Das neue Pre-Marketing-Regime für EU-AIF
Mit der Richtlinie 2019/1160/EU („Richtlinie“) hat der Unionsgesetzgeber ein vereinheitlichtes Pre-Marketing-Regime für EU-AIF erlassen. Schon nach geltender Rechtslage ist es zulässig, an potenzielle Investoren bereits vor Erfüllung der Voraussetzungen für einen Vertrieb heranzutreten, solange dem potenziellen Investor nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die es ihm ermöglichen, eine Investitionsentscheidung in einen konkreten AIF zu treffen (sogenanntes „Pre-Marketing“). Die Richtlinie harmonisiert die Voraussetzungen für ein Pre-Marketing und beschränkt die Möglichkeit, nach einem Pre-Marketing passives Marketing zu betreiben. Die neuen Regeln betreffen nicht alle Fondsverwalter gleichermaßen.
Nach der Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds („AIFMD“) und ihrer österreichischen Umsetzung durch das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz („AIFMG“) bedarf der (aktive) Vertrieb (= das Marketing) von alternativen Investmentfonds („AIF“) in Österreich je nach Lage des Falles grundsätzlich der vorherigen Bewilligung der Finanzmarktaufsicht („FMA“) gemäß § 29 AIFMG, einer Vertriebsanzeige gemäß § 31 bzw § 38 AIFMG oder einer Bewilligung der FMA gemäß § 47 AIFMG. Schon nach geltender Rechtslage liegt in Österreich ein Vertrieb aber erst vor, wenn dem potenziellen Investor alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, die es ihm ermöglichen, eine Investitionsentscheidung in einen konkreten AIF zu treffen. Damit ist es schon nach geltender Rechtslage zulässig, an potenzielle Investoren bereits vor Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen heranzutreten, solange kein Vertrieb vorliegt (sogenanntes „Pre-Marketing“).
Die Richtlinie harmonisiert die Anforderungen an ein Pre-Marketing. Sie war bis 2.8.2021 umzusetzen. Diese Frist hielt der österreichische Gesetzgeber jedoch nicht ein. Bislang liegt lediglich ein Ministerialentwurf für eine Novelle unter anderem des AIFMG („ME“) vor, die das Pre-Marketing-Regime im Wesentlichen durch einen neuen § 2 Abs 1 Z 43 und einen neuen § 28a AIFMG implementieren soll.
Wie wird Pre-Marketing definiert?
„Pre-Marketing“ ist nach dem ME „die durch einen EU-AIFM oder in dessen Auftrag erfolgende direkte oder indirekte Bereitstellung von Informationen oder Mitteilung über Anlagestrategien oder Anlagekonzepte an potenzielle professionelle Anleger mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel festzustellen, inwieweit diese Interesse an einem AIF oder einem Teilfonds, der in dem Mitgliedstaat, in dem die potenziellen Anleger ihren Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz haben, entweder noch nicht errichtet ist oder zwar errichtet ist, für den jedoch noch keine Vertriebsanzeige erfolgt ist, wobei dies in keinem Fall ein Angebot an den oder eine Platzierung bei dem potenziellen Anleger zur Investition in die Anteile dieses AIF oder Teilfonds darstellt.“
Die neuen Regelungen gelten danach nur für im EWR zugelassene Verwalter alternativer Investmentfonds („EU-AIFM“). Aus anderen Bestimmungen des ME kann zudem abgeleitet werden, dass sie überdies nur auf im EWR errichtete AIF („EU-AIF“) anwendbar sind.
Anforderungen an erteilte Informationen
Die den potenziellen (professionellen) Anlegern vorgelegten Informationen müssen bestimmten Negativanforderungen genügen. Sie dürfen
- die Anleger nicht in die Lage versetzen, sich zum Erwerb von Anteilen eines bestimmten AIF zu verpflichten, somit kein annahmefähiges Angebot sein,
- keine Zeichnungsformulare oder vergleichbare Dokumente sein, unabhängig davon, ob die Zeichnungsformulare oder vergleichbaren Dokumente in einem Entwurf oder in finaler Form vorliegen, und
- keine Gründungsdokumente, Prospekte oder Angebotsunterlagen eines noch nicht errichteten AIF in finaler Form sein.
Werden Entwürfe von Prospekten oder Angebotsunterlagen bereitgestellt, so dürfen diese Entwürfe keine Informationen enthalten, die den Anlegern für das Treffen einer Anlageentscheidung genügen. Darüber hinaus werden bestimmte „Disclaimer“ vorgeschrieben.
Aus den für noch nicht errichtete AIF geltenden Anforderungen an die Übermittlung von Gründungsdokumenten, Prospekten oder Angebotsunterlagen ist kraft Größenschluss abzuleiten, dass Gründungsdokumente, Prospekte oder Angebotsunterlagen eines bereits errichteten AIF keinesfalls übermittelt werden dürfen.
Pre-Marketing und reverse solicitation
Grundsätzlich beschränkt das AIFMG den passiven Vertrieb von AIF (sogenannte „reverse solicitation“) nicht. Zur Frage, ob Pre-Marketing einen späteren passiven Vertrieb des EU-AIF ausschließt, werden folgende Regelungen eingeführt:
Professionelle Anleger, die im Rahmen des Pre-Marketing eines EU-AIFM kontaktiert wurden, dürfen Anteile des EU-AIF, auf den sich das Pre-Marketing bezogen hat, ausschließlich nach einer Bewilligung gemäß § 29 AIFMG bzw einer Vertriebsanzeige gemäß § 31 AIFMG erwerben. Dasselbe gilt generell für jede durch professionelle Anleger innerhalb von 18 Monaten nach Aufnahme des Pre-Marketing vorgenommene Zeichnung des EU-AIF. Eine Berufung auf reverse solicitation ist damit bei kontaktierten Anlegern DAUERHAFT und bei nicht kontaktierten professionellen Anlegern innerhalb dieser 18 Monate nicht möglich.
