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Die Gesamtreform des österreichischen Exekutionsrechts (GREx) – Was bedeutet das für Gläubiger?
1. Hintergrund
Am 1. Juli 2021 trat die lange erwartete Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) in Kraft. Sie ist auf alle Exekutionsverfahren anwendbar, die nach dem 30. Juni 2021 eingeleitet werden. Ziel der Reform ist die effizientere und einfachere Durchsetzung von Geldforderungen auf das bewegliche Vermögen des Schuldners. Das soll insbesondere durch verschiedene „Exekutionspakete“ ermöglicht werden, die u.a. eine auf das gesamte bewegliche Vermögen gerichtete Exekution ohne Angabe der Vermögensobjekte des Schuldners zulassen. Zusätzlich wurde die Rolle eines Verwalters (vergleichbar mit einem Insolvenzverwalter) zur Ermittlung, Pfändung und Verwertung des schuldnerischen Vermögens geschaffen. Auch die Schnittstelle zum Insolvenzrecht wurde reformiert, um unnötige Doppelgleisigkeiten der Verfahren zu vermeiden.
2. Gläubiger kann das geeignete Exekutionspaket wählen
Im Exekutionsrecht herrscht bisher das sog. Spezialitätsprinzip. Der betreibende Gläubiger musste genau angeben, welche Vermögenswerte des Schuldners gepfändet und verwertet werden sollen. In der Praxis ist das freilich regelmäßig alles andere als einfach, da der betreibende Gläubiger oft nicht weiß, ob und welche Vermögenswerte der Schuldner besitzt. Dieses Informationsdefizit kann dazu führen, dass Exekutionen ins Leere gehen oder Vermögenswerte nicht mehr vorhanden ist. Dennoch hat der Gläubiger auch die Kosten einer nicht erfolgreichen Exekution (zumindest vorerst) zu tragen.
Diesen Risiken und Nachteilen will der Gesetzgeber durch die Schaffung der sog „Exekutionspakete“ Rechnung tragen, zwischen denen der Gläubiger grundsätzlich frei wählen kann,.
Beantragt der Gläubiger Exekution, ohne ein Exekutionsmittel zu nennen, so umfasst diese nun automatisch die Fahrnisexekution, die Gehaltsexekution und die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses („einfaches Exekutionspaket“). Das soll als „Einstiegslösung“ dienen und richtet sich in erster Linie an Gläubiger, die Forderungen gegen natürliche Personen betreiben.
Beantragt der Gläubiger hingegen ein „erweitertes Exekutionspaket“, schließt dieses grundsätzlich alle Arten der Exekution auf bewegliches Vermögen, die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses und die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen ein. Zudem ist ein Verwalter zu bestellen, der die pfändbaren Vermögenswerte des Schuldners ermitteln soll. Der Schuldner ist zur Mitwirkung verpflichtet, hat alle notwendigen Unterlagen bereit zu stellen und Bucheinsicht zu gewähren. Der Verwalter ist berechtigt Liegenschaften, Geschäftsräume und Wohnungen des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Verwalter hat die ermittelten Vermögenswerte in ein Inventar aufzunehmen und, soweit das zur Deckung der hereinzubringenden Forderung erforderlich ist, zu pfänden und zu verwerten. Er kann auch Ratenvereinbarungen mit dem Schuldner abschließen, wenn der Gläubiger dies im Exekutionsantrag nicht ausschließt. Der betreibende Gläubiger hat einen Kostenvorschuss zur Deckung der Mindestentlohnung des Verwalters (EUR 500) zu leisten hat.
Es ist weiterhin möglich, Exekution ohne Verwalter bloß auf einzelne Vermögenswerte zu führen („Exekution auf bestimmte Objekte“). Soll kein Verwalter bestellt werden, ist dies ausdrücklich im Exekutionsantrag anzugeben.
