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Die Auswirkungen des Brexits auf die English Limited
Mit der Erklärung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien aus der Europäischen Union austreten zu wollen, folgte erhebliche Uneinigkeit sowie Unsicherheit über den Rechtscharakter britischer Gesellschaftsformen, insbesondere der Kapitalgesellschaften wie die britische private limited by shares mit effektivem Sitz in der Europäischen Union.1 Weder das Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union, noch das am 24.12.2020 abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen gewähren (britischen Gesellschaften mit effektivem Sitz in Österreich) eine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbarem Gesellschaftsrecht gleichkommt. Bis Ende des Jahres 2020 bestand die Möglichkeit, den Betrieb britischer Gesellschaften in eine inländische GmbH oder AG einzubringen, oder eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine österreichische Kapitalgesellschaft oder eine gemäß EuGH-Judikatur zuzulassende grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes zu beschließen.2 Nach Ablauf der Übergangsperiode am 31.12.2020 besteht folglich kein Rechtsgrund zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer britischen Limited mit Hauptverwaltungssitz in Österreich.3 Dieser Beitrag soll die bisherige deutsche und nunmehr auch österreichische Rechtsprechung zu den Konsequenzen des Wirksamwerdens des Brexits auf britische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland und Österreich beleuchten.
Deutsche Rechtsprechung
BGH II ZB 25/17
Mit seinem Beschluss vom 16.02.2021 verneint der BGH die Anwendung der Niederlassungsfreiheit (Art 94, 54 AEUV und Art 30 der Richtlinie (EU) 2017/11132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts) auf die Anmeldung und Eintragung der deutschen Zweigniederlassung einer Limited mit satzungsmäßigem Sitz im Vereinigten Königreich.4 Der Anmeldung wurde sowohl in erster als auch zweiter Instanz der Erfolg versagt. Das Beschwerdegericht wies die Beschwerde zurück, unter anderem wegen der fehlenden Angabe der Höhe des Stammkapitals.5
Der BGH ersuchte um Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof, hob den Vorlagebeschluss jedoch vorzeitig mit der Begründung auf, dass die Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nicht mehr erforderlich sei.6 Folglich ist das Unionsrecht ab 31.12.2020 für im Vereinigten Königreich gegründete Gesellschaften nicht mehr anzuwenden. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Geltung von Primär- oder Sekundärrecht wurde für das Vereinigte Königreich nicht vereinbart. Die Verfahrensbeteiligten können sich demnach auch nicht mehr darauf berufen.7
OLG München 29 U 2411/21 Kart
Das OLG München sprach mit seinem Urteil vom 05.08.2021 einer britischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, welche einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch begehrte, ihre Rechts- und Parteifähigkeit ab. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wurde aufgrund seiner Unzuständigkeit zurückgewiesen, mit der Begründung, dass die Limited infolge des Brexits und nach Ablauf der Übergangsfrist ihre Rechtsfähigkeit verloren habe.8
Demnach ist die Sitztheorie9 anzuwenden, wonach das Recht des Staates zur Anwendung kommt, in welchem sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft befindet – folglich deutsches Gesellschaftsrecht.10
Auch das deutsche Gesellschaftsrecht sieht einen numerus clausus an Gesellschaftsformen vor, welchem die britische Limited fremd ist.11 Das OLG München rekurrierte jedoch auf eine modifizierte Form der Sitztheorie und betrachtete die britische Gesellschaft nicht als rechtliches Nullum, sondern als dGesbR, OHG oder als einzelkaufmännisches Unternehmen, je nach Anzahl der Gesellschafter. Mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit folgte die Konsequenz der persönlichen Haftung der Gesellschafter.12
Österreichische Rechtsprechung
OGH 9 Ob 74/21d
Mit der Entscheidung vom 27.01.2022 sprach auch der OGH britischen Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz in Österreich ihre Rechts- und Parteifähigkeit ab und stützte seine Begründung dabei unter anderem auch auf jene Entscheidung des OLG München (29 U 2411/21 Kart).13
Die Klägerin, eine österreichische Zweigniederlassung einer britischen Private Limited Company mit Sitz im Vereinigten Königreich, beantragte in Folge eines Mahnverfahrens die Berichtigung ihrer Parteibezeichnung auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR).14 Das Erstgericht wies den Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung ab, und die Klage zurück, mit der Begründung, die Rechtsform der Klägerin sei eine Ges.m.b.H. nach englischem Recht. Nach der Legaldefinition des § 1175 Abs 1 ABGB ist für die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Zusammenschluss zweier oder mehrerer Personen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks durch eine bestimmte Tätigkeit erforderlich.15 Mit Gesellschaftsbeschluss aus dem Jahre 2014 wurden jedoch alle Geschäftsanteile auf eine Gesellschafterin übertragen.16 Die Sanierung des Verlusts der Rechtsfähigkeit im Wege der Berichtigung der Parteibezeichnung sei daher ausgeschlossen.17
Die bisher nach europarechtlichen Vorgaben als eigenständiger Rechtsträger anerkannte Rechtsform der britischen Limited, ist durch den Brexit-bedingten Wegfall der Anerkennungsgrundlage, gemäß österreichischem Recht nunmehr als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen bzw im Falle eines Alleingesellschafters von der Zuordnung an ihn als Einzelunternehmer auszugehen (§ 142 UGB analog).18 Der OGH spricht der britischen Gesellschaft in Österreich demnach ihre Anerkennung als juristische Person und folglich ihre Rechts- und Parteifähigkeit ab. Trägerin von Rechten und Pflichten, sowie Vertragspartnerin von Dritten ist nun die einzige Gesellschafterin, als Einzelunternehmerin.19
Unmittelbar betroffen sind mithin nur die nach englischem Gesellschaftsrecht gegründeten, ins englische Firmenbuch eingetragenen Limiteds mit Hauptverwaltungssitz in Österreich, welche ihre Geschäfte von Beginn an in Österreich betreiben. Die Aberkennung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit führt folglich zu einer persönlichen Haftung aller Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen für alle Verbindlichkeiten der Limited.