Nach Ablauf der 18 Monate ist die Frage, ob ein nicht kontaktierter professioneller Anleger im Rahmen eines passiven Vertriebs erwirbt, nach allgemeinen Regeln zu prüfen. Auch die Frage, ob ein zulässiger passiver Vertrieb an Privatkunden vorliegt, wird durch die neue Regelung nicht berührt.
Was ändert sich für wen?
Die neuen Pre-Marketing-Regeln gelten für EU-AIF, die durch konzessionierte (= zugelassene) EU-AIFM verwaltet werden. Die Auswirkungen sind daher nicht für alle AIFM/AIF gleich:
Auswirkungen/Neue Anforderungen für in Österreich konzessionierte AIFM
- Die neuen Regeln gelten (nur) für das Pre-Marketing von EU-AIF innerhalb Österreichs und des EWR;
- es dürfen im Rahmen des Pre-Marketing ausschließlich potenzielle professionelle Anleger, keinesfalls aber Privatkunden angesprochen werden;
- das Pre-Marketing ist angemessen zu dokumentieren (was eine angemessene Dokumentation ist, wird im ME nicht näher festgelegt);
- der in Österreich konzessionierte AIFM hat binnen zwei Wochen nach Aufnahme des Pre-Marketing die FMA schriftlich zu informieren (die FMA informiert in der Folge die zuständigen Behörden jener anderen Mitgliedstaaten, in denen das Pre-Marketing stattfindet oder stattgefunden hat);
- die Pre-Marketing-Regeln gelten auch für nach dem Investmentfondsgesetz 2011 errichtete AIF (Spezialfonds, andere Sondervermögen, Pensionsinvestmentfonds).
Die Mitteilung gemäß Punkt 4. hat gesetzlich näher festgelegte Informationen zu enthalten.
Auswirkungen/Neue Anforderungen für in anderen Mitgliedstaaten zugelassene AIFM
Für in anderen Mitgliedstaaten zugelassene EU-AIFM gelten für das Pre-Marketing in Österreich sinngemäß dieselben Regelungen wie für in Österreich konzessionierte AIFM.
Auswirkungen für registrierte AIFM
Die neuen Pre-Marketing-Regelungen des ME gelten nicht für in Österreich oder anderen Mitgliedstaaten bloß registrierte AIFM. In Österreich registrierte AIFM dürfen daher (wie bisher) eingeschränkt Fonds vertreiben und nach allgemeinen Regeln Pre-Marketing betreiben. Die Anforderung an in Österreich registrierte AIFM, jede Auflage eines AIF unverzüglich anzuzeigen (§ 1 Abs 5 Z 5 AIFMG), bleibt unberührt. Für das Pre-Marketing von EuVECA und EuSEF wurde durch die Verordnung (EU) 1156/2019 mit Wirkung ab 2.8.2021 parallel zur Richtlinie ein identes Pre-Marketing-Regime eingeführt, das (gerade) auch von registrierten AIFM, die solche Fonds verwalten, einzuhalten ist. In anderen Mitgliedstaaten (bloß) registrierte AIFM dürfen, von EuVECA oder EuSEF abgesehen, wie bisher in Österreich keine Fonds vertreiben.
Auswirkungen für AIFM und AIF aus Drittstaaten
Das neue Pre-Marketing-Regime gilt nur für EU-AIF, die von EU-AIFM verwaltet werden. Allerdings verlangt Erwägungsgrund 12 der Richtlinie, dass EU-AIFM gegenüber Drittstaaten-AIFM nicht benachteiligt werden sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass Aktivitäten eines EU-AIFM in Bezug auf einen Drittstaaten-AIF und Aktivitäten eines Drittstaaten-AIFM in Bezug auf einen AIF einer vorherigen Vertriebszulassung (gemäß § 38 bzw § 47 AIFMG) bedürfen, wenn diese Aktivitäten bei einem von EU-AIFM verwalteten EU-AIF nach dem neu eingeführten Pre-Marketing-Regime erst nach einer Bewilligung des EU-AIF durch die FMA oder einer Vertriebsanzeige (gemäß § 29 bzw § 31 AIFMG) zulässig wären. Dies gilt auch für die Frage, ob ein zulässiger passiver Vertrieb gegeben ist.
Insgesamt macht diese Rechtslage ein Pre-Marketing durch Drittstaaten-AIFM unattraktiv, da nach einem Pre-Marketing ein passiver Vertrieb an die angesprochenen Anleger nicht mehr und an andere (professionelle) Anleger zumindest durch 18 Monate nicht möglich ist und sich die insofern erforderlich werdende Vertriebszulassung (gemäß § 47 AIFMG) in der Praxis als prohibitiv erwiesen hat. (Seit dem Inkrafttreten des AIFMG im Jahr 2013 wurde nicht eine einzige solche Vertriebszulassung ausgestellt.)
Umfassende Expertise
Mit unserer umfassenden Expertise im Bereich des Finanzmarktrechts und der aufsichtlichen Verfahren unterstützen wir Sie gerne bei Zweifelsfragen oder der Implementierung der Anforderungen an das neue Pre-Marketing-Regime.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.