Wird von der Bestellung des Verwalters abgesehen, besteht jedoch das Risiko, dass das Exekutionsverfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt wird, wenn die begehrte Verwertung nicht das gelindeste Mittel darstellt.
3. Exekutionsgericht führt die Exekution von Amts wegen
Ab Inkrafttreten der GREx muss der betreibende Gläubiger im Fall einer erfolglosen Forderungsexekution grundsätzlich keinen neuen Exekutionsantrag mehr stellen. Vielmehr hat das Exekutionsgericht – nach dem Vorbild der Fahrnisexekution – das Exekutionsverfahren vom Amts wegen so lange fortzusetzen, bis die Forderung hereingebracht ist. Die Gehaltsexekution ist auch bei Wechsel des Drittschuldners bis zur Befriedigung des Gläubigers fortzuführen, wobei das Exekutionsgericht selbst den neuen Drittschuldner ausfindig machen muss.
4. Keine neuerliche Exekutionsbewilligung bei Ausdehnung der Exekution erforderlich
Neu ist auch die Möglichkeit der Ausdehnung der Exekution. Ist nämlich ein Exekutionsverfahren zur Hereinbringung einer Geldforderung anhängig, so bedarf es keiner neuerlichen Exekutionsbewilligung, um mit weiteren Exekutionsmitteln auf das bewegliche Vermögen zu greifen. Vielmehr ist das Exekutionsverfahren auf Antrag des Gläubigers zu erweitern.
5. Schnittstelle zum Insolvenzverfahren
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (Insolvenzgründe) sind grundsätzlich alle Exekutionen einzustellen. Wird das Vorliegen von Insolvenzgründen jedoch zu spät erkannt und somit das Insolvenzverfahren nicht rechtzeitig eröffnet, kann dies zu unzulässig parallel geführten Exekutionen führen. Das ist für den Gläubiger in mehrfacher Hinsicht ärgerlich: Einerseits werden unnötig Kosten produziert und andererseits kann eine unzulässige Exekutionsführung insolvenzrechtlich angefochten und der Gläubiger zur Rückzahlung der bereits eingebrachten Beträge verpflichtet werden.
Um aussichtslose und kostenintensive Exekutionsversuche zu vermeiden, soll eine offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nunmehr bereits im Zuge des anhängigen Exekutionsverfahrens festgestellt und in der Ediktsdatei öffentlich bekannt gemacht werden. Damit können eindeutige Fälle der Insolvenz im Exekutionsverfahren wahrgenommen und das Exekutionsverfahren abgebrochen werden.
Parallel dazu wurde in der Insolvenzordnung ein sogenanntes „Gesamtvollstreckungsverfahren“ geschaffen. Der Gläubiger hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu stellen („Gesamtvollstreckung“). Dadurch sollen weitere aussichtlose Exekutionsverfahren vermieden werden und Forderungen nicht mehr im Exekutions- sondern im Insolvenzverfahren hereingebracht werden.
6. Fazit
Gläubiger haben seit 1. Juli 2021 zusätzliche Möglichkeiten, Geldforderungen durchzusetzen sowie ein für den jeweiligen Einzelfall geeignetes Exekutionspaket zu wählen. Nach Exekutionsbewilligung führt das Exekutionsgericht das Verfahren grundsätzlich von Amts wegen, ohne dass der Gläubiger laufend weitere Anträge stellen muss. Sofern erforderlich, bestellt das Exekutionsgericht auch einen Verwalter, der die Ermittlung und Verwertung von Vermögensgegenständen des Schuldners durchführt. Um aussichtlose Exekutionsführungen zu vermeiden, wurde schließlich der „Übergang“ vom Exekutions- ins Insolvenzverfahren verbessert.
Was bedeutet die GREx für Ihre Forderungen und wie können Sie als Gläubiger von den neuen Möglichkeiten profitieren? Wir beraten Sie gerne umfassend zu allen Fragen des Exekutionsrechts.
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