Schiedsverhandlungen per Videokonferenz sind zulässig – auch gegen den Willen einer Partei
In einer weltweit ersten Entscheidung (18 ONc 3/20s) hat der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) die Abhaltung von Schiedsverhandlungen per Videokonferenz auch gegen den Widerspruch einer Partei für zulässig erklärt.
Der Einsatz von Videokonferenztechnologien ist bei der Beweisaufnahme und für organisatorischen Verfahrenskonferenzen in internationalen Schiedsverfahren, bei denen Parteien, Rechtsvertreter und nicht zuletzt Zeugen immer öfter in unterschiedlichen Staaten ansässig sind, seit Jahren gängige Praxis. Bisher zurückhaltender waren die Schiedsgerichte mit gänzlich über Videotechnologien abgewickelten Schiedsverhandlungen. Der Einsatz von Videotechnologie gewann während der Covid-19 Pandemie u.a. aufgrund der damit verbundenen Reisebeschränkungen noch weiter an Bedeutung. Offen war bislang, ob eine Schiedsverhandlung auch dann per Videokonferenz durchgeführt werden kann, wenn sich eine Partei dagegen ausspricht, oder ob dadurch ihr Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) verletzt wird.
Der OGH-Entscheidung liegt ein zum Entscheidungszeitpunkt seit 2017 anhängiges VIAC-Schiedsverfahren zugrunde. Das Schiedsgericht setzte eine Verhandlung u.a. zur Einvernahme von im Ausland ansässigen Zeugen in Wien fest. Aufgrund der Covid-19 Pandemie und den damit verbundener Reisebeschränkungen ordnete das Schiedsgericht die Durchführung der Schiedsverhandlung im Wege einer Videokonferenz an. Die Beklagten, die auf eine Verhandlung unter Anwesenden bestanden, lehnten daraufhin das Schiedsgericht wegen Befangenheit ab. Nachdem das VIAC dem Ablehnungsantrag nicht folgte, beantragten die Beklagten beim OGH das Schiedsgericht für befangen zu erklären. Die Beklagten behaupteten u.a., dass die vom Schiedsgericht angeordnete Durchführung einer Verhandlung per Video ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzen würde, weil die Möglichkeit der Beeinflussung von Zeugen zu befürchten wäre und die Verhandlung auf Grund der Zeitverschiebung für einen Beklagtenvertreter um 6 Uhr morgens stattfand.
Das Schiedsgericht lehnte dies ab. Der OGH folgte dem Schiedsgericht. Der Einsatz von Videokonferenztechnologie sei in gerichtlichen Verfahren schon bisher internationaler Standard und grundsätzlich unbedenklich. Ihr Einsatz könne daher schon grundsätzlich keinen Verfahrensmangel darstellen, auch bei Verhandlungen außerhalb gängiger Bürozeiten. Auch Art 6 EMRK, wonach jede Partei ein Recht auf effektiven Rechtsschutz im Rahmen eines fairen Verfahrens und Anspruch auf rechtliches Gehör hat, sei dabei gewahrt. Gerade bei einem drohenden Stillstand der Rechtspflege im Zuge einer Pandemie sei die Videokonferenztechnologie eine rechtsstaatlich gedeckte Möglichkeit, die Ansprüche auf effektive Rechtsdurchsetzung einerseits und auf rechtliches Gehör andererseits zu vereinen. Die grundsätzliche Unbedenklichkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnologie könne allenfalls dann in Frage gestellt werden, wenn eine Partei konkrete Nachteile aufgrund von Missbrauch beim Zeugenbeweis aufzeigen könne. Dies war gegenständlich nicht der Fall.
Die Entscheidung ist ersichtlich die erste Entscheidung eines nationalen Höchstgerichts, die sich mit der in internationalen Schiedsverfahren mittlerweile gängigen Praxis, Verhandlungen als Videokonferenzen durchzuführen, auseinandersetzt. Auch wenn die Entscheidung im Kontext eines Ablehnungsverfahrens erging, geht ihre Bedeutung darüber hinaus. Der OGH erklärt, dass – auch gegen den Willen einer Partei – die Durchführung einer Schiedsverhandlung im Wege einer Videokonferenz weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, noch einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren darstellt. Damit kann die Durchführung einer solchen Video-Verhandlung (isoliert) weder einen Ablehnungsgrund für das Schiedsgericht darstellen, noch zur Aufhebung eines Schiedsspruchs führen. Der OGH hat unter Berufung auf Art 6 EMRK auch über die Grenzen Österreichs hinaus eine richtungsweisende Entscheidung zur Zulässigkeit von Schiedsverhandlungen per Videokonferenzen getroffen.
Der Vorsitzende des Schiedsgerichtes ist ein Partner von Binder Grösswang.
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