ein wichtiger Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit seien, sehe man auch am guten Image Österreichs im Ausland. Österreich genieße weiterhin einen sehr guten Ruf als Wirtschaftsstandort, was sich auch auf der guten Bildungslandschaft gründe.
Was die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands anlangt, zeigte sich Ingrid Hengster zuversichtlich: Deutschland, wie auch Österreich, sei in den letzten Jahren von vielen Krisen stark getroffen worden, nun brauche es viel Kraft, um sich neu aufzustellen. Es sei jedoch ein Ruck durch Wirtschaft und Politik gegangen und in letzter Zeit vieles in Bewegung gekommen. Aber nicht nur Deutschland, sondern die gesamte EU stehe vor großen Herausforderungen. Grüne Transformation, Digitalisierung, Infrastruktur – hier bestehe ein hoher Finanzierungsbedarf, weshalb der Kapitalmarktunion eine wichtige Rolle zukomme. „Ich erwarte mir diesbezüglich viel von den nächsten Schritten der EU“, schloss Hengster.
Barrieren der Österreicher*innen beim Thema Kapitalmarkt abbauen
Die Bedeutung der europäischen Kapitalmarktunion strich auch Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO Erste Bank Oesterreich, hervor: „Europa hat seit 2006 rund 27 % des eigenen Anteils am globalen Wirtschaftswachstum und damit natürlich stark an Konkurrenzfähigkeit eingebüßt. Hier muss dringend gegengesteuert werden, was bedeutet, dass man – wie in den USA – auch verstärkt in den Auf- und Ausbau des Kapitalmarkts investieren muss.“ Es gelte, auch kulturell den Zugang zum Thema Kapitalmarkt zu verändern, denn in der Bevölkerung würden sich viele zu wenig bis gar nicht damit beschäftigen. „Daher ist bei uns die Idee des ‚Zukunftsdepots‘ entstanden: Jedes Kind erhält zu seiner Geburt 1.000 Euro, diese werden verpflichtend auf dem Kapitalmarkt investiert“ – laut Holzinger-Burgstaller eine gute Möglichkeit, künftig jede und jeden in Österreich mit diesem Thema in Kontakt zu bringen und Barrieren abzubauen.
Von der neuen EU-Kommission wünscht sich Holzinger-Burgstaller, dass diese sich genau ansieht, was in welchen Mitgliedsstaaten besonders gut funktioniert, und diese Best Practices in die gesamte EU einbringt, um so auf das nächste Level zu kommen.
Positiv fiel die Rückschau auf 2023 bzw. das erste Quartal 2024 aus: Die sehr erfreulichen Ergebnisse seien auf eine gute operative Entwicklung des Geschäfts und nicht nur auf Zinserhöhungen zurückzuführen.
Umwelt- und Klimaschutz: Europäische Überreglementierung einbremsen
Viel Änderungsbedarf, um wieder mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen, sieht auch Peter Oswald, CEO Mayr-Melnhof Karton AG. Er griff dabei das bereits von Finanzminister Magnus Brunner erwähnte EU-Lieferkettengesetz, das einen starken Fokus auf Umwelt und weltweite Menschenrechte legt, auf: „Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt, so die Headline dafür: Weil die EU zu wenige Beamte hat, die sich dessen annehmen könnten, wird dabei möglichst viel an die Unternehmen ausgelagert.“ Die Folgen für Unternehmen wie Mayr-Melnhof führte Oswald an einem konkreten Beispiel aus: Für eine Medikamentenschachtel, die in der Produktion 1,3 Cent kostet, müsse der Nachweis erbracht werden, dass in der Wertschöpfungskette nie entwaldet wurde. „Das bedeutet in der Praxis, dass wir für diese eine Schachtel rund 15.000 Satellitenbilder vorhalten müssen, um die Herkunft des dafür verwendeten Holzes zu belegen“, so Oswald. Wenn man die damit verbundenen Personal- und Kostenentwicklungen betrachte, sei klar, dass es hier absurde Auswüchse des Lieferkettengesetzes gebe, die die Wettbewerbsfähigkeit stark vermindern. Generell sieht Oswald zu viel Bürokratie und Überreglementierung in Europa: Der konkrete Output in Sachen Umwelt- und Klimaschutz sei – im Vergleich zu den USA und China – gering.
EZB: Auf Kernaufgaben konzentrieren und Vertrauen zurückgewinnen
Ein weiteres Thema in der Diskussionsrunde waren Zinssenkungen bzw. Zinserhöhungen durch die EZB. Dazu warf Heinrich Schaller, CEO Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, einen Blick in die Vergangenheit: „Ich denke, in einer Sache sind wir uns alle im Finanzsektor einig: Die Zinserhöhungen kamen viel zu spät, eigentlich hätte es schon vor der Corona-Pandemie einen Zeitraum gegeben, wo man die Zinsen hätte erhöhen können. Während der Pandemie hatte man dann eigentlich keinerlei Möglichkeit mehr einzugreifen.“ Nun sieht er die EZB dringend in der Verantwortung, das Vertrauen zurückzugewinnen, und stellte deren Kernaufgaben – Preis- und Geldmarktstabilität – in den Vordergrund.
Betreffend die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich zeigte sich Schaller vorsichtig optimistisch: „Es gibt kleine dunkle Wolken am Horizont, denn wir sehen eine Verschlechterung der Bonitäten bei den Unternehmen. Vor größeren Herausforderungen steht nach wie vor der Immobiliensektor, insbesondere der Projektbereich, nicht die private Seite.“ Aber man sehe auch, dass die Probleme deutlich weniger werden – jene Unternehmen, die wirtschaftlich ohnehin schon angeschlagen waren, haben große Schwierigkeiten bekommen, das meiste sei diesbezüglich aber überstanden, so Schaller.
Mit dieser bereits 20. Podiumsdiskussion feierte die Veranstaltungsreihe Binder Grösswang impulse ein kleines Jubiläum. Einmal mehr fanden sich in der Conference Area der Kanzlei über 100 Gäste ein, um sich rege an der Diskussion zu beteiligen und die Themen später bei einem zwanglosen Get-together zu vertiefen.