OGH zur Vollstreckung von Spielerklagen: (Internationale) Zuständigkeit österreichischer Gerichte zur Forderungsexekution in Malta
Ausgangslage
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung können Spieler mit Wohnsitz in Österreich ihre Verluste aus Online-Glücksspielen bei ausländischen (in Österreich nicht konzessionierten) Anbietern grundsätzlich zurückfordern.
Eine andere Frage ist aber die Durchsetzbarkeit solcher Urteile: Viele Anbieter haben ihren Sitz außerhalb Österreichs, insbesondere auf Malta. Eine Vollstreckung österreichischer Urteile gestaltet sich hier komplex. Mit der "Bill No 55" hat der maltesische Gesetzgeber auf die österreichische (und deutsche) Rückforderungsjudikatur reagiert. Demnach dürfen maltesische Gerichte derartige ausländische Urteile nicht vollstrecken. Malta begründet dieses Abweichen vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung im Rahmen der EuGVVO damit, dass das Glücksspielmonopol – auf dessen Verletzung der Rückzahlungsanspruch fußt – der Dienstleistungsfreiheit widerspreche. Eine Entscheidung des EuGH über die Zulässigkeit der Bill No 55 liegt noch nicht vor.
Grenzüberschreitende Vollstreckung österreichischer Gerichte?
Vor diesem Hintergrund bemühen sich Klagevertreter seit Längerem darum, eine Vollstreckung erwirkter Urteile in einem inländischen Exekutionsverfahren zu ermöglichen. Vollstreckungsmaßnahmen liegen aber nach in Österreich überwiegender Ansicht nicht im Anwendungsbereich der EuGVVO. Einem grenzüberschreitenden Exekutionsverfahren steht der Grundsatz der Territorialität entgegen. Vollstreckung ist daher grundsätzlich in demjenigen Staat zu beantragen, in dem die Vollstreckungsmaßnahme gesetzt werden soll.
Keinen Eingriff in die Territorialität erblickt der OGH schon bisher aber in der Zustellung eines Zahlungsverbots an einen ausländischen Drittschuldner (vgl RIS-Justiz RS0106937). Es handle sich dabei um einen bloßen Rechtssetzungsakt, der jedenfalls im Inland wirksam sei. Die Wirkungen, die das Zahlungsverbot im Ausland entfalte, seien im betroffenen Staat zu prüfen. Die (internationale) Zuständigkeit österreichischer Gerichte für die Erlassung eines solchen Zahlungsverbots an ausländische Drittschuldner (Forderungsexekution) wurde bisher allerdings regelmäßig an einen Anknüpfungspunkt im Inland gebunden. Dieser ist etwa dann gegeben, wenn zumindest der Hauptschuldner seinen Sitz im Inland hat.
OGH: Exekutionsführung in Malta unzumutbar
Im Anlassfall (OGH 3 Nc 72/24d) hatte der betreibende Gläubiger ein österreichisches Urteil auf Rückzahlung von Verlusten aus Online-Glücksspiel gegen einen maltesischen Glücksspielanbieter (Hauptschuldner) erwirkt. Zur Durchsetzung beabsichtigte der Gläubiger eine Pfändung des Kontoguthabens des Glücksspielanbieters bei einer ebenso in Malta ansässigen Bank (Drittschuldnerin). Sowohl der Hauptschuldner als auch die Drittschuldnerin hatten daher ihren Sitz im Ausland, ein Inlandsbezug auf Schuldnerseite fehlte. Dennoch bejahte der OGH die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte für die Forderungsexekution. Die Forderungsexekution in Malta sei angesichts Bill No 55 unzumutbar, weshalb der OGH nach § 28 Abs 1 Z 2 JN (Ordination) ein österreichisches Gericht als zuständig bestimmen könne.
Der OGH verweist dabei auf Entscheidungen aus dem April und Juli 2024 (3 Nc 10/24m; 3 Nc 35/24p; 3 Nc 36/24k; 3 Nc 37/24g), welche die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte für eine derartige Forderungsexekution – betroffen war jeweils schon dieselbe Drittschuldnerin – noch verneint hatten. Begründet wurde dies damals soweit ersichtlich mit dem fehlenden Inlandsbezug. Warum dieser nun gegeben wäre, begründet der OGH in der aktuellen Entscheidung nicht. Allerdings hält der OGH im Anlassfall fest, dass die Bestimmung der Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts noch nichts darüber aussagt, ob die Forderungsexekution auch erfolgsversprechend sein wird.
Bedeutung für die Praxis
Wird die Forderungsexekution bewilligt, erlässt das vom OGH bestimmte österreichische Gericht ein Zahlungsverbot und fordert die Drittschuldnerin auf, eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Mit der Zustellung des Zahlungsverbots ist die Forderung gegen die Drittschuldnerin (Kontoguthaben) nach österreichischem Recht gepfändet. Der betreibende Gläubiger kann dann grundsätzlich die Auszahlung an ihn in Höhe der betriebenen Forderung verlangen. Kommt die Drittschuldnerin dem nicht nach, kann der Gläubiger eine Drittschuldnerklage erheben (§ 308 EO).
An dieser Stelle zeigt sich allerdings, warum der OGH zu Recht die praktischen Auswirkungen der Zuständigkeit im Inland bezweifelte. Dem betreibenden Gläubiger stehen nämlich zur Erhebung einer Drittschuldnerklage nur jene Gerichtsstände offen, die auch dem Hauptschuldner (Glücksspielanbieter) gegen die Drittschuldnerin (maltesische Bank) zugestanden wären, um die Forderung (Kontoguthaben) einzuklagen. Hat – wie im Anlassfall – sowohl der Hauptschuldner als auch die Drittschuldnerin keinen Sitz im Inland und deren Rechtsbeziehung zueinander auch sonst keinen Berührungspunkt zu Österreich, wird regelmäßig keine Zuständigkeit österreichischer Gerichte gegeben sein. Die Erhebung einer Drittschuldnerklage in Österreich ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.
Welche Wirkung das erlassene Zahlungsverbot und die Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung in Malta entfalten, richtet sich nach maltesischem Recht. Angesichts der Bill No 55 ist kaum mit aktiver Unterstützung der maltesischen Behörden bei der Vollstreckung zu rechnen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass gerade auch nach der Rechtsprechung des OGH die Erlassung von Zahlungsverboten gegenüber ausländischen Drittschuldnern zwar zulässig sein soll, umgekehrt aber gegenüber inländischen Drittschuldnern erlassene Zahlungsverbote ausländischer Gerichte in Österreich unwirksam sind (vgl OGH 3 Ob 58/16z).
Fazit
Die Entscheidung des OGH zur grenzüberschreitenden Forderungsexekution gegen einen maltesischen Drittschuldner eröffnet Gläubigern von Urteilen aus Spielerklagen nur auf den ersten Blick einen neuen Weg zur Vollstreckung. Die praktische Wirksamkeit dieser Vorgehensweise dürfte begrenzt sein.
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