Das neue Investitionskontrollgesetz im Praxistest
Seit 25. Juli 2020 gilt in Österreich ein verschärftes Investitionskontrollregime. Unternehmenstransaktionen sind demnach genehmigungspflichtig, wenn Drittstaatserwerber – unmittelbar oder mittelbar – Stimmrechtsanteile oder Vermögenswerte an einem österreichischen Zielunternehmen erwerben, das in einem sensiblen Bereich tätig ist. Wir haben dazu bereits informiert.
In diesen ersten Wochen wurden wir mit Beratungsmandaten zum Investitionskontrollgesetz (InvKG) geradezu überhäuft. Eine kurze Bilanz nach acht Wochen:
- 2 Genehmigungsanträge gestellt
- 1 Genehmigungsbescheid bereits zugestellt
- 1 Genehmigungsverfahren anhängig
- 1 weiterer Genehmigungsantrag in Vorbereitung
- 4 Fälle, in denen eine Antragstellung im Raum steht
- 3 Transaktionen, in denen eine Genehmigungspflicht verneint wurde.
Abgesehen von diesen nackten Zahlen fällt die Zwischenbilanz gemischt aus. Hier ein Auszug der Rechtsfragen, die uns beschäftigen:
- Drittstaatserwerber: Das Gesetz definiert die „ausländische Person“, ist aber seinerseits hilflos, wenn es gilt, künftige Entwicklungen einzufangen (z.B. Brexit). M&A-Transaktionen haben aber oft eine längere Anlaufzeit und man wüsste gerne, ob eine UK-Gesellschaft ab 1. Jänner 2021 als Drittstaatserwerber gilt. Besonders interessant ist die Debatte, wenn der Erwerber auf einer Kanalinsel (z.B. Jersey) sitzt.
- Erfasste Bereiche: Die Anlage zum InvKG (Katalog der kritischen Bereiche, in denen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung kommen kann) ist äußerst weit gefasst. In der Praxis besteht daher erhebliche Rechtsunsicherheit, wann eine Genehmigungspflicht besteht.
- De-minimis Schwelle: Es ist schön, wenn der Erwerb von Kleinstunternehmen ex lege genehmigungsfrei ist. Unklar ist aber, wie die Mitarbeiterzahl und die Finanzkennzahlen zu berechnen sind, insbesondere wenn das österreichische Zielunternehmen zu einem Konzern gehört.
- Unterschiedliche Positionen der Vertragsparteien: Die Verkäuferseite sieht das InvKG bisweilen als reines Hindernis für ein rasches Closing, vor allem wenn es sonst keinen Grund für ein Zuwarten gibt (z.B. keine Fusionskontrollverfahren erforderlich). Die Drittstaatserwerber fürchten hingegen die drohenden Sanktionen und wollen Transaktionssicherheit.
- Unklare Übergangsbestimmungen: Der Übergang zwischen dem alten Außenwirtschaftsgesetz 2011 und dem InvKG war nicht friktionsfrei. Es fehlte eine klare Regelung, welches FDI-Regime auf eine Transaktion anzuwenden ist. In der Praxis entwickelte sich eine Zäsur mit dem Tag des Abschlusses des Transaktionsvertrages (Signing). Rechtssicher ist dies nicht, aber wenn es die zuständigen Behörde (BMDW) auch so sieht…
Die zuständige Abteilung im BMDW versucht Orientierung zu geben. Zauberei ist aber auch im Bundesministerium nicht möglich – zu viele Fragen sind noch offen.
Eine kleine Werbung in eigener Sache zum Abschluss
Am Donnerstag, 24. September 2020 hält Johannes Barbist in Kooperation mit der Universität Innsbruck ein Webinar zum neuen Investitionskontrollrecht. Hier finden Sie nähere Informationen.
Unsere Binder Grösswang Anwälte Johannes Barbist, Regina Kröll und Florian Khol haben in Rekordzeit den Kurzkommentar „Das neue Investitionskontrollrecht“ verfasst. Er ist seit zwei Wochen erhältlich.

Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.