ESMA-Leitlinien über die erfolgsabhängige Vergütung bei OGAW und AIF
Am 5. November 2020 hat die ESMA auf ihrer Webseite „Leitlinien zur erfolgsabhängigen Vergütung in OGAW und bestimmten Arten von AIF“ veröffentlicht (in der Folge „ESMA-Leitlinien“). Darin werden fünf Leitlinien in Bezug auf die erfolgsunabhängige Vergütung bei OGAW und AIF aufgestellt.
Für wen gelten die ESMA-Leitlinien?
Die ESMA-Leitlinien sind an die Fondsverwalter und die zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaates gerichtet. Darüber hinaus sind sie von AIFM zu beachten, die gemäß Art 43 AIFMD Anteile von AIF an Kleinanleger vertreiben, sofern – wie in Österreich durch Umsetzung in §§ 48 f AIFMG geschehen – der Mitgliedstaat von der Option des Art 43 AIFMD Gebrauch gemacht hat. AIF des geschlossenen Typs sowie offene AIF, bei denen es sich um EuVECA-Fonds (oder andere Arten von Venture-Capital-AIF), EuSEF-Fonds, Private-Equity-AIF oder Immobilien-AIF sind jedoch ausgenommen.
Was regeln die ESMA-Leitlinien?
In den ESMA-Leitlinien werden insgesamt fünf Leitlinien aufgestellt, die für den Fall einer erfolgsabhängigen Vergütung bei OGAW und in den Anwendungsbereich fallenden AIF gelten sollen. Dabei handelt es sich um
- das Berechnungsverfahren für die erfolgsabhängige Vergütung: Die Berechnung einer solchen Vergütung soll nach Ansicht der ESMA überprüfbar sein und keine Manipulationsmöglichkeiten bieten. Die Berechnungsmethode sollte so ausgestaltet sein, dass die erfolgsabhängige Vergütung immer im Verhältnis zum tatsächlichen Anlageerfolg des Fonds steht. Das Berechnungsverfahren sollte dabei zumindest die folgenden Kriterien enthalten:
a. den Referenzindikator (Index, High-Water-Mark, Mindestrendite oder eine Kombination) zur Messung der relativen Wertentwicklung des Fonds;
b. die „Auszahlungsfrequenz“, mit der die aufgelaufene erfolgsabhängige Vergütung gegebenenfalls an den Verwalter zahlbar ist, und ein Datum der Auszahlung, an dem die erfolgsabhängige Vergütung dem Verwalter gutgeschrieben wird;
c. den Referenzzeitraum für die Wertentwicklung;
d. den Satz der erfolgsabhängigen Vergütung;
e. die Methodik für die Berechnung der erfolgsabhängigen Vergütung; und
f. die Frequenz der Berechnung, die mit der Berechnungsfrequenz des Nettoinventarwerts übereinstimmen sollte.
- die Konsistenz zwischen dem Modell für die erfolgsabhängige Vergütung und den Anlagezielen, der Anlagestrategie und Anlagepolitik des Fonds: Der Fondsverwalter muss sicherstellen, dass das gewählte Modell erfolgsabhängiger Vergütung mit der Anlagepolitik, Anlagestrategie und dem Anlageziel des Fonds vereinbar ist. Zudem muss sichergestellt sein, dass für Fonds, für die eine erfolgsabhängige Vergütung unter Bezugnahme auf einen Vergleichsindex berechnet wird, der Vergleichsindex im Rahmen der Anlagepolitik und -strategie angemessen ist und das Risiko-Ertrags-Profil des Fonds adäquat darstellt wird. Grundsatz ist dabei, dass der Vergleichsindex, auf dessen Basis der Fonds verwaltet wird, mit dem Vergleichsindex für die erfolgsabhängige Vergütung ident zu sein hat. Sofern der Fonds jedoch unter Bezugnahme auf einen Vergleichsindex verwaltet wird, die Positionen des Fondsportfolios aber nicht auf den Positionen des Vergleichsindexes beruhen, sollte der für die Portfoliozusammensetzung verwendete Vergleichsindex konsistent zu demjenigen sein, der für die Berechnung der erfolgsabhängigen Vergütung herangezogen wird. Die ESMA nennt dabei als „Konsistenzindikatoren“, die vom Verwalter auf der Grundlage der Art der Anlage des Fonds (zB Aktien, Anleihen oder Derivate) berücksichtigt werden sollten, beispielsweise den erwarteten Ertrag, das Anlageuniversum, die geografische Verteilung und die Bonitätsklasse. All dies muss vom Fondsverwalter nachgewiesen werden können und regelmäßig überprüft werden.
