Nineteen Eighty-Fortnite: Epic im Duell mit Apple
An vielen Fronten machen Politiker*innen und Behörden weltweit derzeit gegen Unternehmen wie Google, Facebook und Apple mobil. Das reicht von neuen Verhaltensanforderungen im Kartellrecht, der Einführung einer Digitalsteuer bis hin zu strengen Regulierungsmaßnahmen gegenüber Online-Plattformen. Aber nicht nur Regierungen und Parlamente wehren sich gegen die immense Macht der Big Tech Giganten – auch private Unternehmen setzen sich inzwischen eigenständig zur Wehr. Der Kampf von Spielehersteller Epic Games („Epic“) gegen Apple geht nun sogar in die zweite Runde. Nicht mit Schwertern und Kanonen – wie sich manch ein Fortnite-Fan vielleicht erhofft hätte – aber mit schnittigen Hashtags wie #freefortnite und namhaften Kartellrechtsanwält*innen. Codename des gesamten Vorgehens: „Project Liberty“.
Die Anfänge von „Project Liberty“
Der Vorwurf ist bekannt: Apple will Umsätze von In-App-Käufen mitschneiden, Epic wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Nach geltenden Nutzungsbedingungen erhält Apple für das Bereitstellen seines Marktplatzes zumeist eine Provision von 30 % auf den Kauf von digitalen Inhalten. Sämtliche Zahlungen müssen über Apples eigenes Bezahlsystem abgewickelt werden. Epic hielt sich nicht an diese Nutzungsbedingungen und etablierte im Spiel Fortnite ein eigenes Bezahlsystem. Spieler*innen auf Android und iOS haben seitdem die Möglichkeit, digitale Inhalte, V-Bucks (die Spielwährung in Fortnite), direkt über Epic zu kaufen; dies unter Gewährung eines Rabatts von 20 %. Über den App Store hätte man weiterhin den höheren Preis zahlen müssen. Epic rechtfertigte diese Vergünstigung damit, dass Apple bei Einkäufen im App Store eine Provision von 30 % auf alle Abonnementgebühren von den App-Entwicklern verlangt. Im Rahmen der Direktzahlungen könne Epic daher Einsparungen an die Kund*innen weitergeben. Dies entspricht allerdings nicht den Entwicklerrichtlinien von Apple, weshalb das Spiel Fortnite aus dem App Store verbannt wurde.
Erstmals an die Öffentlichkeit gelangte diese Auseinandersetzung August 2020, als Epic in einer vor einem US-Gericht eingereichten Klageschrift Apple beschuldigte, im Rahmen des App Stores wettbewerbswidrige Praktiken gegen die Entwickler von Apps anzuwenden., und mittels Eilantrag eine Wiederaufnahme in den App Store begehrte. Dem folgten Kartellbeschwerden in zahlreichen weiteren Ländern - unter anderem in Australien, Großbritannien und nun auch vor wenigen Tagen in der EU.
Für die gerichtliche Auseinandersetzung über die Nutzungsbedingungen wäre ein Rauswurf aus dem App Store gar nicht notwendig gewesen – er ist aber Teil der medienwirksamen Marketing-Kampagne, die den von Epic minutiös durchgeplanten Eklat von Anfang an begleitete. Unter dem Hashtag #freefortnite diskutieren Spieler die Auseinandersetzung, welche vom Spielehersteller zum epischen Kampf David gegen Goliath hochstilisiert wurde, und beziehen größtenteils klar Position für Epic. Nicht verwunderlich, sind sie vom Ausschluss auch unmittelbar betroffen. Um mit seinen Forderungen gegen Apple Erfolg zu haben, muss Epic allerdings nicht Spieler*innen, sondern Gerichte überzeugen. Ob diese Epic ein „Victory Royal“ zugestehen werden, ist noch weitgehend offen.
Was sagen die Gerichte zu „Project Liberty“?