Indes sind Limiteds mit Satzungs- und Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich, Gesellschaften eines Drittstaats und demnach lediglich mittelbar von den Folgen des Brexits betroffen. Österreichische Zweigniederlassungen britischer Limiteds bleiben ohne weiteres im Firmenbuch eingetragen, denn die Anwendung des §°10°IPRG führt zu dem Ergebnis, dass Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich auch als britische Gesellschaften anzuerkennen sind.20 Den Zweigniederlassungen kommt hingegen keine Rechts- und Parteifähigkeit zu, da die Auslandsgesellschaft Trägerin von Rechten und Pflichten ist.21 Für diese Zweigniederlassung ist jedenfalls eine Person mit gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich zu bestellen, die mit der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft betraut ist.22
Zur Verfügung stehende Möglichkeiten:
Nach Ablauf des entsprechenden Übergangszeitraumes besteht nunmehr die Option der Einbringung der Beteiligungen der GesbR bzw. des Einzelunternehmens in eine neugegründete oder bereits bestehende Kapitalgesellschaft, z.B. in Form einer Sacheinlage, auch im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung unter Einhaltung der hierfür vorgesehenen Vorschriften (§§°52°und°53°GmbHG).23
1 Das englische Gesellschaftsrecht sieht für die Gründung einer Limited ua. weder ein entsprechendes Mindestkapital noch eine Mindesteinzahlung vor. Die Gründung wäre demnach auch mit einem Mindestkapital von einem Pfund möglich. Ebenso wenig ist eine strenge Kapitalaufbringungskontrolle bei Sacheinlagen vorgesehen vgl. Eckert/Lembeck/Metzler, Private Limited Companies in Österreich – Ein Überblick, SWK 2005, 148 (150).
2 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rn 22; Verschärgen in Rummel,ABGB3 § 10 IPRG Rz 14f.
3 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rn 24f, 27.
4 BGH 16.02.2021, II ZB 25/17 Rn 7; M. Zawadzki, ecolex 2022, 298.
5 M. Zawadzki, ecolex 2022, 298; BGH 16.02.2021, II ZB 25/17 Rn 2.
6 M. Zawadzki, ecolex 2022, 298; BGH 16.02.2921, II ZB 25/17 Rn 3,5.
7 BGH 16.02.2021, II ZB 25/17 Rn 7, 10.
8 C. Behme, Die britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland: Gewissheiten und Ungewissheiten, ZIP 2021, 2557 (2559); M. Zawadzki, ecolex 2022, 298 (299).
9 Nach der Sitztheorie ist das Personalstatut, welches für die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer juristischen Person maßgebend ist, das Recht des Landes des tatsächlichen Verwaltungssitzes vgl. Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 10 IPRG Rz 2.
10 C. Behme, ZIP 2021, 2559f; M. Zawadzki, ecolex 2022, 299.
11 M. Zawadzki, ecolex 2022, 299.
12 C. Behme, ZIP 2021, 2559.
13 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 29.
14 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 1f, 3, 5; Mitterecker/Tomić, OGH besiegelt das Ende der britischen Limited mit Verwaltungssitz in Österreich, ecolex 2022, 463.
15 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 6f; Raute in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1175 (Stand 1.6.2019, rdb.at).
16 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 2.
17 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 8.
18 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 36.
19 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 38.
20 OGH 27.1.2022, 9 Ob 74/21d Rz 22.
21 Umfahrer, GmbH Handbuch für die Praxis7 Kap 22 Rz 22.4.
22 Umfahrer, GmbH7 Kap 22 Rz 22.8f.
23 Konezny in Hübner-Schwarzinger/Kanduth-Kristen, Rechtsformgestaltung für Klein- und Mittelbetriebe (2011) 270ff, 286.
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