- die Frequenz für die Auszahlung der erfolgsabhängigen Vergütung: Die Auszahlungsfrequenz sollte nicht öfter als einmal jährlich sein, wobei die Auszahlung am 31. Dezember oder zum Geschäftsjahresende des Fonds erfolgen sollte. Dieser Grundsatz gilt hingegen etwa dann nicht, wenn der Fonds ein High-Water-Mark-Modell oder ein High-on-High-Modell anwendet, bei dem der Referenzzeitraum für die Wertentwicklung dem gesamten Lebenszyklus des Fonds entspricht und nicht neu festgelegt werden kann, da bei diesem Modell die erfolgsabhängige Vergütung nur einmal für die gleiche Wertentwicklung über die gesamte Lebensdauer des Fonds angerechnet oder bezahlt werden kann.
- den Ausgleich einer negativen Wertentwicklung (Verlust): Eine erfolgsabhängige Vergütung sollte nur zahlbar sein, wenn im Referenzzeitraum für die Wertentwicklung eine positive Wertentwicklung zu verzeichnen ist. Eine negativ abweichende Wertentwicklung oder ein Verlust, die zuvor im Referenzzeitraum der Wertentwicklung entstanden sind, sollten ausgeglichen sein, bevor eine erfolgsabhängige Vergütung zahlbar wird. Das Modell für die erfolgsabhängige Vergütung sollte unter anderem sicherstellen, dass der Verwalter keinen Anreiz hat, übermäßige Risiken einzugehen und dass kumulative Gewinne durch kumulative Verluste ausgeglichen werden. Wenn der Fonds ein auf einem Vergleichsindex basierendes Modell für die erfolgsabhängige Vergütung einsetzt, sollte zu diesem Zweck der Referenzzeitraum für die Wertentwicklung mindestens 5 Jahre umfassen. Auch wenn ein Fonds ein High-Water-Mark-Modell einsetzt, sollte der Referenzzeitraum mindestens 5 Jahre auf fortlaufender (rollierender) Basis betragen.
- die Offenlegung des Modells für die erfolgsabhängige Vergütung: Nach Ansicht der ESMA sollten die Anleger angemessen über den Anfall einer erfolgsabhängigen Vergütung und ihre möglichen Auswirkungen auf die Anlageerträge informiert werden, insbesondere auch im Prospekt und in Informationsdokumenten. Wird eine erfolgsabhängige Vergütung auch bei einer negativen Wertentwicklung vorgesehen (zB der Fonds hat sich besser entwickelt als sein Vergleichsindex, aber weist insgesamt eine negative Wertentwicklung auf), sollte im KIID eine deutliche Warnung für die Anleger enthalten sein. Im KIID sollten zudem alle erforderlichen Informationen klar dargelegt werden, um den Anfall der erfolgsabhängigen Vergütung, die Grundlage, auf der die Vergütung berechnet wird, und die Fälle, in denen die Vergütung Anwendung findet, zu erläutern. Schließlich ist die ESMA der Ansicht, dass in den Jahres- und Halbjahresberichten sowie anderen Ex-post-Informationen für jede maßgebliche Anteilsklasse die Auswirkungen der erfolgsabhängigen Vergütung angegeben werden sollten, indem der tatsächliche Betrag der berechneten erfolgsabhängigen Vergütung und der prozentuale Anteil der Vergütung auf der Grundlage des Nettoinventarwerts der Anteilsklasse ausgewiesen wird.
Ab wann gelten die ESMA-Leitlinien?
Die ESMA-Leitlinien gelten mit Ablauf von zwei Monaten nach dem Datum ihrer Veröffentlichung auf der ESMA-Webseite. Da die Veröffentlichung am 5. November 2020 erfolgt ist, gelten sie dementsprechend ab 6. Januar 2021. Für OGAW und vom Anwendungsbereich erfasste AIF, die vor dem Datum des Inkrafttretens gegründet wurden, gilt jedoch eine Übergangsphase: Die Einhaltung der ESMA-Leitlinien braucht erst ab jenem Geschäftsjahr zu erfolgen, das sechs Monate nach dem Datum des Inkrafttretens folgt. Für OGAW und AIF, die das Kalenderjahr als Geschäftsjahr haben, bedeutet dies somit, dass die ESMA-Leitlinien erst ab dem 1. Januar 2022 gelten.
Compliance-Erklärung der Aufsichtsbehörden
Wie immer bei Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden (hier der ESMA) müssen die zuständigen nationalen Behörden (in Österreich daher die FMA) der europäischen Aufsichtsbehörde innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung der Leitlinien mitteilen, ob sie gedenken den Leitlinien
- nachkommen,
- nicht nachkommen, aber nachzukommen beabsichtigen, oder
- nicht nachkommen und nicht nachzukommen beabsichtigen.
Für den Fall der Nichteinhaltung muss die zuständige nationale Behörde der europäischen Aufsichtsbehörde überdies den Grund für die Nichteinhaltung angeben.
Mit unserer umfassenden Expertise im Bereich des Finanzmarktrechts können wir Sie im Zusammenhang mit der aufsichtsrechtlichen Beurteilung von erfolgsabhängigen Vergütungen unterstützen. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!
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