Epics Kampf um die Gunst der Richter*innen gestaltet sich ungleich schwieriger als der um die Gunst seiner Spieler*innen. Vor dem US-Gericht wurde der Eilantrag des Spieleanbieters größtenteils abgelehnt. Auch wenn grundsätzlich anerkannt wurde, dass darin prüfenswerte Verstöße aufgezeigt wurden, sah die Richterin keinen Grund für ein Eilverfahren. Epic hätte die Dringlichkeit des Verfahrens durch den vorsätzlichen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Apple selbst verursacht. Hier geht der Kampf also in die nächste Runde.
Einen weiteren Rückschlag musste Epic auch vor der Wettbewerbsbehörde des Vereinigten Königreichs einstecken. Diese sieht sich rein geographisch schon nicht zuständig, den von der anderen Seite des Atlantiks herüberschwappenden Rechtsstreit zu beurteilen.
Besser hingegen dürften die Chancen vor der Europäischen Kommission stehen.
Epics Beschwerde an die EU-Kommission
In der Kartellbeschwerde an die Europäische Kommission („EK“) stützt sich Epic auf Art. 102 AEUV wonach ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf seinem Markt hat, diese Stellung nicht missbräuchlich ausnutzen darf. Epic ist dabei der Meinung, dass die Beschränkungen durch Apple den Wettbewerb bei der App-Distribution und den Bezahlprozessen völlig ausschalten. Ziel der Kartellbeschwerde sind nicht Schadenersatzzahlungen, sondern „zeitnahe und effektive Abhilfemaßnahmen“, um die angeblich wettbewerbswidrigen Praktiken von Apple zu unterbinden. Diese würden zu höheren Preisen für die Verbraucher*innen führen und gäben Apple zu viel Kontrolle über die Entwicklung auf seiner Plattform, so Epic-CEO Tim Sweney.
Dass die Marktmacht von Apple immer wieder zu Kleinkriegen zwischen Tech Unternehmen führt, ist für die EK nichts Neues. Sie geht bereits einer Wettbewerbsbeschwerde des Musikstreaming-Marktführers Spotify gegen Apple nach und prüft derzeit die Konkurrenzsituation beim Bezahldienst Apple. In der Beschwerde von Epic sieht die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager einen unmittelbaren Zusammenhang mit den derzeit laufenden Untersuchungen: „It’s the same family of concerns.“
Die EK könnte demnach auch bei dieser Beschwerde ein Verfahren gegen Apple eröffnen, sofern sie dies zum Schutz des europäischen Wettbewerbs für notwendig erachtet. Ist die EK nach eingehenden Untersuchungen der Meinung, dass hier wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen, kann Apple aufgefordert werden Verpflichtungszusagen abgeben, die die Bedenken der EK ausräumen. Genügen diese Verpflichtungszusagen nicht und kommt die EK zum Schluss, dass ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht vorliegt, stellt sie eine Zuwiderhandlung fest und ordnet deren Abstellung an. Dabei kann sie spezifische Abhilfemaßnahmen anordnen, so etwa, dass Epic zukünftig seine Spielwährung direkt über die eigene Spielerplattform verkaufen darf. Die Chancen dafür stehen in der EU wohl in Anbetracht der übrigen Ermittlungen gegen Apple besser denn je.
Epics Gesamtsieg steht noch aus
Im Kampf um die öffentliche Meinung geht Epic klar als Sieger hervor. Die rechtliche Auseinandersetzung gestaltet sich ungleich schwieriger. Dabei wäre nach der Ansicht von Apple die Angelegenheit einfach vom Tisch zu bekommen – Epic müsste bloß die externe Bezahlmöglichkeit aus der Fortnite-App entfernen und sicherstellen, dass bloß über die Apple-Bezahlmethode eingekauft wird. Das will Epic aber auf keinen Fall – und ist auch noch weit davon entfernt klein beizugeben. Ob Epic schlussendlich auch vor den Gerichten Erfolg haben wird, steht noch in den Sternen. Was man aber bereits mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ein Kartellrechtsstreit wohl noch nie so erfolgreich medial ausgefochten wurde wie dieser „Battle Royal“ zwischen Epic und Apple.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.