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Klima, Kommission, Kartellgesetz – Wie nachhaltig wird unser Wettbewerbsrecht?
Das neue Schuljahr hat begonnen und obwohl die österreichischen Jugendlichen mit reichlich Problematiken rund um die Covid-19 Pandemie konfrontiert sind, steht bei ihnen der Kampf gegen den Klimawandel weiterhin stark im Fokus. Auch heute – am 24. September - gibt es wieder einen weltweit angelegten Klimastreik, den Fridays for Future alleine in Deutschland für rund 350 Städte angekündigt hat.
Der anhaltende Kampf fürs Klima ist bei Weitem nicht mehr nur ein Thema unter Aktivist*innen. Dies zeigt sich auch an den jüngsten Entwicklungen in der österreichischen Gesetzgebung. Mit dem KaWeRÄG 2021, das am 10. September in Kraft getreten ist, finden erstmals Nachhaltigkeitskriterien ausdrücklich Eingang in das österreichische Kartellrecht. Die Änderungen im § 2 Abs 1 KartG stellen, neben der viel beachteten Ergänzung des nationalen Schwellenwerts für Inlandsumsätze bei der Zusammenschlusskontrolle, damit wohl eine der spannendsten Neuerungen dar.
1. Das österreichische Kartellrecht bekennt sich zur Nachhaltigkeit
Die Ausnahme vom grundsätzlichen Kartellverbot wurde dahingehend erweitert, dass eine ausreichende Beteiligung der Verbraucher*innen iSd § 2 Abs 1 nun auch gegeben ist, wenn der vorausgesetzte Gewinn, der aus der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen/wirtschaftlichen Fortschritts entsteht, wesentlich zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft beiträgt. Mit dieser Ergänzung will der Gesetzgeber wohl dem Umstand Rechnung tragen, dass sich viele Marktteilnehmer unter dem Nachhaltigkeitsfokus der letzten Jahre mit Wünschen nach Branchenlösungen zur Gewährleistung einer nachhaltigeren Wirtschaft konfrontiert sehen. Zugleich bestand hier bisher das Risiko, dass die Umsetzung dieser Wünsche, welche oftmals eine Koordinierung der Marktteilnehmer untereinander erfordert, im Nachhinein als Verstoß gegen das Kartellverbot nach § 1 KartG/Art 101 AEUV gewertet werden könnte.
Die Novellierung ist ein klarer Schritt in die richtige Richtung. Unklar ist allerdings, wie sich der legislative Alleingang auf nationaler Ebene – ohne dahinterstehender unionsrechtlicher Regelung - in der Praxis etablieren wird. Die Europäische Kommission (EK) hat ihre Linie in Punkto Nachhaltigkeit mit dem Green Deal zwar großflächig skizziert – konkrete Neuerungen auf legislativer Ebene sind im Wettbewerbsrecht bisher aber weitgehend ausgeblieben.
2. Das europäische Kartellrecht – Warten auf die Umsetzung?
Enttäuschend war insb der kürzlich veröffentlichte Entwurf für die neue Vertikal-GVO. Während die eingangs erfolgte öffentliche Konsultation die zukünftige Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien im System der VGVO geradezu als wahrscheinlich erscheinen ließ, wurde diese Erwartungshaltung nun im letztlich veröffentlichten Entwurf enttäuscht und das Thema Nachhaltigkeit gänzlich außen vorgelassen. Weshalb die EK hier derart von der sonst so prominenten grünen Linie zurückweicht, ist unklar.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob auch im Hinblick auf die zu erwartenden Neuerungen im Bereich der horizontalen Vereinbarungen mit ähnlicher regulativer Zurückhaltung der EK zu rechnen ist. Auch hier steht eine Berücksichtigung von Kooperationen mit umweltschonenden Auswirkungen im Kontext des Art 101 (3) AEUV grundsätzlich im Raum. Ob hinter der Zurückhaltung der Kommission möglicherweise das „bigger Picture“ eigenständiger Guidelines für Nachhaltigkeitsvereinbarungen im Rahmen des Green Deals steht, lässt sich an dieser Stelle nur spekulieren. Nachdem die EK gerade erst in ihrem Competition policy brief „in Support of Europe’s Green Ambition“ ein Update zu den möglichen Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbsrecht und Klimapolitik veröffentlicht hat, kann aber zumindest davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Gesamtthematik nach wie vor um ein hot-topic handelt.
3. Da geht noch mehr!
Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass das Thema Umweltschutz spätestens jetzt Eingang in die Welt des Wettbewerbsrechts gefunden hat. Der Druck von außen durch erhöhte Consumer-Awareness und klare Forderungen junger Generationen steigt - nun ist es Aufgabe der Legislative, weiterführende und umfassende wettbewerbsrechtliche Regulatorien zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitszielsetzungen zu schaffen.
Dies sollte jedoch mit Bedacht erfolgen. Die Gefahr, Greenwashing im Kartellrecht Raum zu geben ist groß. Ob es sich bei der „First-Mover“-Klausel im KaWeRÄG nun lediglich um eine rechtspolitische Erklärung handelt oder die Regelung das Zeug zur echten Veränderung mit sich bringt, wird die Zukunft zeigen. Nachhaltigkeit als Zielsetzung wird auf europäischer Ebene immer größere Bedeutung erlangen. Zwar blieb im Entwurf zur Vertikal GVO die Kommission – obwohl angeteasert – die Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten noch schuldig. Die Kommission nimmt sich des Themas aber weiterhin stark an. Vielleicht schon bald in den bevorstehenden Änderungen der horizontal GVO. Fridays for Future mit Rückenwind aus Brüssel? Hopes (and expectations) are high!
Autoren:
Max Danzinger
Viktoria Thurnher